Zweifel an Neutralität von Twitter

„Geteilte Macht dämmt schlimmste Exzesse ein“ – Musk wirbt für Wahl der Republikaner bei den US-Midterms

Elon Musk, Vorstandsvorsitzende von Tesla und SpaceX, und neuer Twitter-Chef, spricht auf der Satellite Conference and Exhibition in Washington.

Elon Musk, Vorstandsvorsitzende von Tesla und SpaceX, und neuer Twitter-Chef, spricht auf der Satellite Conference and Exhibition in Washington.

New York. Mit dem Erwerb der Social-Media-Plattform Twitter hat Tech-Multimilliardär Elon Musk sich in den Besitz eines der wichtigsten sozialen Netzwerke gebracht. Seinen Account nutzte der 51-Jährige am Montag (Ortszeit), um für die Zwischenwahlen in den USA am (heutigen) Dienstag eine Wahlempfehlung für die Republikaner auszusprechen.

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Damit schaltete er sich quasi per Megafon in die politische Debatte des Landes ein, aus der sich die Leiter großer Tech-Firmen ansonsten weitgehend heraushielten – um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ihre Plattformen zögen eine Seite der anderen vor.

Musk, der Twitter für 44 Milliarden US-Dollar gekauft hat, hat auch schon in der Vergangenheit politische Ansichten kundgetan – bei Twitter und auch außerhalb davon. Doch die direkte Unterstützung einer Partei, jetzt, da er die Plattform besitzt, wirft Fragen darüber auf, inwieweit Twitter in der Lage ist, unter der Knute des reichsten Mannes der Welt neutral zu bleiben.

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„An unabhängig gestimmte Wähler“ richtete er sich bei Twitter mit den Worten: „Geteilte Macht dämmt die schlimmsten Exzesse beider Parteien ein. Deshalb empfehle ich, für einen republikanischen Kongress zu stimmen, da die Präsidentschaft demokratisch ist.“

Diese Social-Media-Plattformen sind nicht einfach Unternehmen. Es ist nicht nur ein Geschäft. Es ist auch unsere digitale öffentliche Sphäre. Es ist unser Marktplatz.

Jennifer Stromer-Galley, Syracuse University

Es sei eine Sache, wenn sich die Geschäftsführer von amerikanischen Fast-Food-Ketten wie Wendy's oder Chick-fil-A für eine politische Partei stark machten, sagte Jennifer Stromer-Galley, Professorin der Syracuse University, die zu sozialen Medien und Politik forscht. Gänzlich anders gelagert sei es jedoch, wenn sich der Besitzer des prominentesten Informations-Ökosystems so verhalte.

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„Diese Social-Media-Plattformen sind nicht einfach Unternehmen. Es ist nicht nur ein Geschäft. Es ist auch unsere digitale öffentliche Sphäre. Es ist unser Marktplatz“, sagte sie. „Und es fühlt sich so an, dass die öffentliche Sphäre zunehmend privatisiert und von diesen Unternehmen besessen wird - und wenn die Leiter dieser Unternehmen ihren Finger auf die Waage legen, fühlt es sich an, als würde dies unsere Demokratie möglicherweise auf schädliche Weise verzerren.“

Werbetreibende verlassen Twitter

Musks Kommentare fallen in eine Zeit, in der er die Plattform neu ausrichten will, in eine Zeit verbreiteter Sorge, dass Massenentlassungen die Plattform außer Stande bringen könnten, mit Hassreden und Falschinformationen umzugehen, die sich auf die Sicherheit von Wählern oder auch auf Akteure auswirken könnten, die Zweifel an den legitimen Siegern von Wahlen säen wollen.

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Tech-Firmen vermeiden sonst Positionierung

Es ist kein Geheimnis, dass es unter Beschäftigten des Silicon Valley und dortigen Geschäftsführern eine Tendenz zur eher linken als zur rechten Seite des Politspektrums gibt. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat an Kandidaten beider Seiten des politischen Spektrums gespendet, in den vergangenen Jahren jedoch etwas stärker auf die Demokraten zugesteuert. In der Öffentlichkeit hat er es jedoch vermieden, irgendeiner Seite die Treue zu schwören.

Bei den Plattform-Regeln und der Inhaltsmoderation haben sich Tech-Firmen wie Facebook - jetzt Meta -, Google und sogar Twitter stark darum bemüht, politisch neutral zu erscheinen - selbst wenn ihnen regelmäßig von Konservativen, aber auch von Liberalen vorgeworfen wird, eine Seite zu bevorzugen.

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„Nun könnte man sagen, schauen Sie, Rupert Murdoch besitzt Fox News und das ist seine verstärkte Stimme“, sagte Charles Anthony Smith, Professor für Politikwissenschaft und Recht an der University of California in Irvine. „Doch der Unterschied ist, das wird gefiltert durch eine Vielzahl von Redakteuren und Bildschirm-Persönlichkeiten und all diese anderen Sachen. Also ist es nicht wirklich Rupert Murdoch. Es mögen Leute sein, die ihm bei Dingen zustimmen, aber es ist durch andere Stimmen gefiltert.“ Bei Musk sei das anders. „Das ist ein unverfälschter, direkter Kontakt. Es ist also eine Verstärkung, die ihresgleichen sucht.“

Musks‘ Einfluss jenseits der US-Politik

Musks Tweets könnten auch jenseits der US-Wahlen die Weltpolitik durcheinander bringen. Am Sonntag signalisierte der Milliardär seine Bereitschaft, die Zurücknahme der Sperrung von Twitter-Konten rechter brasilianischer Abgeordneter zu erwägen. Das Wahlgericht des Landes hatte in der vergangenen Woche ihre Suspendierung verkündet.

Es handelt sich um Anhänger des rechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der am 30. Oktober die Stichwahl um das Präsidentenamt gegen seinen linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva knapp verlor. Sie hatten zumeist Behauptungen über Wahlbetrug verbreitet.

April 26, 2022, Asuncion, Paraguay: Illustration: App icon of Mastodon, a decentralized social network, on the App Store, displayed on a smartphone backdropped by its logo. (Credit Image: © Andre M. Chang/ZUMA Press Wire

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Paulo Figueiredo Filho, ein politischer Analyst, der Bolsonaro in sozialen Medien oft verteidigt und der Enkel des letzten Präsidenten der Militärdiktatur ist, twitterte, dass Twitter sich zu einem strikten und spontanen Zensor entwickelt habe. Musk antwortete, er werde sich das anschauen. Die Twitter Regeln - mit Stand Montag - verbieten Manipulation oder Einflussnahme bei Wahlen oder anderen zivilgesellschaftlichen Prozessen.

In einem Tweet nur zwei Tage nach der Einwilligung in den Kauf Twitters im April schrieb Musk, die Plattform müsse, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu verdienen, politisch neutral sein, „was effektiv bedeutet, die extreme Rechte und die extreme Linke gleichermaßen zu enttäuschen.“

Musk als neuer Oligarch?

Musks Tweet vom Montag, dem Tag vor der finalen Stimmabgabe, sammelte unterdessen Hunderttausende Likes ein - wenngleich ihn viele prominente und weniger prominente Twitter-Persönlichkeiten kritisch kommentierten.

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Smith verleitete das zu der Frage, ob sich derzeit das Aufkommen eines „neuen Typs Milliardär“ beobachten lasse, gewissermaßen nach Oligarchen-Vorbild - und zwar solcher Milliardäre, „die entscheiden wollen, was passiert und Anerkennung dafür erhalten wollen, zu entscheiden, was passiert.“

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RND/AP

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