Puppenspieler im RND-Interview

50 Jahre „Sesamstraße“: „Man könnte mehr Ernies gebrauchen auf der Welt“

«Sesamstraße»: Seit 50 Jahren gibt es die  Kultsendung mit Ernie und Bert, Elmo und dem Krümelmonster bereits.

„Sesamstraße“: Seit 50 Jahren gibt es die Kultsendung mit Ernie und Bert, Elmo und dem Krümelmonster bereits.

Die deutsche „Sesamstraße“ feiert 50. Geburtstag! Auf den Tag genau (8. Januar) vor 50 Jahren startete das Programm, das Generationen von Kindern prägte. Zu dem Anlass gibt es im Ersten, bei Kika und im NDR Fernsehen mehrere Sendungen, unter anderem beginnt der Jubiläumstag mit einem „Tagesthemen Special: 50 Jahre Sesamstraße“ um 7.20 Uhr, moderiert von Caren Miosga und mit den Figuren Elmo, Wolle und Pferd im Schlepptau. Außerdem spricht das Krümelmonster seinen ersten „Tagesthemen“-Kommentar. Die Puppenspieler Carsten Haffke und Martin Paas verkörpern die Figuren Bert und Ernie seit 2006 und sprechen über die Sendung und die Kultpuppen:

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Das Krümelmonster spricht zum Jubiläum seinen ersten „Tagesthemen“-Kommentar. Wie politisch ist die „Sesamstraße“?

Paas: Die „Sesamstraße“ ist von sich aus sehr unpolitisch. Aber sie wird immer wieder politisiert, weil die Figuren sich sehr gut für Projektionen aller Art eignen. Dem Krümelmonster ist das vor ein paar Jahren widerfahren, als angekündigt wurde, dass es künftig nicht mehr nur Kekse isst, sondern hin und wieder auch etwas Gesundes. Daraus wurde in den Medien „Krümelmonster darf keine Kekse mehr essen“, und schon ist es irgendwie politisch. Aus Tagespolitik hält die „Sesamstraße“ sich heraus, aber sie bespielt große Themen wie Zusammenleben, Freundschaft und Konflikte – das wird natürlich schnell politisch, wenn man es möchte.

Haffke: Das ist nicht nur Krümels erster Kommentar, sondern ich glaube auch sein letzter. Er ist eigentlich eher an der Schönheit und dem wunderbaren Geschmack von Keksen interessiert und so gar nicht politisch.

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Puppenspieler Martin Paas spielt Ernie seit 2006. Darüber hinaus verkörpert er auch Wolle, das Schaf, und den Blauen, einen blauen Herrn mit sehr rundem Kopf.

Puppenspieler Martin Paas spielt Ernie seit 2006. Darüber hinaus verkörpert er auch Wolle, das Schaf, und den Blauen, einen blauen Herrn mit sehr rundem Kopf.

Größere Thematiken werden aber schon aufgegriffen – Corona war mit dem Abstandhalten mal Thema und die „Sesamstraße“ gibt es mittlerweile auch auf Ukrainisch ...

Paas: Die „Sesamstraße“ geht in den verschiedenen Ländern auf lokale Gegebenheiten ein. Es gibt etwa in der südafrikanischen „Sesamstraße“ ein HIV-positives Monstermädchen oder in der indonesischen „Sesamstraße“ zwei Freundinnen, von denen eine ein Kopftuch trägt und die andere nicht.

Glauben Sie, dass in der „Sesamstraße“ auch bald Energie gespart werden muss?

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Paas: Wir hatten das Thema sogar schon mal vor zwei, drei Jahren in „Eine Möhre für zwei“, einem „Sesamstraßen“-Spin-off. Da haben das Schaf Wolle und das Pferd gemerkt, wie verschwenderisch sie mit Ressourcen umgehen, und daraufhin mit viel Spaß Energie gespart. Da können Sie mal sehen, wie aktuell die „Sesamstraße“ ist (lacht).

