Hybris bis zur Insolvenz: „Die Wirecard Story“

Christoph Maria Herbst als Wirecard-Chef Markus Braun.

Christoph Maria Herbst als Wirecard-Chef Markus Braun.

Der sogenannte kleine Mann kommt in diesem Film erst zu Wort und dann zu Schaden. Vertreten wird er durch einen Chauffeur mit grenzenlosem Vertrauen in seinen Boss. In dessen Finanzunternehmen legt der Chauffeur sein Erspartes an, auch das Geld aus der Lebensversicherung, das seiner Frau und ihm den Ruhestand sichern soll.

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Immer wieder mal zweifelt der Chauffeur, weil er beunruhigende Geschichten in der „Financial Times“ liest und weil die Gerüchte um Betrügereien sich häufen. Dann fragt er den Boss, ob seine Investition auch wirklich sicher sei. „Kaufen Sie, alles ist gut“, sagt dann Markus Braun (Christoph Maria Herbst) und versinkt wieder im Fond der schwarzen Limousine. Worauf der Chauffeur noch ein paar Euro mehr zusammenkratzt, die er nie wieder sehen wird.

Der Zuschauer von „Der große Fake. Die Wirecard Story“ aber schüttelt über so viel Gottvertrauen den Kopf. Oder sagen wir Vertrauen in einen Möchtegern-Halbgott: Denn so geriert sich Braun in unnachahmlicher Arroganz. Christoph Maria Herbst beherrscht solche Auftritte wie kein Zweiter.

Doch mindestens so ähnlich verhielt es sich ja wohl auch: Alle waren hingerissen von der Erfolgsstory von Wirecard und dem tiefsinnigen CEO mit Rollkragenpulli – so einen ähnlichen trug auch Steve Jobs. Das böse Erwachen kam für Kleinanleger, Politiker und allen voran für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) später.

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Der Bafin-Chef hat inzwischen seinen Posten räumen müssen. Es fiel ihm schwer zu erklären, wieso niemand bemerkt haben wollte, dass in der Wirecard-Bilanz 1,9 Milliarden Euro fehlten – Geld, das angeblich im fernen Asien hin- und hergeschoben wurde.

„Wir sind die Größten“

Gleich zu Beginn des TV-Now-Films begegnen wir der anderen zweifelhaften Figur in diesem so nahe an der Wirklichkeit angesiedelten „Finanz-Monopoly“: Mit Rollköfferchen in der Hand und Handy am Ohr erscheint Jan Marsalek (Franz Hartwig) in einem edlen Hotel zum Dinner plus zwei Damen zum Dessert (muss man leider so sagen). Besoffen vom angeblichen Erfolg spricht er den Fernsehzuschauer direkt an: „Wir sind die Größten.“

30 Prozent Wachstum jedes Jahr, in den Dax aufgerückt und nicht zuletzt das eigene Millionengehalt: Nicht schlecht für einen, der als 19-Jähriger ohne Abitur in eine nach eigenen Worten „zerrupfte“ Firma eingestiegen ist.

Bei Marsaleks Anblick fallen einem sogleich andere film- und fernsehbekannte Hochstapler ein, etwa Leonardo DiCaprio als Scheckfälscher, Pilot und Arzt in „Catch Me If You Can“ (2002). Nur war dieser Blender ein sympathischer Typ und nicht getrieben von Gier.

Echter Thrillerstoff

Klar, hinterher weiß man es immer besser. Aber im Fall von Wirecard hätte man es auch schon vorher besser wissen müssen. Um das zu beweisen, hätte es dieses Films nicht bedurft.

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Dass umgekehrt in dem Stoff ein Thriller steckt, war klar, als der Finanzdienstleister Wirecard im Juni vorigen Jahres Insolvenz anmeldete. Genüsslich wurde ausgebreitet, dass Wirecard mit Pornofilmen, Onlinepoker und womöglich sogar mit noch viel zweifelhafteren Geschäften groß und immer größer geworden war. Dennoch wundert man sich, wie schnell aus dieser Geschichte nun Film geworden ist. Zumal die Sache ja noch längst nicht ausgestanden ist.

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Braun sitzt in U-Haft, Marsalek ist auf der Flucht und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht, ein Untersuchungsausschuss im Bundestag bringt immer wieder Unglaubliches an den Tag. Wirtschaftsprüfer wie Ernst & Young, Banken und auch der Bundesfinanzminister sehen sich unangenehmen Fragen nach ihrer Kompetenz ausgesetzt.

Regisseur Raymond Ley, mit Filmen über Hannelore Kohl und die Aldi-Brüder ausgewiesener Spezialist für Dokudramen, konzentriert sich denn auch voll und ganz auf die schmutzig-schillernden Interna in gläsernen, aber deswegen nicht transparenten Büros, bis das Kartenhaus krachend zusammenbricht.

Die Filmemacher verweisen stolz auf umfängliche Recherchen – eine Shortsellerin, Wirecard-CEO-Nachfolger James Freis und ein früherer „Geldbote“, der einst Millionen in den Taschen herumtrug, erinnern sich. Manche Hintergrundgespräche sind nachgestellt. Eine fiktive Journalistin (Nina Kunzendorf) hakt nach.

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Irgendwann weiß man gar nicht mehr recht, wer hier Darsteller und wer Beteiligter ist. Aber das macht nichts: Schauspielerische Fähigkeiten waren bei allen Verantwortlichen unabdingbare Voraussetzung.

Der Erkenntnisgewinn hält sich am Ende allerdings in Grenzen, und den Unterhaltungswert von Finanzfilmen wie „The Big Short“ oder die Serie „Bad Banks“ erreicht dieser verquere Schnellschuss auch nicht. Was aber überzeugend gezeigt wird, ist die Hybris der Finanzwelt. Es beschleicht einen das unangenehme Gefühl, dass auch der aktuelle Börsenhype auf so mancher Luftbuchung gründen könnte.

„Der große Fake. Die Wirecard Story“, bei TV Now, Regie: Raymond Ley, mit Christoph Maria Herbst, Franz Hartwig, Nina Kunzendorf, 94 Minuten

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