Ärger um Tradition: Niederländischer „Knecht Ruprecht“ soll nicht mehr schwarz sein

Zwei „Zwarte Piet“ bei der Ankunft von Sinterklaas, dem Nikolaus.

Zwei „Zwarte Piet“ bei der Ankunft von Sinterklaas, dem Nikolaus.

Amsterdam. Wenn in den Niederlanden der Nikolaus kommt, werden schon mal auf einen Schlag 90 Demonstranten festgenommen. Berittene Polizisten müssen den Gabenbringer schützen, mitunter ist der Aufwand größer als bei einem Risikospiel der Profi-Fußballliga. Es kann sogar sein, dass sich der Regierungschef einschaltet und dazu aufruft, Ruhe zu bewahren. Der große Aufreger ist der schwarze Knecht des Heiligen Mannes. Dieses Jahr wird allerdings manches anders.

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Nikolaus wird in den Niederlanden traditionell viel größer gefeiert als in Deutschland. Schon mitten im November, drei Wochen vor dem Nikolausabend am 5. Dezember, kommt Sinterklaas auf einem Dampfschiff an. Seinen festlichen Empfang mit anschließendem Umzug kann man in vielen Städten miterleben, atmosphärisch bewegt es sich irgendwo zwischen Rosenmontag und St. Martin.

„Zwarte Piet“ erhitzt Gemüter

Es ist nicht Nikolaus selbst, der die Gemüter erhitzt, es ist sein Begleiter, die niederländische Version von Knecht Ruprecht. Anders als dieser ist der „Zwarte Piet“ (Schwarze Peter) nicht furchteinflößend, sondern freundlich und lustig, er ist der Liebling der Kinder. Es gibt auch nicht nur einen davon, sondern ein ganzes Gefolge. So weit, so gut.

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Das Problem ist ihr Aussehen: Jeder Piet trägt ein Pagenkostüm mit lila Pumphosen, einen Federhut und goldene Ohrringe. Vor allem aber ist er schwarz – schwarz mit roten Lippen. Ein Mohr, hätte man früher gesagt. Über seine Funktion lassen die vielen Nikolauslieder, die jedes Kind auswendig kennt, keinen Zweifel: Er ist seines weißen Herrn „Knecht“.

Schon seit dem frühen 20. Jahrhundert gebe es Kritik an der Figur, sagt der Ethnologe Markus Balkenhol, der das Fest wissenschaftlich untersucht hat. Die Kritik verstärkte sich, als nach dem Zweiten Weltkrieg mehr und mehr Menschen afrikanischer Herkunft – vor allem aus den Kolonien Surinam und Antillen – in die Niederlande zogen. „Aktuell wird die Gruppe der Kritiker immer breiter und diverser“, erläutert Balkenhol der Deutschen Presse-Agentur.

Es geht nicht nur um die Rassismusfrage

Dazu komme, dass Konzepte wie Kultur und Tradition an Bedeutung gewonnen hätten. „Die Vorstellung ist die, dass es ein ‚Volk‘ gibt mit einer charakteristischen ‚Kultur‘, und das Sinterklaas-Fest wird als ein solches Phänomen betrachtet und auf ein Podest gehoben. Dabei wird oft übersehen, dass unterschiedliche Menschen in den Niederlanden unterschiedliche Dinge darin sehen.“

Es gehe dabei nicht nur um die Rassismusfrage, sondern auch um Spannungen zwischen den großen Metropolen im Westen des Landes und den östlichen Provinzen, die sich oft übergangen fühlen. Manche wollten dem Fest seinen ursprünglich katholischen Charakter zurückgeben, andere wünschen es sich gerade ohne religiöse Bezüge, damit sich alle Kinder gleichermaßen angesprochen fühlen können.

Dieses Jahr wird sich nun etwas Wesentliches verändern: Im niederländischen Fernsehen werden erstmals keine „Schwarzen Pieten“ mehr auftreten, sondern nur noch „Rußflecken-Pieten“. Das sind weiße Pieten mit einigen wenigen schwarzen Flecken im Gesicht – Ruß aus den Schornsteinen, durch die sie die Geschenke abseilen.

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Ein Ende des Streits ist nicht in Sicht

Die schwarz geschminkte Version verschwindet sowohl aus den beliebten „Sinterklaas-Nachrichten“ als auch aus dem live übertragenen „nationalen Einzug“, der dieses Jahr am kommenden Samstag (16. November) in Apeldoorn stattfindet. Eine Klage gegen das Verschwinden der „Schwarzen Pieten“ aus dem Einzug wurde am vorigen Donnerstag von einem Gericht in Arnheim abgewiesen. Die Piet-Kritiker feiern das als großen Erfolg.

Eine im Dezember 2018 veröffentlichte Umfrage ergab, dass jeder zweite Niederländer dafür ist, dass der „Schwarze Piet“ schwarz bleibt. Nur zwei Jahre davor waren das noch 65 Prozent. Für eine Anpassung der Figur sind vor allem gut ausgebildete und eher links eingestellte Niederländer.

Aus einer am Freitag veröffentlichten Erhebung der Zeitung „NRC Handelsblad“ geht hervor, dass mittlerweile jeder dritte Niederländer in einem Ort wohnt, in dem beim Nikolauseinzug „Rußflecken-Pieten“ mitlaufen. Dennoch ist ein Ende des Streits noch lange nicht in Sicht: Rund 1000 Nikolausumzüge im ganzen Land setzen weiterhin auf traditionelle Pieten – so schwarz wie möglich.

RND/dpa

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