Haffke: Stimmt, das war die Folge, wo Pferd und Wolle erst mal lernen müssen, dass Strom auch Geld kostet. Das wird mir auch immer erst klar, wenn bei uns zu Hause die Stromrechnung eintrudelt. Dann aktivieren wir die Strompolizei und lassen nur Dinge laufen, die wirklich nötig sind. Pferd und Wolle sind dann zu einem Windpark gefahren, um zu lernen, dass der Wind Strom erzeugen kann. Die „Sesamstraße“ ist nicht nur aktuell, sondern auch nachhaltig und umweltbewusst.

Puppenspieler Carsten Haffke spielt Bert, das Krümelmonster und Pferd.

Puppenspieler Carsten Haffke spielt Bert, das Krümelmonster und Pferd.

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Was haben Sie mit Ernie und mit Bert gemeinsam?

Paas: Ich bin ein waschechter Rheinländer und Ernie und ich sind ähnliche Frohnaturen. Und wir spielen beide Schlagzeug, ich jedoch nicht mehr so häufig. Vielleicht hat mich Ernie damals sogar dazu verführt. Ich habe 1973 als Kind schon die „Sesamstraße“ geguckt und gesehen, dass Ernie gerne mitten in der Nacht Schlagzeug spielt. Ich selbst habe meine Eltern gern um 6 Uhr morgens mit der Trompete geweckt. Das haben sie mir ausgeredet und ich durfte mir ein anderes Instrument aussuchen und habe sofort das Schlagzeug gewählt. Ich glaube inzwischen, dass Ernie was damit zu tun hat.

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Haffke: Bert und ich haben nicht so viel gemeinsam. Außer, dass ich mich sehr gerne mit meinen Sammlungen beschäftige, in Ruhe ein Buch lese oder mit meiner Lieblingstaube Brettspiele spiele. Glücklicherweise gewinnt sie auch nicht so oft.

Haben Sie selbst Kinder, die die „Sesamstraße“ schauen oder geschaut haben?

Paas: Ich habe ein Kind mit großgezogen in den 90er-Jahren. Ich war ein sehr junger Patchworkpapa, und da kreuzte die „Sesamstraße“ tatsächlich ein zweites Mal mein Leben. Ich habe sie mit meiner geschenkten Tochter sehr gerne für mich wiederentdeckt. Die „Sesamstraße“ um 18 Uhr war der einzige Grund, dass dieses Kind vom Spielen reinkommen wollte, und dann konnten wir in der Zeit entspannt das Abendbrot zubereiten. Die „Sesamstraße“ war als abendliches Ritual für Kinder sehr wichtig.

Haffke: Mittlerweile sind meine Kinder 18 und 21 und gucken „Sesamstraße“ nur noch, wenn ich ihnen Geld dafür biete. Kleiner Scherz. Sie waren als Kinder mal zu Besuch in der „Sesamstraße“, ich habe noch ein Foto von meinem damals zweijährigen Sohn, der zum ersten Mal Samson in voller Größe sieht. Und meine Tochter ist mal durch einen Vorspann getanzt und hat Luftblasen gefangen. Manchmal habe ich meine Kinder von unterwegs angerufen und sollte als Pferd mit ihnen sprechen. In einem voll besetzten Zug muss man aufpassen, dass man nicht für irre gehalten wird.

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Was kann die „Sesamstraße“ Ihrer Meinung nach Kindern beibringen?

Paas: Eine wichtige Botschaft der „Sesamstraße“ ist: Jeder ist anders, und das ist gut und richtig so. Man muss sich nicht dafür schämen, wer man ist, wie und was man ist. Das zweite große Thema ist, dass man zusammen mehr erreichen kann. Werte wie Freundschaft und Solidarität werden hochgehalten in der „Sesamstraße“. Die Sendung bereitet einen guten Boden für ein Zusammenleben.

Wären alle Menschen wie die Figuren in der „Sesamstraße“, wäre die Welt dann eine bessere?

