Nach den Beben

In Syrien kämpfen die Überlebenden mit Trauer – und gegen die Kälte

Rettungskräfte an einem zerstörten Haus in Syrien.

Rettungskräfte an einem zerstörten Haus in Syrien.

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Aleppo. In der syrischen Stadt Aleppo suchen die Menschen nach den zerstörerischen Erdbeben Schutz vor der Kälte. „Wir bleiben über Nacht auf diesem Bürgersteig und zünden Feuerholz an“, sagte Abdu al-Sus der Deutschen Presse-Agentur. Er hat aus Stoff ein improvisiertes Zelt für seine Frau und fünf Kinder gebaut. Auch etliche andere Familie übernachten bei eisigen Temperaturen auf der Straße oder in Autos im besonders betroffenen Osten der Stadt. Etliche warten darauf, dass die Behörden untersuchen, ob ihre beschädigten Häuser noch zu bewohnen sind.

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+++ Alle Entwicklungen nach den schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Liveblog +++

Al-Sus berichtete: „Wir und mehrere Bewohner haben unser Haus nach dem ersten Erdbeben verlassen, einige andere sind nicht gegangen. Nach ein paar Minuten ist das Gebäude vor unseren Augen eingestürzt.“ Auch Ahmed Muharram hat Ähnliches erlebt. Lediglich seine eigene Familie habe sich vor dem Einsturz aus ihrem Wohnhaus retten können. 63 seiner Nachbarn seien getötet worden, darunter auch Kinder. Sieben hätten gerettet werden können. „Ich habe 15 Jahre in diesem Gebäude gewohnt, und wir waren alle wie eine Familie.“ Nun habe er die meisten von ihnen verloren, sagte er den Tränen nahe.

Lage in den erschütterten Städten „katastrophal“

„Die Situation in Aleppo ist katastrophal“, erklärt Fredy Youssef am Samstag dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Youssef leitet als Projektdirektor die Einsätze der christlichen Hilfsorganisation „Christian Hope Center“ in der syrischen Hauptstadt. Das Hope Center stelle derzeit 26 Unterkünfte für die zahlreichen Obdachlosen zur Verfügung, 20 davon in Aleppo. Bis zum Samstag seien mehr als 30.000 Mahlzeiten bereitgestellt worden. Darüber hinaus seien auch 1200 Matratzen und 5200 Decken gespendet worden, so Youssef.

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Viele Menschen in Aleppo sind nach den schweren Beben auch in Moscheen und Schulen untergekommen. Allein in Aleppo im von der Regierung kontrollierten Teil Nordwestsyriens haben nach ersten Schätzungen rund 200.000 Menschen das Dach über dem Kopf verloren, in der Hafenstadt Latakia weitere 140.000, sagte die WHO-Vertreterin in Syrien, Iman Shankiti. Laut UN wurde in der Stadt jedes dritte Haus durch die Erdbeben zerstört.

Aleppo steht unter Kontrolle der Regierungstruppen von Machthaber Baschar al-Assad. Das UN-Flüchtlingshilfswerk schätzt, dass bis zu 5,3 Millionen Menschen durch das Beben in Syrien obdachlos geworden sind.

Über 24.000 Tote nach Erdbeben an türkisch-syrischer Grenze
News Bilder des Tages Earthquake, South Turkey Rescuers search for victims and survivors amidst the rubble of a building that collapsed in Iskenderun , Turkey on February 10, 2023. Iskinderun Turkey PUBLICATIONxNOTxINxFRA Copyright: xKonstantinosxZilosx originalFilename: zilos-notitle230210_npSJO.jpg

Die Zahl der Toten nach den Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion ist mittlerweile auf über 24.000 gestiegen. Tendenz weiterhin zunehmend.

Regierungseinheiten, NGOs und syrische Gruppen arbeiteten Tag und Nacht daran, Menschen aus den Trümmern eingestürzter Gebäude zu retten und zu unterstützen, erklärte Youssef dem RND. „Nach fast zwölf Jahren Bürgerkrieg war der Großteil der Infrastruktur in Aleppo schon vor dem Erdbeben schwer beschädigt.“ Die meisten Krankenhäuser seien derzeit überfüllt und benötigen dringend medizinische Hilfe und Ausrüstung, so der Projektdirektor der Hilfsorganisation. Jeden Tag ständen landesweit nur wenige Stunden Strom und Wasser zur Verfügung.

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WHO mahnt zur Ausweitung der Hilfen für Syrien

Die Hilfe für Erdbebenopfer in Syrien müsse nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) deutlich ausgeweitet werden. „Wir müssen mit größerer Dringlichkeit und in größerem Umfang handeln und uns besser organisieren“, sagte Richard Brennan, der WHO-Nothilfekoordinator für die Region Östliches Mittelmeer am Samstag in Aleppo. Die Toten- und Verletztenzahlen seien immens, was aber oft vernachlässigt werde, seien die vielen Obdachlosen.

„Wenn wir die Mittel bekommen, können wir die Hilfe schnell ausweiten“, sagte Brennan. „Offen gesagt ist Syrien seit vielen Jahren grob vernachlässigt worden.“ Der Bedarf für humanitäre Hilfe in Syrien sei im vergangenen Jahr noch nicht einmal zur Hälfte gedeckt worden. Das Land erlebt seit zwölf Jahren einen Bürgerkrieg und die Regierung von Präsident Baschar al-Assad ist unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen mit Sanktionen belegt.

Rettungsteams suchen derzeit weiter nach Verschütteten. Überlebende wurden nach dpa-Informationen in der Stadt schon länger nicht mehr gefunden.

RND/dpa/hyd

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