„Schadet dem Westen mehr als Russland“

Energie-Embargo: Peter Tschentscher warnt bei Markus Lanz vor „wirtschaftlichem Desaster“

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).

Deutschland im Zwiespalt zwischen Sanktionen gegen Russland und der eigenen Energieversorgung: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher positionierte sich bei „Markus Lanz“ am Dienstagabend klar gegen einen Importstopp. Man müsse sich bei diesen Embargos - bezogen auf Kohl, Öl und Gas - schließlich fragen: „Wo ist die Hauptwirkung?“ Der SPD-Politiker berichtete im ZDF-Talk von einer Analyse zu einem möglichen Energie-Embargo, die auch Kanzler Olaf Scholz vorliege. Diese besage: „Es schadet dem Westen mehr, als es Russland schadet.“

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Welche Folgen hätte es, wenn kein Gas mehr fließt? „Was das sofort für uns auch wirtschaftlich bedeutet“, sei laut Tschentscher immens. „Wir haben eine hohe Abhängigkeit in unserer Energieversorgung von russischem Gas und Öl“, stellte er klar. Lanz warf ein, dass der Hamburger Hafen „die Drehscheibe“ für den Handel mit Russland war. Tschentscher relativierte zwar dahingehend, dass dies nur wenige Unternehmen betreffe, sah die Problematik aber woanders: „Wir sind einer der größten Energiestandorte Europas, da geht es sehr viel um Energieversorgung.“ Wenn Gas und Kohle in der Hafenstadt fehlen würden, würde dies auch zu „erheblichen Ausfällen an Produktionen“ führen.

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„Ich finde die Strategie der Regierung wichtig, jetzt zu diversifizieren“, so der Hamburger Bürgermeister bezogen auf Energieimporte aus anderen Regionen. Nun könne man auch LNG-Importe vornehmen, was vorher nicht ginge. Es sei aber wichtig, sich von Russland in Energiefragen unabhängig zu machen, „ohne ein wirtschaftliches Desaster“ zu erleiden.

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Lanz wollte wissen: Könnte man in Niedersachsen Fracking-Gas gewinnen? „Das ist ja gar nicht unser Ziel, Fracking-Gas zu haben“, betonte Tschentscher. „Wir wollen das Gas im Grunde ja nur als Übergangstechnologie nutzen, bis wir mit unserer regenerativen Energieproduktion ausreichend gut aufgestellt sind.“ Verglichen mit Kohle und Öl sei Gas in Sachen Klimabelastung auch „viel freundlicher“.

2,7 Milliarden aus der EU für Putin

Gegenwind bekam Tschentscher von „taz“-Redakteurin Anna Lehmann: „Ich kenne keine Studie dazu“, erklärte sie zu dessen These, der Westen sei härter betroffen als Russland selbst. Es gebe durchaus einen Streit unter Ökonomen darüber, was ein Energie-Importstopp für die deutsche Wirtschaft bedeute. Nach Ansicht der Journalistin liege der Fehler aktuell darin, dass man sich eher mit der Frage „Was heißt das denn für uns?“ beschäftige als mit der Frage „Was heißt das denn für diesen Krieg und was heißt das für Russland?“ Auch durch das Entlastungspaket der Bundesregierung entstehe der Eindruck: „Wir kümmern uns gerade mehr um unsere Sicherheit [...] als um die Sicherheit der Ukrainer.“

Laut Lehmann werde die Möglichkeit, dass ein mögliches Embargo einen Beitrag zum Ende des Krieges leisten könne, nicht zu Ende diskutiert. Stattdessen werde immer wieder betont, dass dies gravierende Auswirkungen hätte - was Lehmann selbst einräumte - und die Kosten für den Westen höher seien als für Russland. „Ist das wirklich so?“, stellte Lehmann eine rhetorische Frage. Schließlich würden sich 40 Prozent der russischen Wirtschaft auf Energieexporte stützen.

Gastgeber Lanz wies zudem darauf hin, dass trotz bereits verhängter Sanktionen Russland weiterhin auf dem Weltmarkt „alles, was das Herz begehrt“ einkaufen könne. „Die Gazprom-Bank, die Sberbank, die beiden entscheidenden Banken, sind beide von diesen Swift-Sanktionen ausgeschlossen.“ Das Geld würde nach wie vor dahin fließen. „Seit Kriegsbeginn, so schätzen Leute, hat Putin 2,7 Milliarden nur aus der EU überwiesen bekommen“, erklärte Lanz.

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Tschentscher: „Wir haben ganz praktische Notwendigkeiten“

Peter Tschentscher entgegnete, dass das Sanktionssystem aber darauf beruhe, dass bestimmte Waren nicht mehr geliefert und Vermögenswerte eingefroren würden. Nach Ansicht des Hamburger Bürgermeisters sei es zudem „zu theoretisch“, den Energiebedarf abzugleichen und sich vorzustellen, was passiere, wenn die Energie aus anderen Ländern kommt. „Wir haben ganz praktische Notwendigkeiten“, unterstrich der SPD-Politiker.

„Und ich kann ihnen sagen: Wenn wir über Nacht kein russisches Gas mehr bekommen, passiert im ersten Moment wenig, aber im zweiten Moment wird es zu erheblichen Einbußen kommen.“ Gemeint war die Industrie, die auf russisches Gas angewiesen ist. „Wir helfen wirklich niemandem, wenn wir jetzt zusätzlich noch Not und Elend hier in Deutschland auslösen“, ohne zu wissen, ob dies auch einen wirklichen Effekt auf Russland habe. Journalistin Lehmann reagierte mit einer Mischung aus Seufzer und süffisantem Lächeln.

RND/Teleschau

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