RND-Interview mit den „Hildbusters“

Hildmann aufgespürt: „Wir wussten, wo er Gassi geht – dann haben wir uns auf die Lauer gelegt“

Der rechtsextreme Verschwörungstheoretiker und Autor von Vegan-Kochbüchern Attila Hildmann, hier auf einer Demonstration vor dem Berliner Reichstag im Mai 2020.

Der rechtsextreme Verschwörungstheoretiker und Autor von Vegankochbüchern Attila Hildmann, hier auf einer Demonstration vor dem Berliner Reichstag im Mai 2020.

Herr Brehm, Sie haben mit Ihrer Gruppe eineinhalb Jahre nach Attila Hildmann gesucht. Wie war es für Sie, ihm nun persönlich gegenüberzustehen?

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Es war überraschend. Ich habe gedacht, er würde komplett anders reagieren: laut werden, vielleicht sogar ausflippen und körperlich werden. Weil unser Besuch für ihn so unerwartet kam, er hatte sich bisher rundum sicher gefühlt. Im Endeffekt war ich erleichtert, dass es nicht so abgelaufen ist. Womit ich aber auch nicht gerechnet habe: dass er uns gegenüber einfach in sein altbewährtes Muster fällt und antisemitische Parolen rausbläst.

Wie lange dauerte die Begegnung?

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Etwa zehn Minuten. Wir haben versucht, uns zu unterhalten – es war aber nicht möglich, eine Diskussion mit ihm zu führen. Ich habe ihn zum Beispiel gefragt, woran er festmacht, ob ein Medium seriös oder unseriös sei. Das entscheide er mittels eines gesunden Menschenverstands, war die Antwort. Wenn man ihn hinterfragt hat, waren die Antworten alles in allem sehr unausgegoren.

Rechtsextremist Attila Hildmann offenbar in der Türkei aufgespürt

Der in der Türkei untergetauchte rechtsradikale Verschwörungserzähler Attila Hildmann wird seit längerem per Haftbefehl gesucht.

Und was war Ihr Eindruck von ihm – wie lebt er dort?

Wir haben den Verlauf in den letzten anderthalb Jahren genau beobachtet. Anfangs wohnte er in diesen Nobelvillen mit Swimming Pool, mehreren Schlafzimmern, in Touristenlagen am Strand und am Meer. Das ist kontinuierlich nach unten gegangen. Als wir ihn dort angetroffen haben, war sein Pullover zerschlissen, die Hose ausgebeult. Er hat einen heruntergekommenen, vernachlässigten Eindruck gemacht. Man hat ihm angesehen, dass es ihm finanziell nicht mehr so gut geht wie früher. Sein Mercedes aus den 1970er-Jahren ist in einem desaströsen technischen Zustand.

Was war die entscheidende Spur, um ihn zu finden?

Anhand von Wetterdaten wussten wir ungefähr, wo wir ihn verorten müssen, in der Nähe von Istanbul. In einer von ihm verbreiteten Sprachnachrichten war fallender Regen zu hören. Zum Zeitpunkt der Voice-Message hat es nur in einer einzigen Region in der Türkei geregnet. Die entscheidende Spur war dann aber ein Tierarzt.

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Sein Pullover war zerschlissen, die Hose ausgebeult. Er hat einen heruntergekommenen, vernachlässigten Eindruck gemacht.

Alexander Brehm,

Mitglied der „Hildbusters“

Wie kam es dazu?

Hildmann war auf einer Tour in der Türkei unterwegs, deshalb hat er seine Haustiere vorher bei einem Bekannten abgegeben – eine der Katzen hat sich währenddessen den Vorderlauf gebrochen. Er ist mit dieser Katze zu dem Tierarzt in seinem Ort gegangen, anhand geposteter Bilder konnten wir die Praxis ausfindig machen. Im Umkreis von 120 Kilometern gab es keinen anderen Arzt; das war also der entscheidende Punkt.

Das klingt nach akribischer Detektivarbeit. Wie ist Ihre Gruppe bei der Suche vorgegangen?

Hildmann hatte zu seinen Spitzenzeiten weit über hundert Kanäle auf Telegram. Alle Posts, die uns wichtig erschienen, haben wir daraus gesichert – weil Hildmann die Gewohnheit hat, Dinge zu posten und 30 Minuten später wieder zu löschen. Man blendet diesen Typen und was er labert irgendwann aus und fokussiert sich auf alles, was in den Bildern, Videos oder Sprachnachrichten drumherum passiert, achtet zum Beispiel auf Hintergrundgeräusche. So entwickelt man einen Blick für Details. Uns ist beispielsweise aufgefallen, dass Hildmanns Haus kein freistehendes ist. Das alles aufzudröseln, war wirklich eine akribische Detektivarbeit.

Der Hobbyrechercheur Alexander Brehm von der Gruppe „Hildbusters“.

Der Hobbyrechercheur Alexander Brehm von der Gruppe „Hildbusters“.

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War für Sie klar, dass Sie ihn auf offener Straße stellen wollen – und nicht an der Tür klingeln?

