Erdbeben-Katastrophe

Helfer in Gaziantep: „Das ist das Drehbuch für einen Katastrophenfilm“

Serkan Eren im Erdbebengebiet in der Türkei.

Serkan Eren im Erdbebengebiet in der Türkei.

Serkan Eren hat keine Zeit. Die Zeit arbeitet gegen ihn und die anderen Freiwilligen, die nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien in der zerstörten Region helfen. Nur ein paar Minuten könne er telefonieren. „Es ist schlimm, es ist wirklich schlimm. Katastrophe“, sagt er atemlos. Er ist gerade unterwegs zwischen Adana, einer der Städte am Rande des Erdbebengebietes, und Gaziantep, nahe des Epizentrums.

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Mit 30.000 Euro Bargeld ist er von Deutschland ins Krisengebiet geflogen. „Ich habe gleich den ersten Flieger genommen. Allerdings war der Weiterflug nach Gaziantep schon gestrichen, auch wegen des Schneesturms.“ So fuhr er durch die Nacht vom Westen der Türkei in den Osten. Eren macht das nicht zum ersten Mal. Der 38-Jährige hat vor sieben Jahren die Hilfsorganisation Stelp gegründet, die sich darauf spezialisiert hat, bei akuten Notsituationen Menschen mit den wichtigsten Gütern zu versorgen. Dafür war er unter Aufsicht der Taliban in Afghanistan, dafür hat er Geflüchteten auf Lesbos geholfen, dafür fuhr er einen Tag nach Kriegsbeginn mit zwei Lastwagen in die Ukraine.

+++ Alle Entwicklungen nach den schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Liveblog +++

Ein Laster mit Hilfsgütern

Routiniert erklärt er den Ablauf seiner Hilfsaktion: Er allein fährt erst mal los, vor Ort schließt er sich mit anderen Helfern zusammen und sie organisieren das Nötigste, das die Menschen vor Ort brauchen. Wasser, Decken, Hygieneartikel, Windeln und Babynahrung. In Adana gibt es all das problemlos. Die Waren in den Laster, wieder nach Gaziantep, dort ausladen. Hin und her. „Dann darf man natürlich nicht die Anfängerfehler machen und die Sachen vor einer Menschenmenge verteilen. Das gibt nur Sodom und Gomorra“, erklärt er. Doch die Hilfe werde überall gebraucht, da könne man Hilfsgüter direkt auf der Straße an Einzelne verteilen.

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Soweit die Routine. Aber Routine ist dieser Einsatz auch für erfahrene Helfende nicht. „Es ist das Schlimmste, was ich je gesehen habe. Und ich habe die Explosion in Beirut gesehen. Wenn man ein Drehbuch für einen Katastrophenfilm bräuchte: Das hier wäre es.“ Zehn Millionen Menschen leben in der akut betroffenen Erdbebenregion. Gaziantep hat über zwei Millionen Einwohnende. „Es ist schlimm“ ist ein Satz, der immer wieder zwischen den Fragen fällt. „Ganze Städte gibt es nicht mehr. Hatay existiert einfach nicht mehr.“ Selbst wenn einige Häuser nicht eingefallen seien, seien sie in Schieflage. „Ich habe hier noch keinen Menschen getroffen, der nicht ein Todesopfer bei Verwandten oder Bekannten zu beklagen hätte.“

In der Nacht verladen Serkan Eren und andere Helfer und Helferinnen Hilfsgüter.

In der Nacht verladen Serkan Eren und andere Helfer und Helferinnen Hilfsgüter.

Jeden Tag die Hilfe neu planen

Zwischendurch bricht die Verbindung ab. Das größte Problem seien die fehlenden Baumaschinen, die wegen des Schneesturms schwer in das Gebiet zu transportieren seien. „Die Menschen buddeln mit ihren Händen nach Verwandten“, berichtet der 38-Jährige. Er selbst habe geholfen, die Leiche eines 13-jährigen Mädchens zu bergen. „Das war schlimm. Schlimm“, fällt wieder. Wie geht es den Menschen vor Ort, die dieses Erdbeben miterlebt haben? „Manche Menschen machen einfach weiter. Die funktionieren irgendwie. Andere laufen apathisch herum.“ Und er selbst? „Beim Einsatz geht es eigentlich meistens. Die schwierige Zeit kommt erst danach“, gesteht er ein.

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Was hilft jetzt? „Geld spenden“, sagt Eren ganz klar. Ein Spendengütertransort von Deutschland aus dauere viel zu lange. „Es gibt ja Waren hier vor Ort, die muss man nicht durch Europa fahren.“ Die großen Hilfsorganisation würden jetzt warmlaufen. „Bald wird eine Planierraupe hier irgendwo eine gerade Ebene schaffen und dann werden die großen Organisationen Zeltstädte errichten. Er schaue bis dahin jeden Tag neu, wie er helfen könne. „Was morgen kommt, kann ich noch nicht sagen.“

Ein Lichtblick

„Ich weiß, die Türkei steht nicht unbedingt für Struktur. Aber mit so einer Katastrophe wäre jedes Land überfordert.“ Der Zusammenhalt unter Türkinnen und Türken sei aber immens. „Viele türkische Vereine helfen hier. Viele, die jetzt ihre Wohnung verloren haben, sind bei Verwandten untergekommen.“ Er selbst habe sich schnell mit anderen Helfenden zusammentun können. „Das ist der einzige Lichtblick, das einzige Positive, das ich hier erlebe.“

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