Deutsche TV-Landschaft

Von Gegnern zu Partnern: Wie kreative Köpfe das Fernsehen umkrempeln

Joko (r.) und Klaas sind aus dem Fernsehen bekannt.

Joko Winterscheidt (r.) und Klaas Heufer-Umlauf.

Es gibt – in unserer redseligen Zeit – kaum noch unaussprechliche Namen. Jehova vielleicht, raunte es zumindest im „Leben des Brian“. Voldemort natürlich, wobei das Harry Potter herzlich egal ist. Und nun hat der US-Komiker Stephen Colbert entschieden, dass T**** am Donald zu verschweigen – wenngleich aus Verachtung statt Furcht. Verachtung und Furcht sind auch zwei Gründe, weshalb einst kaum jemand die Namen einer unsäglichen Berufsgruppe in den Mund nahm: Fernsehredakteure.

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Als Scharniere zwischen Sender und Empfänger sorgen sie dafür, dass Formate entstehen, laufen, ihr Publikum finden. Da dieses Publikum seit Beginn der Quotenmessung jedoch quantitativ messbar ist, entscheiden selbst öffentlich-rechtliche Redakteure so oft zulasten der Qualität, dass Fernsehschaffende wie Kaninchen vor der Schlange zittern, ob ihr Werk die Redakteure glücklich macht. Konsequenz: Sie werden zwar gefürchtet, sogar verachtet, aber nur hinter vorgehaltener Hand, die allenfalls Thorolf Lipp vom Branchenverband AG DOK lüftet.

Seit Jahren prangert er die Bevormundung des Publikums durch jene an, die der Medienjournalist Wolfgang Herles „selbstherrliche Oberlehrer der Nation“ nennt. Weil Dokus ohnehin nur noch mit Aristokratie und Tieren in der Primetime laufen, haben Sachfilmemacher wie er allerdings auch weniger zu verlieren als Beteiligte fiktionaler Formate. Wer hier Kritik an Redakteuren äußert, streicht sie verlässlich aus Interviews. Schließlich trifft man sich bei der nächsten Verhandlung über Aufträge, Gelder, Sendezeiten wieder. Soweit die lineare Vergangenheit einer digitalen Gegenwart, in der endlich andere den Ton angeben.

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Vom Feind zum Freund von Kreativen

Jakob Lundt zum Beispiel. Der Mittdreißiger ist das Gegenteil selbstherrlicher Redakteure mit Zahlenfetisch. Seit „Neo-Paradise“ organisiert der kühle Kopf hinter Joko und Klaas fast alles, was ihre TV-Fabrik Florida Entertainment macht und hält dazu wie deren Geschäftsführer Thomas Schmitt sein Gesicht in die Kamera. Als Sidekick, Kasper, Kontrahent drolliger Shows im Pro-Sieben-Kosmos von Winterscheidt bis Heufer-Umlauf, hat sich Jakob Lundt daher so was wie Prominenz erarbeitet. Wichtiger noch: Als Gast der eigenen Formate wird er vom Feind zum Freund von Kreativen, die ihre Sendungen ohnehin längst selbst produzieren.

Alle für eine(n), eine(r) für alle: womöglich haben Joko, Klaas und Jakob deshalb nicht nur dieselben Ideen und Witze, sondern auch ähnliche Altersstufen und Frisuren. Wobei beides keine Grundvoraussetzung fürs Arbeiten auf Augenhöhe ist, wie Hanna Herbst belegt. Mit gerade mal 31 ist Jan Böhmermanns Redaktionsleiterin zwar noch jünger als ihre Rampensau, hat sein „Neo Magazin Royale“ seit dem Wechsel ins ZDF aber zur investigativen Fernsehinstitution geadelt.

So unterhaltsam kann Fernsehen sein

Journalistisch gereift bei Guerillamedien wie „Vice“, verhilft sie Böhmermann allerdings auch noch zu etwas, das früher selten war: Familiensinn. Schließlich werden 70 Gleichgesinnte im Team nicht müde, ihren Zusammenhalt zu feiern. Ein Miteinander, das auch für Infotainment wie Markus Lanz gilt oder das „heute journal“. Wer dessen Redaktionschef je bei einer Konferenz mit Claus Kleber erleben durfte, kann nur hoffen, dass sich Spielfilmverantwortliche der Sender daran Beispiele nehmen.

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Würden deutsche Redakteure und Redakteurinnen „reformresistenter Anstalten“ anstatt „besessener Produzenten“ auch in Amerika den Ton angeben, schrieb der Medienkritiker Alexander Gorkow vor ein paar Jahren zum Boom horizontaler Serien, „man säße gerade an der 44. Staffel Waltons“. Dank Jakob Lundt und seiner kleinen Fernsehfamilie sitzen wir dieser Tage immerhin vor der fünften. Staffel „Joko und Klaas gegen Pro Sieben“ und freuen uns, wie unterhaltsam sogar hiesiges Fernsehen sein kann, wenn Redakteurinnen und Redakteure Partner der Kreativen sind, nicht ihre Gegner.

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