Söder über Wahlkampf mit Laschet: Eindruck von Differenzen hätte man „besser zerstreuen sollen“

Auch der zugeschaltete bayerische Ministerpräsident Markus Söder zeigte sich über den festegestellten Impfstoffmnangel überrascht. Es sei ein weiteres "entmutigendes Signal".

Auch der zugeschaltete bayerische Ministerpräsident Markus Söder zeigte sich über den festegestellten Impfstoffmnangel überrascht. Es sei ein weiteres "entmutigendes Signal".

„Wir wollten einen versöhnlichen Jahresrückblick machen und landen in einem Brennpunkt.“ Markus Lanz fiel zügig selbst auf, dass seine traditionelle Sondersendung zum Jahresausklang diesmal einen ganz anderen Charakter hatte als gewohnt. Wenig zurücklehnende Retrospektive, wenig Baden in Erinnerungen - zumindest zu Beginn. Denn da hatte Lanz den Mann zu Gast, der auch in seinen regulären Talk-Ausgaben im ZDF ein Dauerabo darauf hat, die Dramatik des Moments zu erklären: Karl Lauterbach, der neue Gesundheitsminister. Wie hätte diese Sendung auch ohne ihn stattfinden können?

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Dass Lauterbach mitten in der vierten Pandemiewelle keine Muße hat für den womöglich auch noch verklärenden Blick zurück, erschien begreiflich. Der Mann hat drängende Probleme im Hier und Jetzt. Zum Beispiel die Impfstoff-Menge, die ihm sein Vorgänger im Amt überlassen hat.

Karl Lauterbach: „Ich unternehme einfach alles, was ich kann“

Es gebe Impfstoff im Zentrallager in Niedersachsen, erklärte Lauterbach, Impfstoff im Pharmagroßhandel, Impfstoff in den Praxen, Impfstoff, der bestellt sei, der Impfstoff, der lediglich optioniert sei. Furchtbar kompliziert zu machen sei da so eine Inventur, die er gerade veranlasst hat. Dass die erhobene Menge für die aktuelle Booster-Kampagne nicht mehr lange reicht, ist für ihn allerdings unzweifelhaft.

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Pikierte Einwände seitens der CDU („Karl Lauterbach ruft Feuer, um dann Feuerwehr zu spielen - obwohl er weiß, dass es gar nicht brennt“) wies der neu berufene Bundesminister zurück. „Ich wünschte, die Zahlen, die die Union vorträgt, wären richtig.“ Fakt aber sei, dass es vorn und hinten nicht reiche. Welch eine bittere Pointe: „Ich versuche, notfallmäßig Impfstoff aus osteuropäischen Ländern zurückzukaufen“, erläuterte Lauterbach sein Tun. Dort gebe es derzeit keinen ausreichenden Bedarf an den auch aus Deutschland gelieferten Vakzinen. „Ich unternehme einfach alles, was ich kann, um die Impfkampagne, die wir fahren, ununterbrochen durchführen zu können.“

Seinem Vorgänger Jens Spahn wollte er ausdrücklich „keinen Vorwurf“ machen, vielleicht habe der eine andere Strategie verfolgt. Es war Lauterbachs ehrenwertester, aber am wenigsten glaubhafter Satz an diesem Abend. Auch weil die Ethikratsvorsitzende Alena Buyx daran erinnerte, was auf dem Spiel steht: „Es rollt auf uns etwas zu, nämlich die Omikron-Variante, dabei ist das Gesundheitssystem jetzt schon wirklich am Anschlag.“

„Ich spüre das Amt, es ist ein schweres Amt“, bekannte Lauterbach. Bei der Sterblichkeit stehe Deutschland inzwischen schlecht da im Vergleich zu seinen Nachbarländern. „Das ist für mich bestürzend“, klagte der Epidemiologe und Gesundheitspolitiker, der parteiübergreifend, aber vor allem getragen von breiter gesellschaftlicher Zustimmung ins Amt regelrecht hineingelobt wurde. Hinter den Todesbilanzen, daran erinnerte er auch, stünden menschliche Schicksale.

Markus Söder: „Einen Baum zu umarmen, ist schöner als einen Betonpfeiler“

Niemand weiß das besser als der Intensiv-Krankenpfleger Ralf Berning, ein oft gesehener Talkshow-Gast im zu Ende gehenden Jahr. Als er das letzte Mal bei Lanz war, berichtete er von vier Patienten, die innerhalb einer einzigen Frühschicht intubiert werden mussten. Was aus ihnen geworden ist? „Drei davon sind verstorben.“ Berning: „Das ist knüppelhart, was wir psychisch ertragen müssen.“ Das „Kernproblem“, in seinen Augen der Personalmangel auf den Intensivstationen, werde noch immer zu wenig gesehen, zu wenig diskutiert.

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Ob angesichts dieser Problemlage Markus Söder doch ganz froh ist, „nur“ den Freistaat Bayern regieren zu müssen und nicht das ganze Land? Die Frage stellte Markus Lanz dem zugeschalteten CSU-Chef nicht, wohl aber die, ob er als Kanzlerkandidat auch Kanzler geworden wäre. „Das kann man nicht sagen. Ich denk da nicht groß drüber nach“, kam eine ebenso erwartbare wie fragwürdige Antwort.

