Streit ums Urheberrecht: Videoblogger muss Kritik an ARD-Reportage löschen

Im Streit um einen kritischen Videobeitrag hat das Landgericht Berlin der ARD-Anstalt Radio Bremen in vielen Punkten recht gegeben.

Im Streit um einen kritischen Videobeitrag hat das Landgericht Berlin der ARD-Anstalt Radio Bremen in vielen Punkten recht gegeben.

Hamburg/Bremen. Alles begann mit einem Youtube-Beitrag – und endete schließlich vor Gericht. Ein Videoblogger darf ein kritisches Video über eine ARD-Reportage nicht mehr auf Youtube und auf seiner Website veröffentlichen. Der Grund: Die ARD-Anstalt Radio Bremen hatte gegen den Blogger geklagt – und nun vor dem Landgericht Berlin in weiten Teilen recht bekommen.

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Was war passiert? Holger Kreymeier, im Netz bekannt als berühmt-berüchtigter Medienkritiker, hatte in seinem Videoformat „Die Mediatheke“ im Frühjahr 2020 die ARD-Reportage „Infokrieg“ seziert. Er warf den Macherinnen und Machern in seinem Beitrag mitunter das Verbreiten von „Verschwörungstheorien“ vor sowie unzureichende journalistische Arbeit.

In dem Film „Infokrieg“ hatten die Journalistinnen und Journalisten um den Reporter Dennis Leiffels die Propagandamethoden der Neuen Rechten in den sozialen Medien unter die Lupe genommen. Kreymeier kritisierte unter anderem, dass die Macher eine Person mit nur 1914 Followern als „rechte Top-Influencerin“ dargestellt und diese dann sogar zu Hause mit der Kamera besucht hätten.

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Radio Bremen verklagt Blogger

„Abgesehen davon, dass es absurd ist, so viel Engagement in eine vollkommen unbedeutende Frau auf Twitter zu stecken: Was ist das denn bitte, Sie quasi zu stalken und aufzusuchen? (…) Quasi wie die Stasi plötzlich vor ihrer Tür zu stehen?“, kritisierte Kreymeier in seinem Beitrag.

Auch die offenbar versteckten Kameraaufnahmen beim Besuch der Protagonisten bemängelte Kreymeier. Unter anderem wird in den Aufnahmen der Sendung das Wort „Gedächtnisprotokoll“ eingeblendet – und das, obwohl laut Kreymeier doch sehr offensichtlich eine Tonspur der Aufnahmen existiere. Ein rechtlich mindestens heikles Unterfangen: Tonaufnahmen von Menschen wären nämlich ohne deren Einverständnis gar nicht erlaubt.

Dieser Beitrag hat nun Folgen für den Videoblogger – allerdings nicht wegen seiner Kritik, sondern wegen des verwendeten Bildmaterials. Dieses besteht nämlich in weiten Teilen aus der ARD-Reportage, auf die sich Kreymeier beruft. Radio Bremen klagte gegen Kreymeier, weil die Anstalt ihr Urheberrecht verletzt sah.

Geht es wirklich ums Urheberrecht?

Der Fall ist komplizierter, als man zunächst meinen könnte. Kreymeier vermutet nämlich, dass es der Anstalt keineswegs allein ums Urheberrecht geht – sondern darum, ihn als Kritiker mundtot zu machen. In einem neuen Video des Bloggers erklärt dessen Rechtsanwalt Markus Kompa, die Anstalt habe beispielsweise andere Videos auf Youtube, die den Film ebenfalls zeigten, nicht abgestraft.

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Das Berliner Landgericht sieht das nicht so. Es hält die Klage der ARD-Anstalt für zulässig – und gibt ihr auch im Urheberrechtsstreit in vielen Punkten recht.

Kreymeier habe in vielen Fällen das sogenannte Zitatrecht überreizt. Dieses erlaubt laut Paragraf 51 des Urheberrechtsgesetzes die Nutzung von Fremdmaterial in Texten oder Videos, sofern man sich in seinem Beitrag auf das genannte Material bezieht – diese Regelung gilt jedoch nicht in jedem erdenklichen Umfang.

Zitatrecht überreizt

Gleich mehrere Passagen bemängelt das Gericht, weil Kreymeier Bilder zeige, sich aber nicht inhaltlich mit ihnen auseinandersetze. In einem Fall zeige er eine Videoanimation aus der Reportage – Kritik übe er aber nicht an den gezeigten Bildern, sondern an der Reportage im Allgemeinen. In einem weiteren Fall zeigt Kreymeier beispielsweise eine Autofahrt aus der Reportage und überspricht die Bilder mit eigenem Text – ohne sich auf die gezeigten Bilder zu beziehen. „Eine gedankliche Verbindung zu den Bildern wird weder hier noch sonst irgendwo hergestellt“, meint das Gericht.

