Schauspielerin im Interview

Lisa Maria Potthoff: „Es passiert zu viel unter der Gürtellinie“

Schauspielerin Lisa Maria Potthoff.

Schauspielerin Lisa Maria Potthoff.

In der erfolgreichen ZDF-Krimireihe „Sarah Kohr“ spielt Lisa Maria Potthoff eine Ermittlerin, die mit Fäusten und Fußtritten gegen das Verbrechen kämpft. Eine Rolle, die die Mutter zweier Kinder vor einigen Jahren zum Kampfsport brachte und ihr Leben nachhaltig veränderte. Im Journalismus­thriller „Gefährliche Wahrheit“ (Montag, 25. April, 20.15 Uhr, ZDF) verkörpert die 43‑Jährige nun wieder einen sehr kämpferischen Charakter – allerdings heißen ihre Waffen diesmal Recherche, Hartnäckigkeit und messerscharfer Verstand. Als investigative Einzel­kämpferin versucht Sarah Kohr, die Umstände eines Wohn­haus­brandes in einem sozialen Brennpunkt zu klären – während sich ihre Tages­zeitung in einem Abnutzungs­kampf zwischen Finanznöten, Investoren­ein­fluss­nahme und der Jagd nach Online­klicks aufreibt.

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Waren Sie heute schon beim Kampf­sport­training?

(lacht) In der Tat habe ich das 2017 für mich entdeckt und mache gerade eine späte „Kampf­kunst­karriere“. Eine, die Sie gerne in Anführungs­striche setzen können, weil ich natürlich keine wirklich gute Kampf­künstlerin bin. Trotzdem ist dieser Sport Teil meines Lebens geworden. Ich betreibe ihn mit großer Leidenschaft, und die Reihe „Sarah Kohr“ gibt mir ja auch immer wieder einen Grund, mich zu verbessern und an neuen Zielen zu schrauben.

Sie haben früher mal fast jeden Tag trainiert. Wie sieht es momentan aus?

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Na ja, jeden Tag – in Spitzenzeiten zur Vorbereitung von „Sarah Kohr“. Das schaffe ich aber nicht kontinuierlich. Aber zwei- bis dreimal die Woche soll es schon sein. Es ist auch immer davon abhängig, ob und wo ich gerade drehe. Wenn ich in Vorbereitung auf „Sarah Kohr“ bin, dann ist es sicher mehr, sonst etwas weniger. Aber es fehlt mir durchaus, wenn ich nur wenig trainieren kann.

„Die Tristesse des kulturellen Nichts-tun-Könnens“

Hat Ihnen der Sport dabei geholfen, gut durch die Corona-Lockdowns zu kommen? Oder war es eher frustrierend, weil Sie nicht ins Studio gehen konnten?

Gruppen­kampf­sport im Studio war damals in der Tat nicht möglich. Weil ich aber in die Vorbereitung eines Films gehen musste, begann ich, alleine mit meinem Trainer Yi-Chung Chen zu arbeiten. Das war natürlich sehr effizient. Im ersten Lockdown stand tatsächlich alles still, aber im zweiten – dem Winter 2020 auf 2021 – musste ich trainieren. Da hat mich das Einzel­training wirklich weiter­gebracht – und zudem den Kopf freigemacht.

Sie meinen, weil Sie endlich mal jemanden außerhalb der eigenen vier Wände treffen konnten?

Klar, zu Hause stand Home­schooling an. Dazu die Tristesse des kulturellen Nichts-tun-Könnens. Da war das Kampftraining eine fantastische Möglichkeit, auf andere Gedanken zu kommen.

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Wobei Schau­spielerinnen wie Sie, die viel drehen, ja nicht so stark vom kulturellen Lockdown betroffen waren, denn ab Sommer 2020 wurde wieder enorm viel gedreht, oder?

