“Volksverhetzung”: Polizeigewerkschaften stellen Strafanzeige gegen die “taz”
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Blick in den Redaktionsraum der “taz”. (Archiv)
© Quelle: dpa
Berlin. Wegen eines satirischen Beitrags in der “taz” haben die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Strafanzeige gegen die Zeitung gestellt. Auch beim Deutschen Presserat habe man Beschwerde eingereicht. Das gaben beide Organisationen auf Twitter bekannt.
Grund für die Aufregung ist das Stück “All cops are berufsunfähig” der Autorin Hengameh Yaghoobifarah. In den Beitrag sinniert Yaghoobifarah angesichts der Debatte um Polizeigewalt über mögliche Berufsalternativen für Polizisten.
“Wenn die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus jedoch nicht, in welche Branchen kann man Ex-Cops dann überhaupt noch reinlassen?”, fragt die Autorin beispielsweise. Schließlich sei “der Anteil an autoritären Persönlichkeiten und solchen mit Fascho-Mindset in dieser Berufsgruppe überdurchschnittlich hoch.”
“Bleibt nur noch die Mülldeponie”
Es sei somit ziemlich schwierig, die 250.000 Polizisten “einfach so in andere Berufe” zu stecken. Der Bereich soziale Arbeit falle beispielsweise weg. “Das Problem löst sich nicht dadurch, dass ein Cop Uniform gegen Birkenstocks und Leinenhosen umtauscht. Ob Behörden, Lehrer_innen, Justiz, Politik, Ärzt_innen oder Sicherheitskräfte: Machtpositionen gegenüber anderen Menschen kommen nicht infrage. Streng genommen möchte man sie nicht einmal in die Nähe von Tieren lassen. Bitte nicht noch mehr Chicos erziehen!”
Auch der Dienstleistungsbereich falle weg – “zwischen Büchersendung und Schuhbestellung passt immer eine Briefbombe”. Und über “Bio-Bauernhöfe” müsse man gar nicht erst sprechen: “Die sind jetzt schon zu Szenejobs für Neonazis avanciert.” Und “wenn man sie einfach Keramik bemalen ließe?”, fragt die Autorin. “Nein. Zu naheliegend, dass sie unter der Hand Hakenkreuz-Teeservices herstellen und sich mit den Einnahmen das nächste Terrornetzwerk querfinanzieren.”
Am Ende kommt die Autorin zu dem Schluss, es bleibe nur noch “die Mülldeponie”. Allerdings: “Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.”
“Volksverhetzung”
Genau dieser Satz ist nun auch Anstoß für die Empörung der Polizeigewerkschaften. Der Text sei nicht nur ein “Schlag ins Gesicht” für die Polizisten, sondern auch “Volksverhetzung”, zeigte sich die DPolG am Dienstag überzeugt. “Andere Menschen zu entpersönlichen, ihnen Würde und Menschen abzusprechen und sie wie Unrat auf einer Müllhalde entsorgen zu wollen – wie hasserfüllt, degeneriert und voller Gewaltbereitschaft muss man eigentlich sein, um solche widerlichen Gedanken aufzuschreiben?“, fragt der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt. Die Berufsvertretung werde solche Denkweisen mit “allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen”.
Von der GdP heißt es per Pressemitteilung: “Wir sind entsetzt über die volksverhetzenden Worte, mit denen über 300.000 Menschen aufs Übelste diffamiert und beleidigt werden. (...) Wer (...) meine Kolleg. ganz gezielt mit Nationalsozialisten vergleicht und sie auf einer Mülldeponie unter ‚ihresgleichen’ entsorgen möchte, der ist nicht mal im Ansatz besser als jeder Nazi”, wird Landeschef Norbert Cioma zitiert. “Folgerichtig” habe man juristische Schritte gegen die Autorin sowie die Tageszeitung und ihre Herausgeber gestellt.
Kritik und Lob für Satire
Auch aus der Medienbranche gibt es Kritik an der “taz”-Kolumne. Die “Neue Zürcher Zeitung” schrieb am Dienstag, die Zeitung sei “bis auf Weiteres” ein Blatt, das “menschenfeindlichen Clickbait-Müll” publiziere.
Lob kam hingegen von “Titanic”-Chefredakteur Moritz Hürtgen. Er schrieb auf Twitter: “Guter Text, der den richtigen Leuten gegen den Strich geht. Danke“. “Titanic”-Kollege Leo Fischer schrieb: “Bitte mehr solcher Texte, danke”.
Was die “taz” zum Vorfall sagt
Die Zeitung selbst äußerte sich am Mittwoch gegenüber dem Portal “Übermedien.de”. “Niemand in der taz bezeichnet Menschen ernsthaft als Abfall”, wird Chefredakteurin Barbara Junge zitiert. Aber: “Satire darf fast alles – und greift manchmal in seiner Wortwahl daneben. Autorinnen oder Autoren, die selbst mehrfach zum Ziel rassistischer Beleidigungen und Bedrohungen geworden sind, können gleichwohl ein anderes Verhältnis zu dem Thema haben und das in emotionalere und zugespitztere Worte fassen, als Autorinnen oder Autoren ohne entsprechende Erfahrungen.”
Laut dem “Tagesspiegel” gibt es derweil auch innerhalb der “taz” Kritik an dem Text. “Es wird auf den Fluren, in Konferenzen und im Intranet der ‚taz’ heftig gestritten”, schreibt die Zeitung und beruft sich auf Mitarbeiter des Blatts.
RND/msc