Ein Youtube für Nazis: Was hinter der Plattform Bitchute steckt

Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann auf einer Demo.

Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann auf einer Demo.

Hannover. Falschmeldungen über Corona, Verschwörungstheorien und antisemitische Erzählungen – mit all dem beglückt der Vegankoch Attila Hildmann seit Monaten seine Gefolgschaft auf Youtube. Seine Videos tragen Titel wie “Die ganze Welt soll ein KZ werden” oder “Sie nehmen dir die Kinder weg für Blut”. Ein anderes betitelt Hildmann mit den Worten “Spahn: Völkermord an Deutschen & Hochverrat” oder “Deutschland soll vernichtet werden”.

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Letzteres allerdings wird Hildmann nun offenbar zum Verhängnis – behauptet er zumindest selbst: “Youtube hat jetzt mehrere Videos von mir gelöscht (in denen ich die Wahrheit sagte)”, beklagt er sich auf seinem Telegram-Kanal. “Und ich kann jetzt auch dort keine Videos mehr hochladen.” Den vermeintlichen “Grund” gibt der Verschwörungstheoretiker seinen Followern gleich mit auf den Weg: “Youtube-Chefin ist Jüdin, Facebook-Chef Zuckerberg ist Jude.”

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Ob der angebliche Youtube-Bann tatsächlich stattgefunden hat, ist fraglich. Das betroffene Video war zunächst noch auf Hildmanns Kanal zu sehen, konnte auch bewertet und kommentiert werden – erst am Freitagnachmittag verschwand es. Hildmann selbst postete eine Verwarnung seitens Youtube in seiner Telegram-Gruppe. In dem Screenshot heißt es, das Video mit dem Titel “Deutschland soll vernichtet werden” verstoße gegen die “Richtlinien zu Hassrede”. In dem Schreiben wird erklärt, dass Hildmann zunächst für eine Woche vom Hochladen neuer Videos ausgeschlossen werde, bei zwei weiteren Verstößen werde sein Kanal endgültig gelöscht. Von wann der Screenshot stammt, ist unklar. Eine RND-Anfrage bei Youtube blieb bislang unbeantwortet.

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Von Youtube zu Bitchute

Interessant ist Hildmanns Beschwerde über Youtube aber so oder so – denn er bietet seinen Followern im selben Atemzug eine verlockende Alternative an. “Ich lade das Gates-Video, was heute noch kommt, auf Bitchute!”, schreibt er und verlinkt zu seinem Kanal auf der alternativen Videoplattform. Bitchute dürfte den allermeisten Nutzern zunächst einmal nichts sagen, und das aus gutem Grund: Die Videoplattform ist nicht einfach nur ein alternatives Youtube. Hier tummelt sich das “Who is who” der rechtsextremen Szene.

Wer sich durch die Plattform scrollt, findet dort allerhand alte Bekannte. Da wäre etwa Martin Sellner, Chef der österreichischen Identitären Bewegung. Oder der rechtsextreme und wegen Volksverhetzung verurteilte “Volkslehrer” Nikolai N. Oder auch Tim K., der Chef eines ostwestfälischen Rockerclubs, der seit Jahren mit rassistischen Videos Zehntausende Aufrufe generiert. Oder der rechte Influencer Hagen G., der in seinen Videos Interviews mit AfD-Hardliner Björn Höcke oder eben Martin Sellner und Nikolai N. führt.

Einen kleinen Boom erlebt die Plattform immer dann, wenn eine bekannte Persönlichkeit der rechten Szene für ihre Aussagen von Youtube gebannt wird. Bei Martin Sellner war das kürzlich der Fall: Youtube hatte mehrere Kanäle der Identitären Bewegung gelöscht, auch Sellners Kanal verstoße gegen die Youtube-Nutzungsbedingungen, hieß es. Seither publiziert Sellner weiter auf Bitchute. Sein aktuellstes Video kommentiert den gewaltsamen Polizeieinsatz von Hamburg gegen einen 15-Jährigen. In den Kommentarspalten seines Videos tobt ungefiltert der Hass gegen Migranten.

Hildmann selbst postet bereits seit Juli immer wieder Videos auf Bitchute. Sein aktuellstes ist das angeblich gesperrte Youtube-Video “Deutschland soll vernichtet werden” – hier allerdings mit dem Titelzusatz “Kaufman Plan”, was wiederum eine rechte Anspielung ist.

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“Ausweichkanal für rechtes Gedankengut”

Gegründet wurde Bitchute im Januar 2017 von dem britischen Softwareingenieur Ray Vahey. Die Plattform basiert laut einschlägigen Weblogs auf sogenannter Bit-Torrent-Technologie und verwendet das auf Java-Script basierende Protokoll Web-Torrent. Inhalte werden hierbei also nicht wie bei anderen Videostream-Plattformen über einen zentralen Server bereitgestellt, sondern Peer to Peer über die Browser aktiver Nutzer.