Das stimmt, es wurden schnell Hygiene­konzepte entwickelt und es ist in der heftigeren Corona-Zeit erstaunlich viel an Filmen und Serien entstanden. Ich habe tatsächlich sehr viel gedreht, beruflich war es für mich eine gute Zeit. Den freien Theater­schau­spielern, die nicht auftreten konnten, den Musikern, der gesamten Veranstal­tungs­industrie ging es viel schlechter.

„Klassischer Journalismus“ versus „Social-Media-artige Aktivitäten“

Woran lag es eigentlich, dass beim Drehen sehr schnell schon wieder viel erlaubt wurde?

Ich glaube, der Punkt war, dass ein Film- oder Fernsehset keine Veranstaltung, sondern eine Betriebsstätte ist. In diesem kleinen, aber markanten Begriff lag der Unterschied zwischen Arbeiten-Dürfen und Zur-Untätigkeit-verdammt-Sein. Es war natürlich kein so schönes Arbeiten wie vor Corona – mit Dauertesten, permanenter Vorsicht und viel Maskentragen – aber darüber möchte ich mich keinesfalls beschweren. Es war einfach toll, arbeiten zu dürfen.

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Nun sind die meisten Corona-Maßnahmen gefallen. Wie hat sich das auf die neuesten Dreharbeiten ausgewirkt?

Ich kann das noch gar nicht sagen, weil die Entwicklung noch zu frisch ist. Ich drehe gerade eine internationale Serie in Budapest. In Ungarn sind die Maßnahmen lockerer als bei uns. Ich glaube, man setzt nun eher auf Freiwilligkeit, was Schutz­maß­nahmen betrifft. Weil wir aber aktuell einige Corona-Fälle im Team hatten, ist die aktuelle Vereinbarung zwischen Produktion und Team, dass beim Arbeiten Masken getragen werden – es sei denn, man steht vor der Kamera und spielt.

Ihr neuer Film „Gefährliche Wahrheit“ erzählt im Gewand eines Kriminal­thrillers die aktuelle Krise des Journalismus, der durch Digitalisierung und Social Media unter wirtschaftlichem Druck steht. Kommt die Botschaft für Sie an?

Ich war von diesem Drehbuch extrem begeistert, weil es am Beispiel einer Tageszeitung erzählt, wie man im selben Medienhaus fundierten, klassischen Journalismus mit Social-Media-artigen Aktivitäten, die auf viele Klicks angelegt sind, unter einen Hut bringen will. Während die Altredakteure klassische Recherche betreiben, macht die junge Online­redakteurin Umfragen, wer denn einen Brand gelegt haben könnte, bei dem Menschen zu Tode kamen. Ein schönes Beispiel für typische Spannungs­felder, die sich heute im Nachrichten­geschäft auftun.

„Wie viel Geld es kostet, seriös zu recherchieren“

Wie sieht dieses Spannungs­feld genau aus?

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Der Film erzählt von der Verantwortung, die man hat, wenn man mit Nachrichten umgeht. Nachrichten sind, gerade jetzt in Zeiten des Krieges, ein extrem spannendes Feld: Welche Nachricht stimmt? Wie kann man sie belegen? Was ist Recherche und was verdeckte Meinung? Das alles ist hoch­interessant und eine der wichtigen Fragen, mit denen wir uns gerade jetzt unbedingt auseinander­setzen müssen.

Haben Sie durch den Film Dinge über Journalismus erfahren, die Sie vorher nicht wussten?

Es waren eher Erkenntnisse, die ich theoretisch wusste, die einem hier aber noch einmal plastisch vor Augen geführt werden. Zum Beispiel, wie viel Geld es kostet, seriös zu recherchieren. Also weniger Geld als Zeit – aber Zeit ist eben in einem Job, der von hoch­qualifizierten Menschen gemacht wird, nichts anderes als Geld.

Lisa Maria Potthoff in einer Szene des Films „Gefährliche Wahrheit“.

Lisa Maria Potthoff in einer Szene des Films „Gefährliche Wahrheit“.

Was ist im Film vom journalistischen Arbeits­alltag zu sehen?