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Bei einigen Passagen gibt das Landgericht aber auch dem Videoblogger recht. Dazu gehört ein Ausschnitt aus der Reportage, den Kreymeier zeigt und anschließend genau auf diesen eingeht und seine Kritik übt. Das sei sehr wohl mit dem Zitatrecht vereinbar. In einem anderen Fall zeigt Kreymeier eine mehr als einminütige Passage aus der Reportage und übt anschließend daran Kritik. Hier sieht das Gericht den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ gewahrt, auch wenn es sich um eine „relativ lange“ Passage handele.

Zufrieden ist der Medienkritiker mit dem Urteil aber trotzdem nicht. Kreymeier wird untersagt, den Beitrag weiter zu veröffentlichen. Zudem muss er Auskunft erteilen, wie häufig seine Medienkritik aufgerufen wurde und welche Umsätze er mit dem Video über seine Plattformen erwirtschaftet habe. Zudem soll Kreymeier Schadensersatz leisten. Das umstrittene Video hatte Kreymeier bereits zu Beginn des Rechtsstreits von seinen Plattformen entfernt.

Die Öffentlich-Rechtlichen und das Urheberrecht

Kreymeier zum RND: „Es nervt ziemlich, dass man als Journalist dem ausgeliefert ist, wie ein Richter gerade drauf ist. Es braucht klare Regeln beim Zitatrecht, so blickt niemand mehr durch.“ Kreymeier hatte sich in dem Rechtsstreit eigentlich gute Chancen ausgerechnet, denn: Zuvor war der Medienkritiker schon einmal wegen eines ganz ähnlichen Beitrags vor Gericht zitiert worden. Das Gericht entschied damals für Kreymeier und gegen den Kläger. Der Videoblogger findet zudem: „Auf Youtube, wo Reaction-Videos millionenfach abrufbar sind, herrschen andere Regeln. Darauf muss auch der Gesetzgeber reagieren.“

Kreymeier hatte sich in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten angelegt. 2009 machte er etwa mit der Kampagne „Dafür zahl’ ich nicht“ auf sich aufmerksam. Eigenen Angaben zufolge weigert sich der Medienkritiker bis heute, die Rundfunkgebühren zu zahlen.

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Das rechtliche Einschreiten von Radio Bremen hält der Blogger für ebenso unverständlich. „Inwiefern haben die Öffentlich-Rechtlichen denn überhaupt ein Urheberrecht? Oder ein Nutzungsrecht, über das sie allein bestimmen können? Denn wer bezahlt denn die Öffentlich-Rechtlichen? Wir alle“, so Kreymeier im vergangenen Jahr gegenüber dem RND.

Radio Bremen weist Vorwürfe zurück

Hinter dem Rechtsstreit vermutet der Medienkritiker Gebühren­verschwendung. Radio Bremen hatte etwa eine externe Anwaltskanzlei eingeschaltet und nicht – wie Kreymeier kritisiert – die eigene Rechtsabteilung bemüht. Der Sender relativierte dies gegenüber dem RND: „Die Gerichte, insbesondere auch der Bundesgerichtshof, gehen davon aus, dass die Kosten eingeschalteter externer Rechtsanwälte auch dann vom Gegner zu erstatten sind, wenn der in seinen Rechten Verletzte über eine eigene Rechtsabteilung verfügt.“

Auch Kreymeiers Vorwurf, das Urheberrecht sei nur ein vorgeschobener Grund, wies der Sender zurück: „Damit liegt Herr Kreymeier völlig falsch. Wir haben natürlich überhaupt nichts gegen Kritik einzuwenden. Darum sind wir selbstverständlich nicht gegen solche Passagen vorgegangen, in denen das Zitatrecht eingehalten ist (…).“

Kreymeiers Anwalt Markus Kompa hält den Fall trotzdem für fragwürdig: „Die haben nichts Besseres zu tun, als wegen eines Youtube-Kritikers mal eben so eine Berliner Anwaltskanzlei anzuheuern?“, fragt der Rechtsanwalt im Video. Die Kosten für die ursprüngliche Abmahnung habe der Sender beispielsweise selbst tragen müssen, weil sie formelle Fehler enthalten habe. „Die müssen es zahlen? Der Rundfunkbeitragzahler muss es zahlen“, ergänzt Kreymeier.

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Der Medienkritiker will das Urteil nun anfechten und in die nächste Instanz gehen.

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