Verspätete Fernzüge: Diese Grafiken zeigen, welche Bahnhöfe besonders betroffen sind
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Nur noch zwei von drei ICEs und ICs kommen derzeit pünktlich ans Ziel. (Symbolbild)
© Quelle: imago images/Ralph Peters
In den Jahren vor der Pandemie kamen die Fernzüge in Deutschland noch überwiegend pünktlich am Zielbahnhof an. In den meisten Jahren betrug die Quote mehr als 75 Prozent. Im ersten Corona-Jahr 2020 stieg der Anteil sogar auf über 80 Prozent, weil kaum noch jemand auf Reisen ging und sich der Verkehr leichter abwickeln ließ. Doch mit der Rückkehr der Fahrgäste ließ die Pünktlichkeit drastisch nach. Im Jahr 2022 erreichten nur noch etwa 65 Prozent der Fernzüge pünktlich ihr Ziel. Im Regionalverkehr sehen die Quoten besser aus.
Pünktlich ist ein Zug laut Statistik, solange er nicht mit mehr als sechs Minuten Verzögerung an einem Bahnhof ankommt. Zugausfälle werden nicht berücksichtigt – entsprechend sind beispielsweise Warnstreiks in der Statistik nicht zu erkennen.
Bahn im Westen unzuverlässiger als im Osten
Regional gibt es große Unterschiede bei der Pünktlichkeit. Um die Entwicklung der vergangenen Jahre nachzuzeichnen, hat das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit Daten des Eisenbahnportals Zugfinder ausgewertet, welche Bahnhöfe am stärksten von der rückläufigen Pünktlichkeit betroffen sind.
Die folgenden Karten verdeutlichen, wie sich die Zahl der fahrplanmäßig einfahrenden Fernzüge in den vergangenen drei Jahren verändert hat. Je dunkler das Rot in der ersten Karte, desto geringer der Anteil der pünktlichen Ankünfte im ersten Quartal 2020. Die zweite Karte zeigt dieselben Werte im ersten Quartal 2023. Viele Bahnhöfe, unter anderem im Ruhrgebiet, verändern ihre Farbe von Hell- zu Dunkelrot.
Um sich die Lage dort genauer anzusehen, können Sie „Nordrhein-Westfalen“ auswählen.
In den ostdeutschen Flächenländern ist die Situation insgesamt deutlich besser als im Westen und Süden. Nur in Ausnahmefällen wie Eisenach und Wittenberg lag die Pünktlichkeitsquote Anfang 2020 unter 80 Prozent. Doch auch dort zeigt der Trend nach unten. Nur in Mecklenburg-Vorpommern kann die Bahn ihre Leistung spürbar verbessern.
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Im Westen dagegen dominieren die roten Kreise. In den Hauptbahnhof von Recklinghausen rollten in den ersten drei Monaten dieses Jahres 61 Prozent der Fernzüge mit weniger als sechs Minuten Verzug ein. Drei Jahre zuvor waren es im selben Zeitraum noch 77 Prozent.
Auch Mönchengladbach, Bochum, Bonn und Koblenz haben Rückgänge in dieser Größenordnung zu verkraften. Am härtesten trifft es die Bahnkunden im bayerischen Plattling, das ausgehend von guten 85 Prozent auf 63 Prozent Pünktlichkeit zurückfiel.
Bahn will Strecken zur Sanierung sperren
Als Grund für die vielen Verspätungen bei Fernzügen nennt der Bahn-Konzern zwei Gründe: Bauarbeiten am gesamten Schienennetz und eine hohe Auslastung der Züge und der zentralen Schienenwege.
Um die Pünktlichkeit langfristig zu verbessern, plant die Bahn ab Juli 2024 grundlegende Sanierungen wichtiger Strecken. Dafür werden Abschnitte für einige Monate komplett gesperrt. In dieser Zeit soll alles erneuert werden, was möglich ist: Gleise, Signale und Bahnhöfe. Es wird also lieber einmal radikal gesperrt, statt wie in der Vergangenheit immer wieder kleine Baustellen einzurichten, die für Verspätungen sorgen. Losgehen soll es mit der sogenannten Riedbahn, eine viel befahrene Trasse zwischen Frankfurt und Mannheim.
Eine große Herausforderung besteht für die Bahn derzeit darin, ausreichend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Das gilt nicht nur für die Baustellen, die geplant, genehmigt und umgesetzt werden müssen. Im Jahr 2023 will die Bahn mehr als 25.000 Menschen einstellen, dazu zählen 9000 zusätzliche Stellen.
Das Ziel ist es, die Kapazitäten dem Fahrgastaufkommen anzupassen. Denn mit dem Ende der Corona-Maßnahmen sind die Bahnreisenden schnell zurückgekehrt. Der Fernverkehr zählte 2022 rund 61 Prozent mehr Passagiere als 2021. Für 2023 könnte es mit mehr als 150 Millionen Reisenden eine neue Rekordzahl geben.
Weihnachten ist ein Stresstest für die Bahn
Was es bedeutet, wenn die Bahn den Ansturm der Kunden nicht mehr bewältigen kann, ließ sich im vergangenen Dezember besichtigen. Noch nie waren zu Weihnachten so viele Menschen in den Fernverkehrszügen der Deutschen Bahn unterwegs wie 2022: rund 3,2 Millionen. In einer Pressemitteilung schrieb die Bahn: „Rund um die Feiertage war der Bahnbetrieb insgesamt stabil und weitgehend reibungslos.”
Doch die Zahlen von Zugfinder sprechen eine andere Sprache. Die Pünktlichkeitsquote sank in den Tagen vor dem Fest auf 52 Prozent, den niedrigsten Wert in den vergangenen Jahren. Ein hoher Krankenstand und die winterliche Witterung trugen zu diesem Negativrekord bei. Selbst die Stürme „Tristan“ und „Ignatz“ haben die Pünktlichkeitswerte nicht in diesem Maß nach unten gedrückt.
Ein anderes Ereignis hat sich dagegen kaum in der Statistik niedergeschlagen. Aufgrund von Sabotagen an Kabeln, die für den Zugverkehr unverzichtbar sind, musste die Deutsche Bahn den Zugverkehr am 8. Oktober 2022 in Norddeutschland für knapp drei Stunden einstellen. In Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein war das Funksystem ausgefallen. Die Pünktlichkeitskurve zeigt an diesem Tag jedoch keinen Ausschlag nach unten. Der Grund: Ausgefallene Züge gelten nicht als unpünktlich.
Schweizer Züge fahren wie ein Schweizer Uhrwerk
Dass bessere Werte möglich sind, zeigen die südlichen Nachbarländer. Bei der ÖBB in Österreich waren im vergangenen Jahr mehr als 80 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich. In der Schweiz erreichen die Fernzüge eine Pünktlichkeit von mehr als 92 Prozent.
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Die Monopolkommission hat ihre Forderung nach der Aufspaltung der Deutschen Bahn bekräftigt. Die Regierung will die Bahn als integrierten Konzern erhalten.
© Quelle: dpa
Die Quote aus der Schweiz wäre noch höher, würde die Pünktlichkeit dort so gemessen wie in Deutschland. Hierzulande zählt ein Zug schon als pünktlich, wenn er weniger als sechs Minuten Verspätung hat. In der Schweiz liegt die Grenze bei drei Minuten.