Netflix-Hit „Halston“: „Mad Men“ im Modebusiness

Ewan McGregor in der Netflix-Serie „Halston“.

Ewan McGregor in der Netflix-Serie „Halston“.

Wer etwas wirklich Außergewöhnliches erschafft, braucht dafür weder Marketing noch Mediengetöse, sondern einfach – nun ja: etwas wirklich Außergewöhnliches. Von daher zeugt es von feuilletonistischer Größe, dass Netflix nach seiner Schachserie „Das Damengambit“ auch für den nächsten Coup auf beides verzichtet: Praktisch ohne PR ging das fünfteilige Biopic „Halston“ online. Und nach Ansicht dreier Folgen zeigt sich: Auch dieses Streamingformat spricht besser für sich als alle Werbestrategen.

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Im Zentrum steht der leibhaftige Roy Halston Frowick, jahrzehntelang ein Topstar am New Yorker Modehimmel, den jeder nur beim Zweitnamen nannte. Halston halt, Herr einer massentauglichen Luxusmarke wie damals nur Ralph Lauren. Schon als Kind, das zeigen uns Rückblicke in die Zwischenkriegszeit seiner ländlichen Heimat, näht er seiner Mutter zum Trost für die Schläge ihres Mannes einen Hut mit Hühnerfedern, der unschwer als Vorlage jenes Modells erkennbar ist, das ihn 25 Jahre später dank Jackie Kennedy weltbekannt machte.

Abgrund aus Drogen, Gier und Aids

Doch Halston will mehr: der größte Modemacher Amerikas werden. Mindestens. Also begleitet ihn Regisseur Daniel Minahan nach Drehbüchern von Ian Brennan und Ted Malawer durch die Zeit seiner Erfolge und Niederlagen. Anfang der Sechziger, Schlipse waren noch schmaler als das Ego ihrer Kunden, hatte der progressive Modemacher aus dem reaktionären Iowa Amerikas Jetset halsaufwärts eingekleidet. Anfang der Siebziger dann, die Krawatten der Männer sind nun breiter als ihre Chevys, will Halston heimische Haute Couture für den globalen Markt kreieren und damit steinreich werden.

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Das gelingt ihm mit einer Melange aus Charme, Kreativität und Ehrgeiz, die ihm auch beim Erobern des spröden Ed (Sullivan Jones) in einer Schwulenbar verhilft, expliziter Analsex inklusive. Halston, zweite Lektion der 45-minütigen Geschichtsstunden übers Modebusiness, kriegt eben alles. Immer. Oder um es mit der Gattin eines texanischen Ölbarons auszudrücken, der er 100.000 Dollar fürs Atelier mit Showroom im Herzen New Yorks abknöpft: „Der könnte einem Leoparden die Flecken ausreden“. Und vermutlich durch Batikmuster ersetzen.

Denn Halstons ebenso waghalsige wie wegweisende Kleiderkreationen, Lektion Nummer drei, verbinden das, was die USA bis heute zur kulturellen Weltmacht machen: kreative Inspiration und kapitalistischer Pragmatismus. Damit erobert er nach dem Jeansland USA sogar das Modemekka Paris – was mit jeder Serienminute mehr in den Abgrund aus Drogen, Gier und Aids führt, spektakulär begleitet von Halstons Muse Liza Minnelli (Krysta Rodriguez). Um diesen Flug des Phoenix in so brillanter Ästhetik zu inszenieren, hat Netflix aber auch die letzte Lektion zeithistorischer Filmporträts gelernt: Finde einen Hauptdarsteller, der den Porträtierten erreicht, ohne ihn zu karikieren.

Oberflächliche Welt des schönen Scheins

Womit wir bei Ewan McGregor wären. Der Schauspieler aus Schottland verleiht dem Gernegroß aus New York eine Grandezza zum Niederknien, die zwischen Brillanz und Arroganz noch genügend Raum für menschliche Entwicklungsschritte lässt. Zumindest auf Englisch. Denn Philipp Moogs Synchronisation näselt McGregors Original von Anfang an Richtung homophobes Klischee – was schon deshalb schade ist, weil Halston sich für den Erfolg bewusst dazu entscheidet, snobistisch zu klingen.

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Und genau da liegt abseits der famosen Kostüme und Kulissen das wahre Alleinstellungsmerkmal dieser Modeschöpfervariation von „Mad Men“: Am Beispiel eines Selfmadeemporkömmlings der oberflächlichen Welt des schönen Scheins zeigt sie, wie rasch die Täter der Selbstoptimierungsgesellschaft deren Opfer werden. Wie gnadenlos Revolutionen ihre Kinder fressen. Und wie sehenswert menschliche Achterbahnfahrten sind, wenn sie mit so dezenter Liebe zum Detail dramatisiert werden.

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