Daimler-Managerin Franzi von Kempis leitet Corona-Impfzentrum: „Ein Ort der Hoffnung“
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Daimler-Managerin Franzi von Kempis steht vor dem Berliner Impfzentrum Messe.
© Quelle: Malteser Berlin
Hannover. Franzi von Kempis ist eigentlich als Managerin bei Daimler in der Automobilbranche tätig. Doch nachdem sie selbst im März 2020 an Covid-19 erkrankt war, entschloss sich die 39-Jährige zu einem Sabbatical: Sie legte ihren regulären Job auf Eis und fing an, hauptamtlich in einem Berliner Impfzentrum der Malteser zu arbeiten. Im RND-Interview spricht sie über die Gründe dafür und ihre Erfahrungen.
Von der Leitung des Daimler Mobility Labs zum Aufbau des Impfzentrums in Berlin. Wie ist es dazu gekommen, Frau Kempis?
Vor ziemlich genau einem Jahr hatte ich selbst Corona und hatte mich dann aufgrund dieser Krankheit viel mit dem Thema beschäftigt. Dabei habe ich mir viele Gedanken gemacht, was ich tun kann oder was ich tun möchte für die Bekämpfung dieser Pandemie. Das wusste natürlich auch mein Bekannten- und Freundeskreis. Und als da jemand hörte, dass die Malteser Helfer für ein Impfzentrum suchen, wurde das an mich herangetragen. Zu meinem großen Glück! Und ich kenne die Malteser auch schon lange, bin früher als Begleitung bei Lourdes-Wallfahrten mitgefahren.
Und Daimler hat Ihrem Anliegen direkt zugesagt?
Ich habe meinem Chef davon erzählt und hatte das große Glück, dass ich einen Arbeitgeber habe, der sehr offen und positiv reagiert hat. Es wäre sonst gar nicht möglich gewesen, ohne einen Arbeitgeber, der da so flexibel ist. Ich bin bis heute total happy darüber, dass das so gut geklappt hat. Es gibt ja kein Recht auf ein Sabbatical oder eine Freistellung. Das war also sozusagen mein Glück im Pandemie-Unglück.
Sie sind im März 2020, also zu Beginn der Pandemie, sehr offen mit der Krankheit umgegangen und haben darüber getwittert. Wie verlief Ihre Corona-Erkrankung?
Es fing damit an, dass es mir schlicht nicht gut ging, ich war nicht fit. Dann hat sich das relativ schnell entwickelt und ich wusste schon: Hier ist irgendwas nicht in Ordnung. Nach dem Test beim Gesundheitsamt hatte ich dann innerhalb von 24 Stunden das Ergebnis. Mehrere Wochen ging es mir richtig schlecht. Ich hatte Fieber, Gliederschmerzen, fürchterliche Kopfschmerzen und lag mindestens vier Wochen zu Hause im Bett. Schließlich bin ich aus der Quarantäne entlassen worden und hatte trotzdem monatelang noch Nachwirkungen. Ich war körperlich nicht fit und musste mich zum Beispiel entscheiden: Fährst du jetzt mit dem Aufzug oder gehst du zwei Stockwerke in deine Wohnung, obwohl du danach sicher müde bist? Das ging sehr lange so, deswegen nenne ich diese Erfahrung auch verstörend, auf mehreren Ebenen.
Und dann gibt es tatsächlich Leute, die glauben, dass es das nicht gibt, was du hattest und dann sagen: Aber war nicht so schlimm, oder? Nicht falsch verstehen: Ich hatte mit meiner Erkrankung Riesenglück. Ich hatte keinen schweren Verlauf, ich musste nicht ins Krankenhaus, ich musste nicht beatmet werden. Aber es war trotzdem ein wirklich verstörendes Erlebnis.
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Jetzt kämpfen sie schon seit einiger Zeit selber an der Corona-Front: Welche Aufgaben haben Sie im Impfzentrum?