Das war für uns die sicherste Option für die Konfrontation. In der Nähe seines Hauses hätte er sich wahrscheinlich gleich darin verbarrikadiert. Wir wussten, wo er Gassi geht, die ungefähre Route hatten wir anhand von Bildern eruiert. Dann haben wir uns auf die Lauer gelegt und gewartet, bis er kommt.

Wie würden Sie Ihre Gruppe, die „Hildbusters“, beschreiben?

Die Verbindung ist aus Jux und Tollerei entstanden. Wir sind zwölf Leute, die sich einen Spaß daraus gemacht haben, Hildmanns Anhänger mit verschiedenen Aktionen ins Bockshorn zu jagen, zum Beispiel über die Telegram-Chats. Bei uns ist alles dabei: Juristen, Grafikdesigner – ich bin selbstständig als Koch. Das geht kreuz und quer durch alle Schichten, Männer und Frauen von 20 bis 53. Wegen unserer Wohnorte sehen wir uns aber nur selten, das meiste läuft online ab.

Warum Hildmann – was trieb Sie an, ihn zu suchen?

Das erste Mal fiel er uns während der von ihm angeführten Autokorsos in Berlin auf. Das war 2020, der Protest gegen die Corona-Maßnahmen. Er war damals sehr präsent und hatte eine wahnsinnige Reichweite. Uns hat interessiert, was der so treibt. Wir haben uns mit sämtlichen „Querdenkern“ beschäftigt und ihre Gruppen getrollt, es gab keinen besonderen Trigger dafür, dass es ihn traf. Er war eben der, der von heute auf morgen von der Bildfläche verschwunden ist. Da ist der Jagdtrieb erwacht: Wo versteckt er sich, wie kommt man an den dran?

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Was für eine Person ist Hildmann für Sie?

Ich finde es absolut unsäglich, wie er sich gibt. Ich würde ihn am ehesten mit einem Hassprediger vergleichen. Für mich ist dieser Mensch jemand, der dringend aus dem Verkehr gezogen gehört, damit er diesen Hass, den er in sich trägt, nicht weiterverbreiten kann.

Attila Hildmann war mal Koch. Heute ist er einer der bekanntesten Verschwörungstheoretikern Deutschlands.

Attila Hildmann ist einer der bekanntesten Verschwörungstheoretiker Deutschlands. Hier ist er auf einer Demo in Berlin zu sehen (Archivbild).

Die Behörden in Deutschland geben in der Causa Hildmann ein sehr unglückliches Bild ab. Wie schätzen Sie deren Arbeit ein?

Ich kann nur darüber sprechen, was ich mitbekomme; und das ist wirklich desaströs. Ich habe das Gefühl, dass es ein Politikum ist – dass Hildmann einfach ein zu kleines Licht ist, um sich richtig dahinterzuklemmen. Als – in Anführungsstrichen – kleiner Volksverhetzer mit einer riesigen Reichweite.

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Ich habe das Gefühl, dass es ein Politikum ist – dass Hildmann einfach ein zu kleines Licht ist, um sich richtig dahinterzuklemmen.

Alexander Brehm,

Mitglied der „Hildbusters“

Die deutschen Sicherheitsbehörden waren lange fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Hildmann die türkische Staatsbürgerschaft besitzt. Es sei deshalb davon auszugehen, dass ihn die Türkei weder festnehmen noch ausliefern werde, so die einhellige Meinung.

Das ist für mich tatsächlich unverständlich. Weil die Generalstaatsanwaltschaft Berlin von uns mehrfach drauf hingewiesen wurde, dass es Sprachnachrichten gibt, die darauf hinweisen, dass dieser Pass nicht vorhanden ist und erst beantragt wurde. Schon im vergangenen Jahr hatten wir der Generalstaatsanwaltschaft Berlin mitgeteilt, dass es keinen türkischen Pass gibt.

Wie war die Reaktion?

Es kam nie eine Rückmeldung zu den Informationen, die wir abgegeben haben. Einmal gab es ein Feedback von einem Staatsschutzbeamten, der gesagt hat: „Das ist astrein, damit kann man arbeiten. Aber ihr wisst schon, dass auf Hildmann keine Belohnung ausgesetzt ist?“ Das war alles, was wir gehört haben.

In der Türkei haben Sie das Generalkonsulat in Istanbul aufgesucht, nachdem Sie Hildmann aufgespürt haben. Wie wurde Ihre Geschichte dort aufgenommen?

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Es kam ein Herr von der Bundespolizei in Uniform und eine Dame, die wohl in der Rechtsabteilung des Konsulats arbeitet. Ich habe von unserer Begegnung erzählt, Hildmanns aktuellen Standort und sämtliche Informationen weitergegeben, zum Beispiel das Kennzeichen seines Autos.

Ich sollte alles noch einmal per Mail schreiben, damit sie das schriftlich haben. Es ist daraufhin noch nichts passiert, ich habe schon nachgehakt. Parallel dazu habe ich die Mail an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin geschickt, da kam auch noch keine Reaktion. Bis heute haben wir nichts Konkretes gehört. Seit zwei Wochen bin ich wieder aus der Türkei zurück.

Haben Sie Hoffnung, dass sich bald etwas tut?

Vielleicht reicht der mediale Druck nun aus, damit die Behörden doch etwas machen. Das ist die große Hoffnung.

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