Phänomen „Dramedy“: Warum uns Serien wie „Fleabag“ so bewegen

Brett Gelman und Phoebe Waller-Bridge in der Amazon-Serie „Fleabag“.

Brett Gelman und Phoebe Waller-Bridge in der Amazon-Serie „Fleabag“.

Hannover. Gerade hast du noch euphorisch gelacht – und dann läuft ein Fuchs durchs Bild und du sitzt heulend vor dem Laptop. Wer diese Situation nicht kennt, der hat vermutlich niemals „Fleabag“ gesehen. Die Produktion mit dem wohl schönsten Serienende aller Zeiten.

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Einem breiten Publikum dürfte die Serie rund um Phoebe Waller-Bridge bekannt geworden sein, weil sie im September gleich drei Emmys abgeräumt hat. Bis dahin war „Fleabag“ eher was für die Nische, irgendwo versteckt im Überangebot des Streamingdienstes von Amazon Prime Video – und doch mit einigen begeisterten Anhängern, wie etwa Ryan Reynolds.

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Das „Traumedy“-Phänomen

Doch was macht „Fleabag“ so besonders? Die Sache mit dem Fuchs eben. Die Serie schleudert den Zuschauer ab der ersten Minute einmal quer durchs Gefühlskarussell. Mal ist es wahnsinnig nervig, dann lustig, dann spannend, dann todtraurig – und man wird als Zuschauer nicht mal vernünftig darauf vorbereitet.

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Doch das ist nicht alles: Die Charaktere von „Fleabag“ sind so wunderbar nahbar. Weil die Serie ganz schonungslos und unverschnörkelt das Leben zeigt. Und das ist eben nicht nur lustig und traurig, sondern auch mal ziemlich ekelig, zynisch und schmerzhaft.

Die Streamingdienste dieser Welt haben sich für das „Fleabag“-Genre längst einen eigenen Namen ausgedacht: Traumedy. Im englischsprachigen Raum werden Serien dieser Art auch häufig „Tragicomedies“ genannt, hierzulande würde man wahrscheinlich den Begriff „Dramedy“ verwenden. Alle Vertreter des Genres vereint etwas: Sie alle verarbeiten in ihrer Handlung ein schlimmes Ereignis oder ein gänzlich kaputtes Leben – und nutzen dafür das Mittel des Humors.

Welche „Traumedy“-Serien gibt es?

In „Fleabag“ geht es beispielsweise um eine junge Frau, die in der Serie nicht mal einen Namen hat. Sie ist rücksichtslos, arrogant und dabei ziemlich selbstbewusst. Sie bummst sich quer durch London und rettet sich immer wieder in den Zynismus. Doch über allem schwebt ein großes Schicksal: Der Tod ihrer besten Freundin Boo, für den sie in gewisser Weise mitverantwortlich ist. In der Serie durchbricht Waller-Bridge regelmäßig die vierte Wand und wendet sich – ähnlich wie Frank Underwood in „House of Cards“ – an den Zuschauer.

Eine ganz ähnliche Erzählweise verfolgt die weitaus unbekanntere Serie „Please Like Me“ (Netflix). Sie erzählt die Geschichte des 21-Jährigen Josh, der seine Homosexualität entdeckt. Nicht nur der Hauptdarsteller sondern auch dessen Freunde und Partner sind so kaputt und gleichzeitig so liebenswürdig, dass man am liebsten gleich mit in die gemeinsame WG einziehen möchte. Auch bei „Please Like Me“ überschattet eine große Tragödie die Handlung: Der Suizidversuch von Joshs Mutter, der über vier Staffeln hinweg eine große Rolle spielt.

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Emily Barclay, Josh Thomas und Thomas Ward aus der Serie "Please like me".

Emily Barclay, Josh Thomas und Thomas Ward aus der Serie "Please like me".

Und dann wäre da noch „One Mississippi“ – eine halb-autobiografische Serie von Tig Notaro, die ebenfalls bei Amazon läuft. Die Radiomoderatorin verliert nach einer Krebsdiagnose beide Brüste, muss zugleich den Verlust ihrer Mutter verkraften und beendet dann auch noch ihre Beziehung. Auch in „One Mississippi“ geben sich Humor und Trauer das Taschentuch in die Hand. Als weitere Vertreter des Genres werden Serien wie etwa „Crashing“, „Dead to Me“ und „My Mad Fat Diary“ gehandelt.

Das Leben ist schmerzhaft, aber lustig

Was alle Serien vereint, ist – neben der gehörigen Portion Drama – vor allem das Verhalten der Protagonisten. Denn sie alle sind so wunderbar unperfekt. Damit unterscheiden sich Serien wie „Fleabag“ und „Please Like Me“ ziemlich deutlich von den Mainstream-Streaming-Produktionen, mit denen man natürlich auch mal Lachen und Weinen kann und deren Protagonisten natürlich auch mal Probleme haben. Allerdings sehen sie dabei meistens sehr blendend aus und irgendwann wird schon wieder alles gut.

Die Serien aus dem „Traumedy“-Genre wollen gar nichts blendend aussehen lassen, und manchmal bleibt es auch einfach scheiße. Sie zeigen das Leben so schonungslos, wie es manchmal eben sein kann. In „Please Like Me“ gehören dazu auch Themen wie Suizid oder Abtreibungen oder zerstörte Freundschaften, in „One Mississippi“ der Umgang mit dem Sterben.

Dass die Serien zur Verarbeitung dieser Themen Humor nutzen, ist laut der Psychiaterin Gail Saltz kein Zufall: „Humor ist der ausgefeilteste Abwehrmechanismus, den es gibt“, erklärte sie kürzlich gegenüber dem Gesundheitsmagazin „Well and Good“, das sich in einem Artikel dem „Traumedy“-Phänomen widmete. „Humor ermöglicht es uns, belastende Informationen zu verarbeiten und gleichzeitig zu steuern, wie viel wir tatsächlich in einem Moment aufnehmen. Auf diese Weise können wir steuern, wie ängstlich es uns macht.“

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Stephanie Allynne und Tig Notaro in einer Szene aus der Serie "One Mississippi".

Stephanie Allynne und Tig Notaro in einer Szene aus der Serie "One Mississippi".

Wenn sich der Zuschauer nicht mehr allein fühlt

Auch „Fleabag“-Star Waller-Bridge hält den Umgang ihrer Serie mit den Problemen des Lebens für wichtig: „In erster Linie gucken wir Serien, um uns unterhalten zu lassen“, sagte sie kürzlich in einem Interview mit dem „Guardian“. „Und das reale Leben von uns Frauen ist ziemlich unterhaltsam – wenn es authentisch erzählt wird. Und wenn sich die Zuschauer durch die Geschichte ein bisschen weniger allein fühlen, ist das umso besser.“

Ein trauriger Umstand vereint allerdings alle genannten Serien: Sowohl „Fleabag“ als auch „Please Like Me“ und „One Mississippi“ sind bereits abgedreht, weitere Staffeln wird es nicht geben. Das macht zwar alle Produktionen in gewisser Weise zu Legenden – für Fans ist es trotzdem überaus traurig. Aber Humor soll da ja bekanntlich helfen.

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