Australische Polizei warnt vor virtuellen Entführungen
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Jeder, der ein Handy hat, kann heutzutage Opfer von Telefonbetrügereien werden – in Australien werden aktuell besonders perfide Fälle bekannt (Symbolbild).
© Quelle: Fabian Sommer
Syndey. Die Fotos jagen einem Angst ein: Eine junge Frau sitzt auf dem Fußboden, die Arme hinter dem Rücken gefesselt, ein junger Mann mit nacktem Oberkörper, die Beine fest verschnürt. Die Fotos, die die Polizei im australischen Bundesstaat New South Wales derzeit zirkulieren lässt, zeigen ein besonders abscheuliches Verbrechen, von dem wahrscheinlich die wenigsten bisher gehört haben: „Virtual Kidnappings“ – sogenannte virtuelle Entführungen. Letztere sind nicht echt – vielmehr stellen die Opfer ihre eigene Entführung nach, weil Betrüger und Betrügerinnen sie unter Druck setzen.
Ein Beispiel: Mitte April wurde die Polizei im Süden von Sydney darüber informiert, dass Bilder eines 18-jährigen, offenbar entführten Mädchens von einer Adresse in Sydney an eine Familie in China geschickt wurden. Der Teenager hatte zuvor einen Anruf von einem Mann erhalten, der sich als chinesischer Polizist ausgab und behauptete, sie würde abgeschoben, wenn sie nicht 280.000 Australische Dollar, umgerechnet über 170.000 Euro, bezahle. Der Betrüger wies sie an, eine Entführung zu inszenieren, damit ihre Familie die Schulden begleichen würde. Glücklicherweise erhielt die Polizei in diesem Fall rechtzeitig einen Hinweis und konnte die junge Frau sicher in einem Hotel auffinden, bevor die große Summe an Geld gezahlt wurde.
Geschickte Betrugsmasche
Die Opfer dieser „Virtual Kidnappings“, die laut der Polizei in Australien enorm zugenommen haben, sind junge internationale Studentinnen und Studenten, meist aus China. Auch hinter der Betrugsmasche stecken normalerweise Chinesen und Chinesinnen. Meist verlangen die Betrüger und Betrügerinnen große Geldsummen und drohen den Opfern mit einer Abschiebung oder einer Verhaftung. Um dieser zu entgehen, sollen die jungen Leute zahlen. Können sie dies nicht, werden sie gezwungen, ihre eigene Entführung vorzutäuschen, um mehr Geld von ihren Familien zu erpressen.
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In Australien werden Studierende von Kriminellen gezwungen, ihre eigene Entführung vorzutäuschen. So soll Geld von den Eltern erpresst werden.
© Quelle: Police NSW
Den Eltern der Studierenden wird vorgegaukelt, dass ihr Sohn oder ihre Tochter in Gefahr sei und dass ein Lösegeld gezahlt werden müsse, um ihre „Freilassung“ sicherzustellen. Die Tortur kann mehrere Tage dauern. Die Betrüger fordern meist zwischen 175.000 und 250.000 Dollar (zwischen 106.000 und 152.000 Euro).
Der erste Kontakt wird häufig über einen Anruf von jemandem hergestellt, der Mandarin spricht und behauptet, ein Vertreter oder eine Vertreterin einer chinesischen Behörde zu sein, beispielsweise der chinesischen Botschaft, des chinesischen Konsulats oder der Polizei. Danach wird die Kommunikation auf verschiedene verschlüsselte Anwendungen wie Wechat oder Whatsapp verlegt. Die Geldbeträge lassen sich die Betrüger und Betrügerinnen auf Offshore-Bankkonten überweisen.
Auch in Bayern gab es bereits einen Fall
Obwohl die meisten Fälle virtueller Entführungen in Australien, Neuseeland oder Kanada vorkommen – allesamt beliebte Länder bei chinesischen Studierenden – ist es auch in Europa bereits zu vereinzelten Fällen gekommen. Beispielsweise hatten Betrüger und Betrügerinnen es im vergangenen Jahr auf eine 22 Jahre alte chinesische Sprachstudentin in München abgesehen.
In Australien haben Fälle fingierter Entführungen in den vergangenen Wochen nun so zugenommen, dass sich die Polizei im Mai an die Öffentlichkeit wandte, um eine Warnung auszusprechen. Kriminalkommissar Joe Doueihi sagte, die Beamten und Beamtinnen würden eng mit Universitäten sowie der chinesischen Botschaft und dem chinesischen Konsulat in Sydney und Canberra zusammenarbeiten, um die Bevölkerung vor solchen Betrügereien zu warnen. Jeder derartige Anrufer sei ein Betrüger, so Doueihi. Das Ganze sei allein deswegen so schändlich, weil die meisten der jungen Studierenden zum ersten Mal in ihrem Leben in einem neuen Land und weit weg von ihrer Familie leben würden.
Australien erwartet Tausende Studierende aus China
Viele Opfer virtueller Entführungen seien nach einem derartigen Vorfall traumatisiert und würden sich schämen, erklärte der Polizeibeamte. Das Ganze sei aber „keine Schande“ und es sei sehr wichtig, dass sich Opfer an die Polizei wenden und um Hilfe bitten würden.
Nach Angaben der australischen Statistikbehörde waren vor der Pandemie im Jahr 2019 mehr als 260.000 chinesische Studentinnen und Studenten an australischen Universitäten eingeschrieben. Durch die Abschottung beider Länder wechselten viele jedoch auf Onlinekurse um. Doch nachdem die chinesische Regierung ein Onlinestudium an ausländischen Universitäten Anfang des Jahres verboten hat, könnten über die kommenden Monate rund 40.000 junge Chinesinnen und Chinesen nach Australien kommen, wie es in lokalen Medienberichten hieß.