Junge Corona-Patientin ringt nach Luft: Empörung über Video der australischen Regierung
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Mit dem Video will australischen Regierung die Impfbereitschaft erhöhen.
© Quelle: Australian Government Department of Health
Sydney. Australiens Impfkampagne kommt nur schleppend voran. Knapp neun Millionen Impfdosen wurden bisher ausgegeben, weniger als 9 Prozent der Gesamtbevölkerung sind vollständig geimpft – gleichzeitig steigt die Sorge wegen der sich ausbreitenden Delta-Variante. Mit neuen Kampagnenvideos will die australische Regierung die Dringlichkeit einer Impfung verdeutlichen – doch genau das Gegenteil werde damit bewirkt, kritisieren Experten.
In dem Video, das am Wochenende in sozialen Medien veröffentlicht wurde und dem ein Warnhinweis voransteht, ist eine junge Frau zu sehen, die offensichtlich in einem Krankenhausbett liegt und durch die Nase mit Sauerstoff versorgt wird. 20 Sekunden lang ist zu sehen und zu hören, wie sie nach Luft ringt. Dann wird das Bild schwarz und ein Schriftzug mit den Worten „Covid-19 kann jeden treffen“ eingeblendet – die schwer atmende Frau ist weiter zu hören. Es folgt die Aufforderung, zu Hause zu bleiben sowie sich testen und impfen zu lassen.
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Verschiedene Facetten des Regierungsvideos lösten nach der Veröffentlichung Kritik aus. Die Werbung nähere sich „sehr, sehr stark der Panikmache und Angst“ an, sagte die Wissenschaftlerin Dr. Jessica Kaufman dem „Guardian“. Das könnte die Impfzögerlichkeit sogar noch erhöhen und, da in dem Spot eine Schauspielerin zu sehen ist, als manipulativ angesehen werden und das Misstrauen gegenüber der Regierung erhöhen, sagte Kaufman, die an der Universität von Melbourne zum Thema Impfbereitschaft forscht. „Wir haben insbesondere bei Impfungen gesehen, dass Angstkampagnen oder beängstigende Botschaften über Krankheiten dazu führen können, dass Menschen mehr Angst vor Nebenwirkungen von Impfstoffen bekommen“, sagte sie.
Wissenschaftlerin findet Video „sehr enttäuschend“
Kaufman kritisierte auch die Entscheidung, die Anzeige auf jüngere Menschen auszurichten, die noch nicht berechtigt sind, den empfohlenen Impfstoff zu erhalten. Die Regierung „zielt mit dieser Werbung auf junge Leute, weil sie denkt, dass die jungen Leute die Regeln in Sydney brechen“, sagte die Wissenschaftlerin dem „Guardian“. Es sei aber sehr fragwürdig, diese Gruppe zu einer Impfung aufzufordern, auf die sie keinen Anspruch hätte, weil nicht genug Impfstoff vorhanden sei. Kaufman nannte die Impfkampagne insgesamt „sehr enttäuschend“.
Hintergrund ist, dass die Impfstoffe von Biontech und Pfizer in Australien knapp sind. Gleichzeitig hatten widersprüchliche Impfempfehlungen zum reichlich vorhandenen Corona-Vakzin von Astrazeneca zuletzt vor allem unter jungen Menschen für Verwirrung gesorgt. Die Regierung in Canberra hatte beschlossen, den Impfstoff entgegen früherer Empfehlungen grundsätzlich für alle Erwachsenen freizugeben. Die Regionalregierungen in Queensland und Westaustralien dagegen raten Menschen unter 40 Jahren wegen der sehr seltenen Fälle von Blutgerinnseln im Gehirn weiter davon ab.
Auch Bill Bowtell, Professor an der Universität von New South Wales und gesundheitspolitischer Berater, nannte die Werbung gegenüber dem Sender CNN „in jeglicher Weise missverständlich“. Vor allem die Darstellung einer an Corona erkrankten jungen Frau mit dem nachfolgenden Hinweis auf die Wichtigkeit der Impfung, die sie im Zweifelsfall noch gar nicht bekommen konnte, findet Bowtell fragwürdig. „Jegliche Regierungskommunikation sollte geschmackvoll und von Integrität und Ehrlichkeit geprägt sein. Das ist hier nicht der Fall.“
Der bekannte Fernsehmoderator Hugh Riminton kritisierte das Video ebenfalls mit deutlichen Worten: „Es ist komplett anstößig, solch eine Werbung zu veröffentlichen, solange Australier in dieser Altersgruppe noch immer auf ihre Impfung warten“, schrieb er bei Twitter.
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Premierminister verteidigt Video
Die australische Regierung verteidigte das Video gegen die Kritik. Es wurden bewusst drastische Bilder gewählt, um die Nachricht zu verdeutlichen, wie wichtig es sei, zu Hause zu bleiben, sich testen und impfen zu lassen, sagte Paul Kelly, der führende Regierungsberater in gesundheitlichen Frage. Und Premierminister Scott Morrison sagte dem Sender Sky News Australia am Montag, es würde „immer“ Kritik geben: „Erst vor ein paar Wochen haben dieselben Kritiker gesagt, die Werbung müsse deutlicher, viel deutlicher sein.“ Das Video habe „zwei Botschaften. Eine ist: bleibt zu Hause. Wir können in diesem Bereich nicht nachlässig werden.“
Wegen der sich ausbreitenden Delta-Variante war der Corona-Lockdown in der australischen Metropole Sydney in der vergangenen Woche um weitere sieben Tage verlängert worden. Grund sei, dass die Bevölkerung noch weitgehend ungeimpft sei, sagte der Gesundheitsminister des Staats New South Wales, Brad Hazzard. „Es ist uns nicht gelungen, die Impfstoffe zu bekommen, die wir benötigen“, erklärte er.
Mit AP