Ich bin in meiner Funktion stellvertretende Leitung und unsere Aufgabe als Malteser ist der Betrieb des Zentrums. Darin kommen unterschiedliche Schnittstellen zusammen: Wir sind die Betreiber und für die Struktur und Organisation zuständig, wir bereiten keinen Impfstoff auf, dafür ist das pharmazeutische Team zuständig. Wir impfen auch keine Personen, das machen die Ärztinnen und Ärzte. Wir begleiten die Menschen bei diesem Prozess von der Ankunft, über die Anmeldung, über die Impfung in der Kabine bis zum Nachsorgebereich. Das ist ja eine Situation, die wir so alle noch nicht erlebt haben. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Struktur so umzustellen, dass die Leute sich bei uns gut aufgehoben und behütet fühlen. Dass man einfach weiß, hier ist immer jemand, der mir sagen kann, was mich erwartet und was die nächsten Schritte sind.
Es ist eine Situation, die wir so alle noch nicht erlebt haben.
Franzi von Kempis, Daimler-Managerin
Das klingt nach einem geregelten Ablauf. In Ihrem Twitter-Profil herrscht aber ganz schön Trubel.
(lacht) Ich würde behaupten, kein Tag ist wie der nächste. Trotzdem ist klar: Die Grundaufgabe ist, dass Menschen einen klar definierten Prozess durchgehen und ihren Impftermin einhalten können. Dazwischen passieren auch sehr lustige Sachen, zum Beispiel, dass jemand sein Meerschweinchen in einem Körbchen dabei hat, das dann vor dem Zentrum auf seine Besitzerin wartet.
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Sind das die Eindrücke, die in Erinnerung bleiben?
Definitiv. Es gibt Bereiche, die mir wahnsinnig eindrücklich vorkommen in dieser Zeit: Das ist zum Beispiel das Team, das aus so vielen unterschiedlichen Menschen besteht, aus so unterschiedlichen Bereichen. Wir haben Piloten, Menschen aus dem Servicebereich, Menschen aus dem Management, Menschen, die eigentlich einen Friseurladen besitzen. Wir haben das ärztliche Team, die Apothekerinnen und Apotheker, die Security, die Soldaten. Das sind so unterschiedliche Bereiche, die alle hier zusammenkommen, alle mit dem Ziel, diesen Prozess zu ermöglichen. Hier macht man eine Once-In-A-Lifetime-Erfahrung.
Gibt es bestimmte Menschen, an die sie später zurückdenken werden?
Das sind Menschen, die ihre Lebensgeschichte erzählen, die erzählen, wie wichtig ihnen die Impftermine sind, damit sie nach vorne gucken können. Wir haben es in der Priogruppe 1 vorwiegend mit über 80-Jährigen, über 90-Jährigen zu tun und für die ist Impfen ein medizinischer Fortschritt, den sie aufgrund des Alters selbst erlebt haben. Dann fragt man sie: „Wie geht’s?“ und sie sagen „Mir geht’s gut, machen Sie sich mal keine Sorgen. Ich hab noch Kinderlähmung erlebt.“ Das sind Menschen, die haben Zeiten erlebt, in denen Leute an Polio erkrankt sind. Dazu haben sie eine klare Meinung, das macht mich oft sehr demütig. Weil ich natürlich einer jüngeren Generation angehöre und durch diese Erfahrungen sehr viel dazulerne.
Nützen Ihnen diese Erfahrungen auch in Ihrem normalen Alltag?
Ich kann aus meiner Zeit im Impfzentrum ganz viel mitnehmen. Was es bedeutet, wenn viele unterschiedliche Menschen als Team zusammenkommen, was es bedeutet, daran mitwirken zu können, in kürzester Zeit ein Team aufzubauen. Vielleicht auch, was es bedeutet, an einem Ort der Hoffnung arbeiten zu dürfen, in diesen Zeiten, die für uns alle schwer sind.