Andreas D. beteuert Unschuld

Zivilprozess gegen verurteilten Doppelmörder: neues Gutachten möglich

Das Landgericht Darmstadt.

Das Landgericht Darmstadt.

Darmstadt. Schon eine Stunde vor Verhandlungsbeginn stehen Wartende am Mittwoch auf dem Flur vor Saal 213 des Landgerichts im hessischen Darmstadt. Justizwachtmeister kontrollieren, wer eine Einlasskarte für den vermutlich meistbeachteten Zivilprozess des Jahres hat und somit einen der wenigen Plätze im Saal besetzen darf. Dass der Verhandlungstag, dem Zuschauer und Medienvertreter folgen möchten, schon nach knapp einer Stunde unspektakulär endet, ahnen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Doch Zivilprozesse sind hierzulande eng getaktet, zudem entfallen Anklageverlesungen und andere Details, die aus Strafverfahren bekannt sind. Es werden lediglich Anträge vorgebracht, und meist gehen die Beteiligten dann schon wieder auseinander. Anders ist es auch an diesem Mittwoch nicht – doch der Fall, der dieser mündlichen Verhandlung zugrunde liegt, ist dennoch besonders.

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Beklagt in diesem Zivilverfahren ist Andreas D. (52), rechtskräftig verurteilter Doppelmörder. Seit mehr als elf Jahren sitzt er in Haft, weil er (wir haben berichtet) seine Nachbarn Klaus und Petra T. mit mehreren Schüssen getötet und deren geistig behinderte Tochter lebensgefährlich verletzt haben soll. Er sei genervt vom ständigen Lärmen der Familie gewesen und habe sie deswegen „auslöschen wollen“, hatte ein Gericht im Juli 2011 festgestellt.

Wurde ein selbst gebastelter Schalldämpfer verwendet?

Nun möchte das Land Hessen rund 70.000 Euro Unterbringungs- und Behandlungskosten für die Frau erstattet bekommen. Zahlen soll Andreas D. Dieser jedoch bestreitet die Taten. Das nun anberaumte Zivilverfahren sehen er und seine Unterstützer als Chance, seine Unschuld zu beweisen. Denn da Zivilverfahren in Deutschland unabhängig von Strafverfahren sind, muss das Zivilgericht selbst zu dem Schluss kommen, dass D. die Taten begangen hat. Nur dann hat der Antrag des Landes Hessen auf Zahlung Erfolg. Dazu kann das Gericht nicht nur die Akten aus dem Strafverfahren heranziehen, sondern hat auch die Möglichkeit, ein eigenes Gutachten erstellen zu lassen.

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Und darauf setzen nun D. und seine Unterstützer. Sie hoffen auf ein neues Schlussgutachten. Hintergrund: D. soll bei den Schüssen auf seine Nachbarn einen aus Bauschaum und einer Plastikflasche selbst gebastelten Schalldämpfer verwendet haben. Auf den Leichen waren Bauschaumpartikel gefunden worden. Die Verteidigung von Andreas D. jedoch führt an, dass ein solcher Schalldämpfer bei den Taten gar nicht habe zum Einsatz kommen können. Die verwendete Munition habe solchen Lärm verursacht, dass ein Bauschaumkonstrukt völlig nutzlos gewesen wäre. Das habe ein eigenes, nach der Verurteilung von D. in Auftrag gegebenes Gutachten gezeigt. Es stehe damit im Gegensatz zu den Erkenntnissen der Schwurgerichtskammer, die D. verurteilt hatte.

Psychiatrisches Gutachten: Ehefrau zuversichtlich

Für das Land Hessen dagegen ist die Sachlage klar: D. ist rechtskräftig verurteilt, Revision, Wiederaufnahmeverfahren und Verfassungsbeschwerde hatten keinen Erfolg, so Rechtsanwalt Thomas Pahl. Ein neues Gutachten, wie von der Verteidigung angeregt, werde nichts bringen. Anja D., Ehefrau des Verurteilten, ist dagegen zuversichtlich: „Ich hoffe, das Gericht wird die richtigen Schlüsse ziehen“, sagt sie im Anschluss an den Verhandlungstag.

Neue Zuversicht gibt ihr auch ein ebenfalls erst nach der Verurteilung ihres Mannes erstelltes psychiatrisches Gutachten: Eine von der Verteidigung beauftragte Sachverständige sei nach insgesamt acht Stunden Gespräch zu dem Schluss gekommen, dass „das Tatgeschehen und die Persönlichkeit von Andreas D. nicht in Einklang“ zu bringen seien, so die Verteidigung am Mittwoch. Kurzum: Jemand wie D., der intelligent und sehr reflektiert sei, könne die kaltblütigen Morde demnach eher nicht begangen haben. Dieses Gutachten hat das Zivilgericht kurz vor Beginn der Verhandlung am Mittwoch erhalten.

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Die Kammer hat nun für den 30. März dieses Jahres einen sogenannten Verkündungstermin anberaumt. Was dann passiert, ist offen: Entweder verurteilt das Gericht D. dann zu einer Zahlung oder weist den Antrag des Landes Hessen – eventuell auch nur teilweise – zurück. Ebenso ist es möglich, dass tatsächlich ein neues Gutachten beauftragt oder ein weiterer Termin für eine mündliche Verhandlung festgesetzt wird.

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