Brandenburger „Polizeiruf 110: Hermann“: ein Immobilienstreit und ein einsamer Kommissar
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Auf sich allein gestellt: Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz).
© Quelle: rbb/Maor Waisburd
Das Kraftzentrum des Brandenburger „Polizeiruf 110“ liegt jetzt bei Adam Raczek (Lucas Gregorowicz), einem sanften Mann, der die Kriminalität im Stile eines Strategiespielers bekämpft. Er haut nicht auf den Tisch, er schreit nicht rum, kein Schweiß, kein Jähzorn, nirgends. Doch er hat dieses Motorrad, und wenn die Drohnen ihn von oben filmen, aus der Vogelperspektive, dann ist man sich nicht ganz sicher, ob Raczek einfach ausbricht, vorbei am Tatort, immer weiter, zu einer hübsch gelegenen Yogaschule. Dort passt ein Mann wie Raczek hin.
Doch lassen wir das Spekulieren sein, steigen wir hinab ins Tagesgeschäft. Denn Raczek ist ein Traumatisierter. Er hat die Kollegin verloren. Olga Lenski (Maria Simon) stieg in der letzten Folge aus, hat sich irgendwie davongestohlen, keine Lust mehr auf den Dienst, ohne diesen Schritt nun übertrieben gründlich zu erklären. Raczek kümmert sich in der neuesten Folge „Hermann“ (5. Dezember) also vorerst alleine um das östlichste deutsche Pflaster, die Gegend an der Oder/Neiße um Frankfurt und Cottbus. Ihm zur Seite stellt der „Polizeiruf“ ein Kollegium, das in Cottbus wie in einem Krankenhaus platziert ist – weiter, kahler Raum, hinten piept es, ist das ein Fax, oder doch schon die Herz-Lungen-Maschine? Alles in allem klar das Gegenteil von einer Yogaschule.
Kommissar Raczek fasst Fuß
Raczek fasst hier trotzdem Fuß, und es berührt, dass ihm in Cottbus ausgerechnet zwei Kollegen assistieren, die als Schauspieler sonst oft im Schatten des Erfolges stehen: Kriminalhauptkommissarin Alexandra Luschke (Gisa Flake) und Markus Oelßner (Bernd Hölscher). Flake und Hölscher spielen häufig die Verschlagenen, Versehrten, verkehrt Positionierten, was auch mit ihrer Physiognomie zu tun hat, für die das träge deutsche Fernsehen nicht recht Verwendung hat. Hier sind sie Teil des Teams, das Raczek führt, auch wenn Hölscher wieder mal den schlecht gelaunten Höllenhund und Konkurrenten geben muss.
Die Geschichte ist ein wenig kompliziert und leider nicht besonders packend. Es wird nicht flüssig durchargumentiert (Drehbuch: Mike Bäuml, Regie: Dror Zahavi), was rein logisch auch nicht möglich ist, weil hier juristisch vieles in den Graubereich verladen wird. Keine schlechten Menschen laufen durch die Bilder, sondern ein Gefühl von Gegenwart wird ausgerollt, das immer noch von der Vergangenheit belastet wird. Und schlecht sind ganz bestimmt nicht dieser Vater und die Tochter, zu zweit im Auto, ganz zu Anfang führen sie uns in den Film: Die Spielmanns sind Juden, der Vater (Dov Glickmann) saß im Vernichtungslager, als einziger seiner Familie hat er überlebt. Er spricht noch etwas Deutsch, am geläufigsten ist ihm „Arm Arsch“, eine Redewendung aus dem Lager, bevor es Prügel gab.
Streit um die familieneigene Immobilie
Sie fahren von Berlin nach Cottbus, um im Streit um die familieneigene Immobilie vor dem Richter auszusagen. Das Haus wollen sie an den lachhaft schmierig gezeichneten Spekulanten Winkler (Sven-Eric Bechtolf) verkaufen, mehr Hai als Mensch, doch es gibt Probleme. Denn nicht allein die Spielmanns äußern Anspruch auf die teure Immobilie, sondern auch die Familie Behrend, die weiterhin in Cottbus lebt. Früher, in der Nazi-Zeit, waren die Spielmanns und die Behrends Nachbarn, die kleine Elisabeth (Monika Lennartz) spielte mit dem kleinen Hermann, der jetzt mit seiner Tochter vor Gericht zieht, um die verknoteten Besitzansprüche aufzuklären.
Die Ingenieurin Daniela Nowak hätte helfen können, sie war mit dieser Immobilie gut vertraut und leitete die Restaurierung. Doch Nowak wird tot aufgefunden, bei der Entsorgung von Bauschutt. Beiden Seiten, den Spielmanns und den Behrends, hat sie Unterlagen zugesagt, die ihre jeweilige Sicht des Rechtsanspruchs angeblich stützen. Hat sie die zwei Parteien ausgespielt, um sich zu bereichern? Optisch ohne großen Ehrgeiz wird der Frage nachgegangen, die Geschichte müht sich um Versöhnung und sie sucht ein Bauernopfer. Krimi-Alltag mit guter Absicht, mühsam und glanzlos inszeniert.
Der „Polizeiruf: Hermann“ wird am 5. Dezember ab 20.15 Uhr im Ersten gezeigt.