„Vermisst in Berlin“: Im ZDF-Drama geht es um kriminelle Clans
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Judith Volkmann (Jördis Triebel) deckt einen Fall um verschwundene Flüchtlingskinder auf. In diesem Zuge entfaltet sich ein ganzes Netzwerk an Menschenhandel und Kinderprostitution.
© Quelle: ZDF/Mathias Bothor
Berlin. Kenn ‘se den? Treffen sich zwei Frauen im Stripclub. Trinkt die eine im teuren Fummel teuren Schampus, den die andere in steifer Schürze mit steifer Miene serviert. Steckt die eine der Stripperin Geld ins Höschen, guckt die andere skeptisch zu. Nicht lustig? Okay, vielleicht der hier: Treffen sich beide tags drauf wieder. Ist die eine jetzt Flüchtlingshelferin in Jogginghose und die andere Polizistin im Designermantel. Immer noch nicht lustig? Stimmt. Aber die ulkige Ausgangssituation eines ZDF-Dramas, das – sagen wir mal: bemerkenswerte Frauenbilder transportiert.
Es sind Frauenbilder von brüchiger Stärke, gepaart mit ambivalenter Schönheit. Frauenbilder also, die wie gemacht scheinen für eine der brüchigsten, stärksten, ambivalentesten, schönsten Fernsehfrauen: Jördis Triebel. Seit ihrem Langfilmdebüt als Titelfigur der Romanadaption „Emmas Glück“ vor 13 Jahren ist sie von der Spitze hiesiger Besetzungslisten kaum wegzudenken. Heute nun hat die Frau vom Prenzlauer Berg Heimspiel: Als Kripo-Ermittlerin a. D. Judith Volkmann sucht sie den kleinen Jamal, der – laut Titel – „Vermisst in Berlin“ ist.
„Erfolg ist nie absehbar“
Es ist ein erstaunlicher Film. Erstaunlich auch, da Sherry Hormann ihn nach dem Buch von Frauke Hunfeld und Silke Zertz mit zwei Hauptdarstellerinnen dreht, die – in Gestalt von Jördis Triebel – auf eigene Faust einen Clan bekämpfen, den die gesellschafstherapeutisch tätige Gangsterbraut Evelyn Kraft (Natalia Wörner) offenbar mit organisiert. Allein das Thema Migration macht den Film daher relevant – ein soziokultureller Faden, der sich seit ihrer tragenden Rolle in der hochgelobten ZDF-Serie „KDD“ ab 2007 deutlich sichtbar durch Jördis Triebels Berufsweg zieht.
Ob „Weissensee“ oder „Operation Zucker“, „Dark“ und „Krieg“, „Bad Banks“ oder zuletzt „Babylon Berlin“: Was der frühere Theaterstar seit dem Wechsel vor die Kamera auch anpackt – es entfaltet oft weit über 90 unterhaltsame Minuten hinaus Bedeutung. Aber ist die planbar? Beim Lesen des Drehbuchs, sagt sie am Telefon, „frage ich zunächst mal nicht nach Diskussionspotenzial, sondern ob es mich interessiert“. Beim Justizexperiment „Terror“ etwa waren die Wellen „mit der Besetzung, dem Autor, dieser Machart absolut absehbar“. Christian Schwochows „Westen“ hingegen, wo Triebel passend zur Flüchtlingsdebatte eine DDR-Emigrantin spielt, habe „kaum jemand gesehen“. Ihr Fazit: „Erfolg ist nie absehbar.“
Bis zum Showdown bleibt vieles Effekthascherei
Nachhaltiger Eindruck schon eher. Und den hinterlässt die 41-Jährige selbst in Filmen, die dramaturgisch kaum der Rede wert sind. Dazu zählt die Actionserie „Blochin“ an der Seite ihres Wegbegleiters Jürgen Vogel. Dazu zählt aber auch „Vermisst in Berlin“. So sehr die Stärke der Frauen im Kontrast zur Verzagtheit des Flüchtlingshelfers Pollak (glaubhaft sozialpädagogisch: Florian Stetter) oder Judiths Ex-Kollegen Deniz (herrlich überkorrekt: Edin Hasanovic) auch wirkt – bis zum Showdown bleibt vieles Effekthascherei.
Warum Polizistin Judith in einer Poledancebar arbeitet, bleibt da ebenso offen wie ihre Liaison mit dem schnauzbärtigen Streifencop Paul oder warum sie bei der Dauerjagd durch Berlins arme Sexiness stets lauffeindlich hohe Stiefel trägt, mit denen sie gleichwohl spielend ein fliehendes Kind einholt, das ihr vors Auto läuft und so den Thriller um – darunter macht es der deutsche Krimi nur selten – Zwangsprostitution einleitet. Judiths Stärke bestehe ja gerade darin, „sich trotz ihrer Position anzuziehen, wie sie sich wohl fühlt“, bügelt Triebel den Hackeneinwand brüsk ab und verweist aufs „Ungefähre“ ihres Jobwechsels, das das Publikum dazu nötige, „sich selber Erklärungen zu suchen“. Guter Punkt einer Frau, die weiß, was sie will, und damit zur vielleicht wichtigsten Schauspielerin ihrer Alterskohorte geworden ist. Bis zur Alleinherrschaft fehlt da eigentlich nur noch dies. „Ich hab’ so viele emotionale Rollen gespielt“, sagt Jördis Triebel wieder lachend, „jetzt will ich mal was Leichtes.“ Komödien etwa. Nur zu.
"Vermisst in Berlin" | ZDF Mit Jördis Triebel und Natalia Wörner, Montag um 20.15 Uhr
Von Jan Freitag