VZ.net im Selbstversuch: So ist die neue Social-Media-Plattform

So sieht die neue Startseite des VZ-Netzwerks aus.

So sieht die neue Startseite des VZ-Netzwerks aus.

Hannover. Es gibt noch gute Nachrichten in diesen Tagen. Am Montag ging eine Meldung durch die Medien, mit der viele gar nicht mehr gerechnet hätten: Das StudiVZ ist zurück! Also nicht ganz. Es heißt nämlich nicht mehr StudiVZ, sondern nur noch VZ – aber alles andere ist noch da: der Buschfunk, der Plauderkasten, die trashigen Witze-Gruppen. Alles, womit man sich 2006 bis 2010 so die Zeit vertrieben hat, lange bevor irgendwelche Pandemien über das Land hereinbrachen.

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Die Betreiber haben die ehemalige Studiplattform gerelauncht – gleiches gilt auch für das MeinVZ, den Ableger für erwachsene Nichtstudenten. Künftig werden beide unter VZ.net zusammengeführt, es gibt einen neuen Look und jede Menge Datenschutz – das zumindest versprechen die Betreiber zum Start.

Bleibt nur eine Frage: Was soll man bitte im Jahr 2020 noch im VZ-Netzwerk? Und was kann die neue Plattform? Zeit für einen Test.

Friedhof der Gruscheltiere

Zugegeben: Mein letzter Kontakt mit dem StudiVZ ist noch gar nicht so lange her. Im Januar habe ich mich erstmals nach gefühlten zehn Jahren wieder beim ehemaligen Kultnetzwerk eingeloggt und einen Artikel darüber geschrieben.

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Der Besuch war reichlich skurril: Die ehemalige Studiplattform ist heute ein digitale Geisterstadt. Sollte man es überhaupt schaffen, sich einzuloggen, so stößt man auf allerhand Fehlermeldungen, nicht aufrufbare Seiten und: gähnende Leere. Gruschler? Nachrichten? Freundesanfragen? Die wurden hier schon seit Jahren nicht mehr verschickt.

Und dennoch gab es auch lange nach dem gefühlten Aus der VZ-Netzwerke immer wieder kleine Gruppen, die die verwaisten Plattformen für sich genutzt haben. Eine kuriose Bewegung war die sogenannte FakeVZ-Community. Eine Gruppe von Menschen, die sich Namen von bekannten Stars oder gänzlich erfundenen Personen gaben und daraus ein eigenes Rollenspiel entwickelten. In einigen VZ-Gruppen ist bis heute Aktivität zu sehen – etwa in einer Gruppe, in der sich Nutzer fiktive Sexgeschichten schreiben.

Buschfunk und Gruppen sind wieder da

Mit der neuen Plattform wollen die Betreiber nun raus aus der Nische und die breite Masse zurückholen. Die Startseite des VZ-Netzwerks sieht auch tatsächlich ziemlich einladend aus – und Besucher werden gleich mit einer allseits im Gedächtnis gebliebenen Wortschöpfung begrüßt: “Wir gruscheln dich!”

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Darunter werden die Kultfunktionen des ehemaligen StudiVZ angepriesen: Kalender, Plauderkasten, Gruppen. Davon werden einige auch direkt aufgeführt, etwa “Scheiß Party, wenn ich meine Hose gefunden habe, gehe ich heim.”

Tatsächlich fühlt sich der Besuch der Seite ein bisschen an wie eine Erstiparty von 2006. Aber die Betreiber haben immerhin die Ansprache ins Jahr 2020 geholt. So heißt es über dem Anmeldeformular zum Beispiel: “Stell deinen Smoothie zur Seite und registrier dich.” Smoothie? So was wär uns ja damals nicht in die Alkopopflasche gekommen.

So läuft die Anmeldung

Aber weiter zur Anmeldung: Die verläuft tatsächlich komplizierter als gedacht – zumindest wenn man darauf besteht, sich mit seinem früheren StudiVZ-Account anzumelden. Das geht nämlich nicht. Laut Betreiber wurden an frühere Nutzer E-Mails verschickt, um die Daten ins neue VZ zu importieren – doch davon ist in meinem seit Jahren ungenutzten Web.de-Postfach nichts zu sehen.

Es muss also der Umweg her: Einen neuen Account erstellen und die alten Daten später importieren. Das soll über die Accounteinstellungen möglich sein, heißt es auf der Website.