Schnell entwickelte sich Bitchute zum “Ausweichkanal für rechtsextremes Gedankengut”, wie die Amadeu-Antonio-Stiftung die Plattform beschreibt. Hier finden sich vor allem Videos mit rechtsextremistischem und rechtsterroristischem Inhalt. In einem Bericht der britischen Anti-Extremismus-Forschungsgruppe Hope not Hate heißt es, man habe mehr als 100 Videos gefunden, die terroristische Gruppen unterstützen, darunter Propagandavideos dieser Gruppen. Zudem seien 93 weitere Videos gefunden worden, die Gruppen und Personen unterstützen, die Verbindungen zum Terrorismus oder Rechtsextremismus haben. Mehrere hasserfüllte Kanäle hätten zudem offen rassistische und antisemitische Namen, darunter “F *** All Jews” und “National Socialism Works”.

Gründer Vahey selbst beschreibt Bitchute als Alternative zu “Löschungen, Demonetarisierung und Manipulation mittels Algorithmen”. In einem Interview sagte er: “Wir sind auf der Suche nach Menschen, die ihre eigene Arbeit zeigen wollen, dies aber nicht können, weil sie von Youtube ausgeschlossen wurden.” Die Community-Richtlinien von Bitchute sagten zudem, dass terroristisches Material und “glaubwürdige Drohungen oder Aufstachelung zu Gewalt” sowie “böswillige Nutzung der Plattform” nicht toleriert werden.

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Bitchute boomt dank Corona

In der Realität sieht das allerdings anders aus. Rechtsextreme würden hier nicht nur toleriert, sondern aktiv beworben, kritisiert die Organisation Hope not Hate in ihrem Bericht. Als im Februar 2019 etwa der britische Rechte Tommy Robinson von Facebook und Instagram verbannt wird, postet die offizielle Facebook-Seite von Bitchute laut der britischen Online-Zeitung “The Independent” folgenden Satz: “Tommy Robinson von Facebook und Instagram verboten (aber immer noch auf Bitchute!)”.

Einen Boom erlebte die Plattform auch während der Corona-Pandemie. “Sie nimmt einen immer größeren Anteil an Nazi-Propaganda und Verschwörungstheorien von Covid-19 ein, einschließlich Dokumentarfilmen, die die Existenz des Virus infrage stellen”, erklärte der Autor Gregory Davis kürzlich der Zeitung. Gerade im englischsprachigen Bereich finden sich auf Bitchute unzählige Verschwörungsvideos und rechtsextreme Erzählungen.

“Die Videos sind überwiegend rechtsextrem, rassistisch und homophob”, so Davis weiter. “Wenn Sie sich an einem bestimmten Tag die Trendliste ansehen, werden Sie sehen, was die Leute dort sehen.” Aktuell ist das etwa ein Video, das über die angeblich erhöhte Kriminalität von Afroamerikanern “aufklärt”, ein neues Video des bekannten US-Verschwörungstheoretikers Alex Jones (Infowars) sowie eines der britischen Rechtsfluencerin und Ehefrau von Martin Sellner Brittany Pettibone.

Bitchute, Telegram, VKontakte: Die Netzwerke der Rechten

All diese Videomacher können über die Plattform auch finanziell unterstützt werden. Schon kurz nach dem Start etablierte Bitchute diverse Möglichkeiten, dazu gehörten anfangs auch Paypal und Patreon. Als das Netzwerk jedoch immer mehr wegen seiner Inhalte in die Kritik geriet, kündigte Paypal das Unternehmenskonto von Bitchute. Im selben Monat kündigte auch Patreon die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk. Die Begründung der Crowdfounding-Plattform: Bitchute verfüge über “keine Richtlinien gegen gewalttätige Organisationen”.

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Bitchute-Chef Vahey hatte zuletzt erklärt, das Unternehmen habe “Tausende Videos entfernt, die gegen unsere Nutzungsbedingungen verstoßen, aber wir verbessern unsere Moderationssysteme und wissen, dass wir mehr tun müssen”.

Naidoo, Hildmann, Jebsen: 3 Verschwörungstheorien im Faktencheck

Aktuell geistern diverse Verschwörungstheorien über die Corona-Pandemie herum. Wir haben uns drei davon genauer angeschaut.

“Wir arbeiten hart daran, neue Richtlinien und Prozesse einzuführen, die unsere Fähigkeit zur Entfernung illegaler Inhalte weiter verbessern, und wir arbeiten bereits mit einer Reihe von Organisationen zusammen, um unsere Fähigkeiten zu erweitern. Als kleine Plattform verfügen wir nur über begrenzte Ressourcen.”

Bitchute reiht sich damit ein in eine ganze Reihe von Plattformen, die von Rechtsextremen wegen ihrer laxen Moderationspraktiken genutzt werden. Zuletzt hatte etwa der Messenger Telegram immer wieder für Aufsehen gesorgt. Dieser gilt als Sammelbecken für Radikale – verboten ist hier praktisch nichts. Auch bei der russischen Facebook-Alternative VKontakte fanden unzählige Rechte nach einer Sperrung bei Facebook ein neues Zuhause.

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