Aber so ist er eben, der gewiefte Machtstratege aus Franken. Sagen ja sogar die eigenen Leute, die Lanz anonym zitierte: „Der Söder schafft es, morgens den Baum zu umarmen, den er nachmittags umhaut.“ Müdes Griemeln auf dem Studiobildschirm. Alles Klischees! Den berühmten Baum fürs Pressefoto habe er nur auf Anraten des Fotografen umarmt, entgegnete Söder ungerührt. Und überhaupt: „Einen Baum zu umarmen, ist schöner als einen Betonpfeiler.“ Ein Zitat, das man direkt auf einen Messingteller gravieren will.

Dieses Pressebild Markus Söder neben einem Baum im Hofgarten hinter der bayerischen Staatskanzlei sorgte in den sozialen Netzwerken für Belustigung. (Archivbild)

Dieses Pressebild Markus Söder neben einem Baum im Hofgarten hinter der bayerischen Staatskanzlei sorgte in den sozialen Netzwerken für Belustigung. (Archivbild)

Lars Klingbeil: Lacher von Armin Laschet „hat sich festgebrannt“

Und was war nun mit den Dauersticheleien gegen den letztlich glücklosen Bewerber von der großen Schwesterpartei? Da muss die Öffentlichkeit kollektiv einer Art Fatamorgana aufgesessen sein. Söder: „Was ich mir vorwerfe, ist, dass es nicht besser gelungen ist, den Eindruck zu zerstreuen, wir seien nicht einig gewesen.“ Nur gut, dass Armin Laschet nicht in Reichweite saß.

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Der große politische Verlierer des Abends war später noch mal Thema. Lars Klingbeil, der sich nur halbherzig widersprochen als „Kanzlermacher“ vorstellen ließ, blickte auf den von ihm so erfolgreich orchestrierten SPD-Wahlkampf zurück. „Das Lachen von Armin Laschet war ein Wendepunkt in diesem Wahlkampf“, urteilte der Ex-Generalsekretär und neue Parteichef unnachgiebig. Er habe sich das Video, das Laschet gackernd im Flutgebiet während einer Ansprache des Bundespräsidenten zeigt, „sechs, sieben Mal angeguckt und gedacht, das kann nicht sein“. Klingbeil: „Dieses Bild von Armin Laschet hat sich festgebrannt.“

Es war auch sein Jahr: Lars Klingbeil gilt als "Kanzlermacher". Der Lohn: Er wurde vom SPD-Generalsekretär zum Parteivorsitzenden befördert.

Es war auch sein Jahr: Lars Klingbeil gilt als "Kanzlermacher". Der Lohn: Er wurde vom SPD-Generalsekretär zum Parteivorsitzenden befördert.

Im weiteren Sendungsverlauf ging es gefühlt Schlag auf Schlag. Gerald Asamoah und die Ruder-Olympionikin Carlotta Nwajide sprachen eindringlich über strukturellen Rassismus in und Sport und Gesellschaft. Die afghanische Kommunalpolitikerin Zarifa Ghafari und der Brigadegeneral Jens Arlt ordneten den chaotischen Abzug der internationalen Truppen aus dem Hindukusch ein und thematisierten die humanitäre Katastrophe, die sich nun im Land vollzieht. Die kennt der Mediziner Tankred Stöbe von „Ärzte ohne Grenzen“ aus eigener Anschauung. In Afghanistan gebe es schon jetzt „Kinder, die nur noch Krochen und Haut sind“.

Bilanz zur Flutkatastrophe: „Diese Katastrophen werden immer wahrscheinlicher“

Angereist aus den USA war Washington-Korrespondent Elmar Thevesen. Er hatte den Polizisten Michael Fanone mitgebracht, der beim Sturm auf das Capitol einen Herzinfarkt erlitt und die verstörenden Szenen mit der Bodycam filmte. „Mir ging durch den Kopf, wie kann ich das überleben?“, rekapitulierte er im Studio die unfassbaren Ereignisse. Thevesen ordnete sie politisch ein: „Es war der Gipfel eines Umsturzversuches, gesteuert aus dem Weißen Haus.“

Zuletzt ging es um die Flutkatastrophe, die Teile von Nordrhein-Westfalen und von Rheinland-Pfalz in ungekannter Härte verwüstete. Cornelia Weigand, Bürgermeisterin von Altenahr, rang angesichts des Unbeschreiblichen oft um Worte und fand stes die richtigen. Viele Menschen in ihrer Heimatregion seien mit dem Wiederaufbau ihrer beschädigten oder zerstörten Wohnhäuser beschäftigt, andere hätten wegen Albträumen und Todesangst aufgegeben.

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„Dass diese Katastrophen immer wahrscheinlicher werden, ist wirklich keine Neuigkeit“, rechnete der Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens das Extremwetterphänomen aus dem vergangenen Sommer dem Klimawandel zu. Bis zu neunmal höher sei das Risiko für solche Extremwetterereignisse in Westeuropa geworden. „Und die Wahrscheinlichkeit wird weiter steigen.“ Steffens: „Die Umwelt diktiert unser Leben und nicht wir die Art, wie die Umwelt funktioniert. Es gibt keinen Weg da raus.“ Wie es aussieht, könnten auch die kommenden Jahresrückblicke bei Markus Lanz einiges an „Brennpunkt“-Flair behalten.

RND/Teleschau

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