Tiefergelegt radeln: Wie fährt sich das Liegerad Scorpion plus?
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Mit einem Liegerad wird die Umgebung unmittelbarer erfahren als mit einem normalen Rad.
© Quelle: Sebastian Hoff
An einer Ampel wartet wohl niemand gern. Und auf einem Liegerad schon gar nicht – vor allem, wenn das Gefährt hinter einem Auto zum Stehen kommt. Dann werden die Auspuffgase direkt in Mund und Nase eingeblasen. Generell ist die Perspektive mit einem Liegerad eine ungewohnte: Selten begegnet man anderen Verkehrsteilnehmern auf Augenhöhe, vielmehr bleibt immer das mulmige Gefühl, übersehen zu werden. Lediglich ein kleines, hoch aufragendes Fähnchen im Winde signalisiert: Nehmt mich wahr! Ich bin auch da!
Kaffeefahrt mit dem Trike
Das Scorpion plus von HP Velotechnik gilt als das SUV unter den Liegerädern. Dank hochwertiger Technik und großem Sitzkomfort sind auch längere Touren ein Vergnügen
© Quelle: Sebastian Hoff
Andererseits: Auf vielen Strecken wird die Umgebung unmittelbarer erfahren als mit einem normalen Rad. Gerüche wirken irgendwie intensiver. Wird die Hand ausgestreckt, könnten unterwegs Blumen gepflückt werden. Das Beste an dem Scorpion plus von HP Velotechnik aber ist der Sattel mit Kopfstütze: Auf dem sitzt es sich fast wie in einem gemütlichen Ohrensessel. Druckstellen am Po? Fehlanzeige – selbst nach mehreren Stunden Fahrt. Der Sattel ist für ein Liegerad ungewöhnlich hoch, sodass auf ihm bequem Platz genommen werden kann. Nicht umsonst gilt das Modell als das SUV unter seinesgleichen.
Vorsicht ist beim Bremsen geboten
Für hohen Fahrkomfort sorgt auch die gute Federung, die viele Unebenheiten abfängt. Außerdem können die Unterarme entspannt auf den Polstern des Ergolenkers abgelegt werden. Auf langen Touren und gut ausgebauten Radwegen könnten Radelnde so glatt auf die Idee kommen, während der Fahrt Kaffee zu trinken oder in einem Buch zu schmökern.
Der Versuchung sollte man widerstehen – auch wenn das getestete Trike mit seinen drei Rädern gut die Spur hält und der leistungsstarke Shimano Steps E6100-Motor unter Volllast bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern fast von allein fährt. Wird eine Kurve allerdings ganz scharf genommen, hebt das Scorpion auf einer Seite ab und droht umzukippen. Vorsicht ist zudem beim Bremsen geboten: Die beiden Scheibenbremsen packen kräftig zu. Werden sie nicht gleichmäßig angezogen, kann das Rad zur Seite ausbrechen.
Achtung bei der Reichweite
Die elektronische Acht-Gang-Nabenschaltung Shimano Nexus Di2 reagiert zügig und exakt. Die Automatikeinstellung ist allerdings Geschmacksache – vor allem für Fahrerinnen und Fahrer, die hohe Frequenzen treten. Denn dann werden die Gänge nicht so gewählt, wie es den eigenen Bedürfnissen entspricht. In bestimmten Geschwindigkeitsbereichen springen sie zudem ständig um. Allerdings ist die Schaltung lernfähig und passt sich nach längerer Zeit dem eigenen Fahrverhalten an.
Das Rad ohne Motor zu fahren, ist mindestens so anstrengend, wie mit einem normalen Tourenrad ohne elektrische Unterstützung unterwegs zu sein. Angesichts der drei Räder und des Eigengewichts von 36,15 Kilogramm kein Wunder. Der Eco-Betrieb sollte also mindestens angestellt sein, mit der vollen Motorleistung geht es auch Anstiege hinauf, ohne ins Schwitzen zu geraten. Die Angaben zur Reichweite sind jedoch mit Vorsicht zu genießen: Im Eco-Betrieb soll der vollgeladene 504 Wh-Akku von Shimano laut Displayanzeige für 166 Kilometer reichen. Im Normalbetrieb beträgt die Reichweite angeblich 116 und bei voller Leistung 83 Kilometer. Im Test erwiesen sich diese Zahlen als eher optimistisch.
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Auf einem Liegerad sind Radler auf Augenhöhe mit den Auspuffrohren der Autos.
© Quelle: Sebastian Hoff
Radbreite kann für Probleme sorgen
Auf längeren Touren muss also nachgeladen werden. Ansonsten sind mit dem Scorpion plus auch mehrtägige Reisen gut vorstellbar. An fehlenden Packmöglichkeiten sollte es jedenfalls nicht scheitern: Am Gepäckträger können zwei große Satteltaschen befestigt werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, weitere Packtaschen anzubringen und Kleinkram wie Flickzeug in verschiedenen Fächern zu verstauen. Für Transporte lässt sich das Liegerad zudem auf handliche Maße zusammenfalten.
Wer zum ersten Mal auf einem Liegerad sitzt, muss sich daran gewöhnen, nach vorn zu treten. Der Pedalabstand lässt sich beim Scorpion plus einfach und stufenlos einstellen. Mit Klickpedalen wird der Tritt runder und die Kraft besser eingesetzt. Probleme beim Fahren bereitet die Breite: Wird der Spiegel ausgeklappt, misst das Scorpion plus mehr als einen Meter. Auf sehr schmalen Radwegen und an engen Durchlässen muss dann zentimetergenau gesteuert werden. Und wenn einem auf Zweirichtungsradwegen andere Radler entgegenkommen, bleibt mitunter nichts anderes übrig, als auf den Grünstreifen auszuweichen. Die Radinfrastruktur ist vielerorts einfach nicht für solche Räder ausgelegt.
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Auf sehr schmalen Radwegen und an engen Durchlässen muss das Liegerad zentimetergenau gesteuert werden.
© Quelle: Sebastian Hoff
Scorpion plus ist recht kostspielig
Was für das Scorpion plus spricht
- Bequemer Sitz und Ergolenker für lange Fahrten
- Leistungsstarker Motor und elektronische Schaltung
- Gute Kurvenlage dank Vollfederung
- Viel Platz fürs Gepäck
Was gegen das Scorpion plus spricht
- Der Preis: Das Testmodell kostet 9.546,40 Euro
- Bei extremer Kurvenlage besteht Kippgefahr
- Ohne Motorunterstützung anstrengend zu fahren
- Radwege sind für die Breite oft nicht ausgelegt