“Killing for Love”: Fesselnde Doku über vermeintlichen Doppelmörder Jens Söring
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Empfangen wie ein Star: Jens Söring bei seiner Ankunft in Deutschland.
© Quelle: imago images/Nordphoto
Die Erleichterung ist ihm anzusehen: Jens Söring hat weit mehr als die Hälfte seines Lebens in amerikanischen Gefängnissen verbracht. Nun ist er sichtlich froh, wieder in Deutschland zu sein. Der Medienrummel bei seiner Ankunft auf dem Frankfurter Flughafen im Dezember 2019 ist eines Popstars würdig, doch der mittlerweile 53 Jahre alte Söring ist ein verurteilter Mörder, der 1985 angeblich die Eltern seiner Freundin Elizabeth Haysom ermordet hat.
Marcus Vetter und Koregisseurin Karin Steinberger haben Sörings Geschichte bereits in dem Dokumentarfilm “Das Versprechen” erzählt: Der Sohn eines Konsularbeamten hat die Tat damals gestanden, allerdings nur, wie er später aussagte, um Elizabeth vor der Todesstrafe zu schützen. Er war überzeugt, er genieße wie sein Vater diplomatische Immunität, werde nach Deutschland überstellt und dort nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Der Plan ist gründlich misslungen: Söring wurde zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt, seine Freundin wegen Anstiftung zum Mord zu zweimal 45 Jahren.
“Extended Version” des Films “Das Versprechen”?
Nun erzählen Vetter und Steinberger die Geschichte ein zweites Mal. Auf den ersten Blick wirkt die vierteilige Doku “Killing for Love” wie die “Extended Version” des Films, der 2016 im Kino und 2018 im Ersten lief. Tatsächlich tauchen die Mitwirkenden von damals alle wieder auf: Die einstigen Ermittler wundern sich, dass einige ihrer Ergebnisse nie vor Gericht verwendet worden sind. Und es ist immer noch seltsam, dass das Täterprofil eines FBI-Mitarbeiters, das Söring entlastet hätte, während des Prozesses nie zur Sprache gekommen ist, weil es angeblich gar nicht existiert.
Weitere Zeitzeugen sind der Richter sowie ein Privatdetektiv, der den Fall nach über zwei Jahrzehnten wieder aufgerollt hat und auf diverse Ungereimtheiten und Widersprüche gestoßen ist. Selbst der Song “I Put a Spell on You” (“Ich hab’ dich verhext”) erklingt erneut: weil Söring seiner Ansicht nach Opfer eines raffinierten Komplotts geworden ist, das seine frühere Freundin eingefädelt hat. Was also hat die insgesamt dreistündige Reihe an Neuem zu bieten?
Schluss des Dramas hinzugekommen
Zunächst den vorläufigen Schluss des Dramas: Vetter und Steinberger sagen zwar nicht explizit “Er ist unschuldig”, zumal die vier Teile ohnehin ohne Kommentar auskommen, aber sie suggerieren diese Sichtweise zumindest – selbst wenn der Titel etwas anderes nahelegt. Zum einen war es dem vielfach ausgezeichneten Filmemacher (drei Grimmepreise) vermutlich ein Bedürfnis, das ganze Bild zu zeigen. Zum Zweiten gab es eine Menge Material, das er und Steinberger noch nicht verwendet hatten.
Immerhin hat das Interview, das er 2013 mit Söring im Gefängnis führen durfte, vier Stunden gedauert, und natürlich liegt ein besonderer Reiz der neuen Reihe in der virtuellen Konfrontation der beiden Kontrahenten: hier Haysoms Aussagen vor Gericht, dort Sörings Sichtweise. Laut seiner Aussage habe sich die Freundin das Alibi, das er sich ausgedacht hat, zunutze gemacht, um ihm die Tat in die Schuhe zu schieben.
Verlesen von Sörings Briefen an seine Geliebte
Der eigentliche Unterschied ist Material, das Vetter und Steinberger bei einem US-Sender gefunden haben. Die Prozesse gegen Haysom und Söring waren Ende der Achtzigerjahre die ersten, die landesweit im US-Fernsehen übertragen wurden. Tatsächlich liegt in den langen dokumentierten Passagen, die den Charme einer abgenutzten VHS-Kassette haben, eine ganz eigene Faszination. Vetter formuliert es im Pressematerial des ZDF so: “Als Zuschauer erleben wir zwei völlig unterschiedliche Versionen des Tages, an dem der Mord geschah. In der einen geht er ins Kino, um jeweils zwei Kinokarten als Alibi zu kaufen, während sie den Mord an ihren Eltern begeht. In der anderen kauft sie die beiden Kinotickets und er ermordet die Eltern.”
Für das Verlesen von Sörings Briefen an seine Geliebte konnte das Regieduo immerhin Daniel Brühl gewinnen. ZDFinfo zeigt alle vier Teile am Stück.
“Killing for Love” läuft diesen Dienstag (4. August) ab 20.15 auf ZDFinfo.