84-Jähriger demonstriert gegen Corona – aus Liebe zu seiner Frau
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Alfons Blum im Interview mit der ARD.
© Quelle: Screenshot: "ARD Extra"
Gera. Seit acht Wochen hat Alfons Blum aus Gera seine Frau Gisela nicht mehr gesehen. Die Rentnerin liegt in einem Pflegeheim – und das ist zum Schutz vor dem Coronavirus abgeriegelt. Deshalb geht der 84-Jährige auf die Straße, zwischen Verschwörungstheoretikern, Demokratiefeinden und Extremisten kämpft er für die Liebe und die Menschlichkeit. In einem Interview mit ARD Extra berichtet er unter Tränen von seiner Situation.
Auf die Frage des Reporters, was ihn zur Demo auf den Marktplatz bringe, antwortet er zunächst noch etwas schüchtern: “Meine Frau ist in einem Pflegeheim seit Mitte Dezember.” Doch dann kommen die Tränen. Dass er seine geliebte Gisela, die an Demenz erkrankt ist, acht Wochen nicht sehen konnte, sei eine seelische Folter. “Ich war vor Corona jeden Tag bei ihr, jeden Tag”, schluchzt er.
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Schreihälse unterbrechen das Interview mit dem weinenden Mann
Doch von den anderen Teilnehmern wird das Interview schließlich unterbrochen. “Danke Merkel-Regime”, brüllt ein Mann in die Kamera, “keine Sau” habe sich interessiert, als die Sterberate bei der heftigen Grippewelle vor einigen Jahren deutlich höher gewesen sei. Leise versucht Alfons Blum dagegen zu reden, doch der Mann übertönt ihn – und erhält Applaus von anderen Demonstranten. “Lass dich doch nicht veralbern”, brüllt der Störenfried. “Wenn du ARD und ZDF zuhörst, hast du praktisch die Kontrolle über dein Leben verloren.” Richtung Reporter sagt Blum konsterniert: “Absolut nicht. Man muss auch mal vernünftig bleiben.”
In den sozialen Medien machte das Video schnell die Runde, wurde tausendfach geteilt. Viele empören sich über den Egoismus der Demonstranten, über die Art, in das Interview zu platzen und den Mann alleine stehen zu lassen. “Das macht ihn noch einsamer, als er sowieso schon ist”, schreibt #ichbinhier-Initiator Alex Urban auf Twitter. Dass Blum sich von den Schreihälsen nicht beeindrucken lassen, imponiert vielen. “Es schmerzt. Aber wie der ältere Mann seine Würde in all dem Schmerz wahrt, ist bewundernswert”, schreibt ein Nutzer.
“Ich kann ohne meinen Schatz nicht leben, das ist seelische Folter”
Acht Minuten hat Alfons Blum es mit seinem Rollator bis zum Pflegeheim seiner Frau, erzählt er gegenüber t-online.de. Wenn es endlich wieder gehe, werde er zweimal täglich vorbeischauen. In den vergangenen acht Wochen konnte er sie nur einmal kurz sehen, als Pfleger sie in einen gläsernen Raum im Erdgeschoss brachten und er sie von außen für 20 Minuten betrachten konnte. “Wir sind am 8. Juni 63 Jahre verheiratet und haben eine fantastische Ehe geführt. Als sie im Dezember ins Heim gekommen ist, habe ich ihr gesagt, dass ich sie nicht allein lasse. Ich kann ohne meinen Schatz nicht leben, das ist seelische Folter”, berichtet er der Plattform.
Für Blum, so sagt er es in dem Gespräch, sei es eine Demonstration gegen das Virus gewesen, er wollte ihm zeigen, was es ihm antue. “Es trifft mich so hart. Ich danke jedem Menschen, der mir zuhört”, sagte er t-online.de. Ob er noch einmal auf so eine Demo gehen werde – “Ich hatte es dort nicht leicht." –, weiß er noch nicht. Mit etwas Glück kann er seine Frau bald wieder sehen. Thüringen erlaubt inzwischen in vielen Pflegeheimen eine Besuchsperson pro Patient – das Heim seiner Frau Gisela aber noch nicht. “Es wäre ein Geschenk”, sagt er. Bis dahin bringt er ihr jeden Mittwoch zwei Flaschen Saft und Pudding vorbei, den sie so gerne mag.
RND/msk