Paas: Ich weiß es nicht. Ich möchte nicht mit Bert tauschen, der wahrscheinlich keine Nacht durchschläft, weil Ernie ihn immer wieder mit lustigen Ideen weckt. Und sich überwiegend von Keksen zu ernähren ist vielleicht auch nicht das Richtige. Aber in der Summe wäre es vielleicht sehr gesund, zuzulassen, dass alle Individuen unterschiedlich ticken, und ihnen diesen Freiraum zu lassen. Toleranz funktioniert bei Ernie und Bert seit 50 Jahren hervorragend. Sie sind absolute Gegenpole, aber akzeptieren sich so, wie sie sind. Über allem steht die Freundschaft der beiden, die offenkundig einiges aushalten kann. Das wird einem gut vorgelebt in der „Sesamstraße“.

Sind Ernie und Bert „nur“ beste Freunde oder ein Paar – darüber gibt es immer wieder Diskussionen. Was sagen Sie dazu?

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Paas: Für mich waren Ernie und Bert nie ein Paar. Unabhängig davon haben sie gar keine Unterleibe (lacht). Diese Diskussion kam Anfang der 80er-Jahre auf, als, soweit ich weiß, der Erzbischof von New Jersey verbieten wollte, dass Ernie und Bert in einem Zimmer übernachten. Das hatte die queere Szene dankbar aufgenommen. Ich finde das auch nachvollziehbar, aber zugleich werden die Figuren instrumentalisiert. Ernie und Bert sind einfach beste Freunde! Charaktere, die zeigen, dass man mit einer völligen Gegensätzlichkeit trotzdem etwas miteinander anfangen kann, solange man sich mag und den anderen so sein lässt, wie er ist. Der neugierige und fantasievolle Ernie ist für den strukturierten, aber in seinem Erlebnishorizont auch etwas beschränkten Bert und vielleicht auch für viele andere ein wichtiger Türenöffner. Ich finde, man könnte mehr Ernies gebrauchen auf der Welt.

Haffke: Die Figuren sehen durch Kinderaugen auf die Welt und versuchen, viele Dinge auf kindliche Weise einzuordnen. Ich finde, Bert ist gar nicht so beschränkt. Immerhin hat er seiner Lieblingstaube das Dame-Spielen beigebracht. Sie hat gegen ihn zwar erst zweimal gewonnen, aber immerhin …

Sie spielen Ernie und Bert seit 2006. Was haben Sie den Puppen Eigenes mitgegeben?

Paas: Das war eher umgekehrt, Ernie hat mir von Anfang an alles von sich mitgegeben. Ich hatte großen Respekt vor der Rolle. Ernie und Bert sind für mich Ikonen, die ich auf keinen Fall beschädigen möchte. Deshalb habe ich mich stark an Gerd Duwner orientiert, dem ersten deutschen Ernie-Sprecher. Wenn ich Ernie spiele, bin ich immer ein wenig mit angezogener Handbremse unterwegs. Ansonsten hat man mit Puppen völlige Narrenfreiheit und kann so richtig frech sein. Bei Ernie halte ich mich da etwas zurück. Ich glaube auch, dass ich Ernie etwas treuer geblieben bin, als Carsten es mit Bert macht. Der spielt Bert deutlich energetischer als den „alten“ Bert und gibt ihm mehr Comedyelemente.

Haffke: Ich spiele nie mit angezogener Handbremse. Mir macht das Puppenspielen so unglaublich viel Spaß, dass ich es gar nicht aushalten könnte, nicht alles zu geben. Ich verehre den ersten Spieler und Erfinder von Bert, Frank Oz, sehr und er hat die Figur immer wirklich witzig gespielt. Er hat mir damals einige gute Tipps gegeben und ich versuche noch heute, mich daran zu orientieren. Und natürlich halten wir uns auch an die Drehbücher, die unsere Charaktere ziemlich genau vorgeben. In denen wird auch berücksichtigt, dass man die Kinder da abholen sollte, wo sie sich gerade befinden. Zudem ist es ganz natürlich, dass man den Figuren etwas von sich mitgibt oder andersherum etwas von ihnen übernimmt. Ich sammle zum Beispiel auch sehr gerne Sachen und im nächsten Jahr habe ich vor, mir eine Monobraue wachsen zu lassen.

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