Man sieht, wie bei Journalistinnen und Journalisten die Entscheidung fällt, mit einer Nachricht rauszugehen. Auch die Frage, inwiefern man schon mal eine Headline raushaut und damit Gefahr läuft, eine Information zu verbreiten, die noch nicht wirklich verifiziert ist, ist Thema des Films. Wie unterscheide ich zwischen Nachricht und Meinung? Gerade in der aktuellen politischen Lage mit dem Krieg in der Ukraine ist das wieder hochaktuell. In der Corona-Pandemie war und ist es das natürlich auch.

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„Ich versuche, meinen Kindern bei­zu­bringen, dass sie nicht jede Nachricht glauben dürfen“

Durch das Web 2.0 ist der Mitmach­journalismus entstanden. Nachrichten sind kein einseitiger Prozess vom Journalisten zum Konsumenten mehr, sondern es wird öffentlich in alle Richtungen kommuniziert. Ein Problem?

Ich zitiere da unseren Bundes­präsidenten, der sagte: „Eine Demokratie ist auch die Verpflichtung zur Debatte.“ Ich finde es richtig, dass wir eine Debatten­kultur akzeptieren. Wir müssen sie sogar fördern, sodass unterschiedliche Meinungen Gehör finden. Wir haben in der Corona-Zeit gelernt: Zu jeder Studie gibt es eine Gegenstudie. Man muss Daten und Argumente prüfen und gewichten lernen. Letztendlich ist genau diese Freiheit ein Geschenk. In Russland und anderswo sieht man, wie politische Systeme aussehen, in denen das nicht erlaubt ist.

Sind wir denn gute Diskutanten in dieser neuen Welt?

Grundsätzlich haben wir diese Kultur gut gelernt. Was aber in den letzten Jahren, seit es die sozialen Medien gibt, leider überhand­genommen hat, ist die Aggressivität, mit der diskutiert wird. Es passiert zu viel unter der Gürtellinie. Wir täten gut daran, freundlicher miteinander umzugehen. Aufeinander loszugehen nützt niemandem etwas. Es schafft nur ein ungesundes Lebensklima – für den Angegriffenen, aber auch den Angreifenden. Für mich ist gutes Umgehen miteinander eine große Herausforderung, die wir meistern und unseren Kindern, also der nachfolgenden Generation mit auf den Weg geben müssen.

Sie sprechen aus eigener Erfahrung?

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Ja, durchaus. Ich versuche, meinen eigenen Kindern immer wieder beizubringen, dass sie nicht jede Nachricht glauben dürfen. Dass man alles kritisch hinterfragen muss und vor allem schauen soll: Woher kommt eine Nachricht und was möchten jene, die sie äußern, eventuell damit erreichen?

Im Film wird der wirtschaftliche Druck einer Tageszeitung geschildert, die in den neuen digitalen Zeiten ums Überleben kämpft. Manche sagen, eine freie Presse müsste über kurz oder lang über öffentliche Gelder finanziert werden. Fänden Sie das gut?

Das ist eine komplizierte Debatte, und ich bin keine Expertin. Ich finde aber, dass Journalismus nicht nur aus der Privat­wirtschaft kommen sollte. Wo im Medienbereich private Interessen im Spiel sind, kann – subtil oder weniger subtil – die Meinung des Investors natürlich eine Rolle spielen. Andererseits: Staatliche Medien, die versuchen, meinungs­bildend zu dominieren und neben denen kein kritischer Journalismus existieren darf, bergen natürlich ein Risiko, das sehen wir gerade in Staaten wie Russland. In einer Demokratie, zu der Pressefreiheit zwingend dazugehört, ist ein Mix aus öffentlichen und privaten Medien ideal. Wir haben in Deutschland eine vielfältige Medien­land­schaft und damit die Chance, uns breit und vielfältig zu informieren. Wir sollten dankbar dafür sein und uns bloß nicht über unsere komplexe Welt beschweren.

RND/Teleschau

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