Sky-Serie „Funny Woman“: blonder Grips im 60er-Jahre-London
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Gemma Arterton als Barbara Parker in den 1960er-Jahren in London.
© Quelle: Ben Blackall/Wow
Diskriminierung kennt viele Opfer: Frauen, Fremde, Blondinen, und damit naturgemäß blonde, fremde Frauen. Aber blonde, fremde Schönheitsköniginnen im eigenen Land? Dass diese Kombination der visuellen Leistungsgesellschaft, die attraktiven Menschen eigentlich bessere Aufstiegschancen gewährt als unattraktiven, herabgewürdigt wird, macht „Funny Woman“ gleich mal bemerkenswert. Denn bevor die Titelfigur – in Nick Hornbys Romanvorlage noch ein „Girl“ – der Sky-Serie Diskriminierungen aller Art erduldet, wird sie zur Miss Blackpool Belle gekürt.
Klingt imposant, gibt dem feisten Bürgermeister der nordenglischen Stadt jedoch Gelegenheit, die halb nackte Gewinnerin anzutatschen. Und so steht Barbara Parkers Entschluss schon im ersten der sechs Teile fest: Mit eisigem Blick verlässt sie erst Bühne, dann Blackpool, und reist ins London der Swinging Sixties, um Karriere als Komikerin zu machen. Verkörpert vom Ex-Bond-Girl Gemma Arterton sieht sie schließlich nicht nur umwerfend aus, sondern ist auch noch rasend komisch.
Sechziger zwar beschwingt, aber durch und durch sexistisch
Zu dumm, dass die Sechziger zwar beschwingt, aber durch und durch sexistisch waren. Als Fremde landet Barbara folglich im Kaufhaus, wo sie Hüte statt Witze verkauft. Als Blondine landet Barbara auf einer Restauranttoilette, wo sie fast vergewaltigt wird. Als Frau landet Barbara fast in der Arbeitslosigkeit, weil Senderchef Sargent (Alistair Petry) beim Vorsprechen meint, gutes Aussehen gehe „selten Hand in Hand mit humoristischer Kompetenz“.
Wie gut, dass ihre Schlagfertigkeit den mächtigen Mann ebenso umstimmen kann wie Theateragent Brian Debenham zuvor – „Phantom der Oper“-artig grandios verkörpert von Rupert Everett. Im Ensemble des warmherzigen Komikers Dennis (Arsher Ali) darf sie daher in einer Boulevardkomödie mitspielen, die damals noch vor Livepublikum aufgeführt wurde. Und zwar mit solchem Erfolg, dass Barbara Parker als Sophie Straw Karriere macht. Wenngleich eine mit Hindernissen.
Ein Feuerwerk der Popkultur
Nach Büchern von (Nebendarstellerin) Morwenna Banks schießt Oliver Parker nämlich ein Feuerwerk der Popkultur ab, das beides ist: ästhetisch heillos überdreht und gesellschaftlich präzise. Mit Split-Screens, Super-8-Sequenzen und Originalmaterial der (alles andere als bunten) Sechziger, in die er seine Kunstfiguren gern schneiden lässt, bietet der Regisseur demnach funkensprühendes Historytainment für Ku’damm-Fans mit Humor.
Zum Glück aber zieht er ständig gläserne Decken in opulente Kulissen, an denen selbstbewusste Frauen wie Barbara alias Sophie nicht nur, aber besonders im Showbiz regelmäßig beim Versuch abprallen, ihre Rücken durchzudrücken. Nur: Diese Frau drückt einfach immer weiter, bis auch die letzte Konvention nachgibt. Sie lehnt Heiratsanträge ab, widerspricht Vorgesetzten, macht sich bewusst lächerlich, bleibt dennoch feminin und dient so im Testosteronbad des Comedy-Mainstreams als Role-Model ihrer Epigonen von Barbra Streisand bis Anke Engelke.
Abgründe wirkmächtiger Diskriminierungsmechanismen
Das ist manchmal ein bisschen dick aufgetragen. Verbündete wie Marjorie (Alexa Davies) oder Clive (Tom Bateman) sind zudem arg sympathieheischende Figuren. Und Barbaras notgedrungenes Intermezzo im Stripclub von Soho ist so unglaubwürdig, dass der Verdacht naheliegt, Oliver Parker habe halt die Gelegenheit beim langmähnigen Schopf gepackt, sein weibliches Personal auszuziehen.
Darüber hinaus aber gewährt „Funny Woman“ pfiffige bis tiefgründige Perspektiven auf die Abgründe wirkmächtiger Diskriminierungsmechanismen. Dazu zählt auch die „Beautyshaming“ genannte Unterschätzung schöner Frauen, denen viele noch immer nicht zutrauen, auch was im Kopf zu haben. Denn so artifiziell, exaltiert und sexy Gemma Arterton Hornbys Komikerin auch spielt: Ihr Grips ist deutlich größer als alles andere an ihr. Schön zu beobachten.
„Funny Woman“ ist bereits streambar bei Sky.