TV-Interview mit Patientenmörder Niels Högel war nicht genehmigt: „Bewusst getäuscht und hintergangen“
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Der Patientenmörder Niels Högel.
© Quelle: Mohssen Assanimoghaddam/dpa
Oldenburg. Die Justizvollzugsanstalt Oldenburg wirft einer TV-Produktionsfirma vor, für eine Dokumentation über den Patientenmörder Niels Högel ein nicht genehmigtes Interview mit dem Inhaftierten geführt und in der Sendung verwendet zu haben. Wiederholte TV-Interviewanfragen des Unternehmens filmpool Entertainment GmbH habe die Anstaltsleitung „nachdrücklich abgelehnt“, sagte die stellvertretende Leiterin der JVA, Anna Abraham, der Oldenburger Nordwest-Zeitung (Donnerstag).
Der Streamingdienst TV-Now des Senders RTL hatte die Dokumentation über den Fall Högel am Montag veröffentlicht. Neben vielen weiteren Beteiligten an dem Fall kommt darin der verurteilte Mörder selbst zu Wort. Opfer-Vertreter und Experten reagierten empört auf das Interview.
JVA fühlt sich „bewusst getäuscht und hintergangen“
Abraham sagte, Högel und die Produktionsfirma hätten nach der Ablehnung der Interviewanfrage „offensichtlich die Telefonmöglichkeit des Gefangenen genutzt, um gleichwohl ein Audio-Interview zu realisieren“. Die JVA sehe sich „bewusst getäuscht und hintergangen“. Nachdem in der vergangenen Woche erste Hinweise für den Vorfall vorlegen hätten, seien „die Telefonmöglichkeiten des Gefangenen unverzüglich eingeschränkt“ worden.
Abraham betonte, dass Fernsehinterviews mit Gefangenen und Filmaufnahmen in einer Justizvollzugsanstalt von der Anstalt und in einem zweiten Schritt vom Niedersächsischen Justizministerium genehmigt werden müssen. Sie bedauere die für Opfer und Hinterbliebene als unerträglich empfundene Veröffentlichung. Die mediale Aufmerksamkeit verstärke „den Geltungstrieb und die Selbstinszenierung des Gefangenen“ und sei „mit der Behandlung von Herrn Högel nicht vereinbar“.
Die RTL-Gruppe hatte am Montag zur Kritik an der Serie erklärt, der „sensible Umgang mit dem Empfinden der Opfer“ habe bei der Erstellung der Doku immer höchste Priorität gehabt. Man habe alle Interviewpartner vorab darüber informiert, dass auch ein O-Ton-Interview mit Högel Bestandteil der Sendung sein werde und deren Einverständnis dafür erhalten, hatte eine Sprecherin von TVNOW dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitgeteilt. Dass Högel sich auch in der Sendung zu seinen Taten äußere, halte man „aus Gründen der journalistischen Ausgewogenheit für geboten“.
Der ehemalige Krankenpfleger Högel war am 6. Juni 2019 vom Oldenburger Landgericht wegen zusammen 85 Morden im Klinikum Oldenburg und dem Krankenhaus Delmenhorst zu einer lebenslangen Haft verurteilt worden. Er hatte nach Überzeugung des Gerichts seine Patienten mit Medikamenten vergiftet, die zum Herzstillstand führten, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er als Lebensretter glänzen.
RND/epd