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Gesagt, getan: Die Registrierung funktioniert reibungslos, anschließend möchte das neue VZ mehr über meine Interessen wissen. Ich klicke die Punkte Reisen, Essen und Trinken sowie Politik und Wirtschaft an.

In einem weiteren Schritt soll ich dann mindestens vier Gruppen auswählen, denen ich künftig folgen will – und bin erstaunt, wie gut mich das VZ-Netzwerk bereits zu kennen scheint: “Wer nackt badet, braucht keine Bikinifigur” wird mir da etwa vorgeschlagen, aber auch: “Kalorien sind kleine Tierchen, die nachts die Kleidung enger nähen”. Na wunderbar. Ich entscheide mich für eine Gruppe mit Pastarezepten.

So sieht die Seite aus

Ist der Anmeldeprozess abgeschlossen, wird man auf die persönliche Timeline geleitet, die hier natürlich noch immer Buschfunk heißt. Die Seite wirkt modern und aufgeräumt – was aber auch damit zu tun hat, dass hier praktisch noch gar nichts zu sehen ist. Die abonnierte Pastagruppe spült mir auch keine leckeren Rezepte auf die Seite, sondern zeigt nur an, dass in der Gruppe neue Kommentare geschrieben wurden. Die Darstellung wirkt etwas unnütz.

So sieht die neue Startseite des VZ-Netzwerks aus.

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Auf der linken Seite habe ich Zugriff auf meinen (völlig leeren) Kalender und meinen (ebenso völlig leeren) Plauderkasten – also den Messenger. Damit es etwas voller wird, bietet das VZ am oberen Rand die Möglichkeit, Freunde einzuladen – etwa per Mail, aber auch über Facebook.

Die Accounteinstellungen sind sehr übersichtlich. Man kann seinen Onlinestatus aktivieren oder verbergen, die Lesebestätigungen ein- oder ausschalten – sollte hier tatsächlich mal jemand schreiben. In den Privatsphäreeinstellungen bietet das VZ die Möglichkeit, personalisierte Werbung abzuschalten. Der Datenschutz scheint für die Betreiber ohnehin eine große Rolle zu spielen: Daten würden ausschließlich auf deutschen Servern gespeichert – und ein Tracking von Aktivitäten auf der Plattform gebe es nicht, heißt es in einem Erklärvideo.

Import alter Daten klappt nicht

Bleibt nur noch die Frage zu klären: Wie funktioniert jetzt der Import der alten StudiVZ-Daten? Wo sind meine alten Fotos, meine Nachrichten, mein nächtlicher Austausch über die Seminararbeit im Sommersemester 2008 mit Ralf und Jessica?

Im oberen Bereich des neuen VZ-Netzwerks wird eine kleine Wolke angezeigt – hier soll es möglich sein, die alten Daten zu importieren. Alles, was dazu notwendig ist, ist die alte E-Mail-Adresse, mit der man seinerzeit bei den VZ-Netzwerken angemeldet war. Aktiviert man den Import, wird ein Link per Mail verschickt – dann beginnt der Import.

Eigentlich. Denn zunächst dauert es mindestens eine halbe Stunde, bis sich überhaupt etwas tut – dann erhält man die Nachricht, der Import sei abgeschlossen. So richtig zu funktionieren scheint das aber nicht – denn auch nach zwei Stunden sind mein Fotoalbum, mein Plauderkasten und meine Freundesliste leer. Keine Fotos von der Erstiparty, keine Seminararbeit. Was Ralf und Jessica wohl heute machen?

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Der Import der alten StudiVZ-Daten scheint nicht so richtig zu funktionieren.

Der Import der alten StudiVZ-Daten scheint nicht so richtig zu funktionieren.

Kann das neue VZ Erfolg haben?

Abschließend bleibt zu sagen: Das neue VZ läuft technisch einwandfrei, ist schick und übersichtlich. Zu übersichtlich. Denn ohne einen vollständigen Import der alten Daten dürften sich wohl die wenigsten zu einer Anmeldung im neuen Netzwerk entschließen.

Interessant ist auch, dass es vom neuen VZ-Netzwerk bislang keine Smartphone-App zu geben scheint. Zwar ist die Seite im Browser aufrufbar und sieht dort auch ordentlich aus – für das mobile Zeitalter dürfte das aber wohl nicht reichen.

Löblich hingegen ist der Anspruch, sorgsam mit den Daten der Nutzer umzugehen. Damit hätte das neue VZ gegenüber anderen sozialen Netzwerken ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Ob dieses Argument allein aber auch für den Massenmarkt reicht, bleibt fraglich.

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RND

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