Joko und Klaas: Das waren ihre denkwürdigsten Aktionen in den 15 Sendeminuten
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Können auch ernst: Joko Winterscheidt (links) und Klaas Heufer-Umlauf.
© Quelle: Pro Sieben / Jens Hartmann
Ende Mai 2019 lehnte sich Pro Sieben weit aus dem Fenster. Weniger mit der damals neuen TV-Show „Joko & Klaas gegen Pro Sieben“, die dank des Einsatzes der reichweitenstarken Sendergesichter einen Quotenerfolg quasi garantierte. Vielmehr ging der Sender ein Wagnis ein, indem er dem Moderatoren-Duo beim Gewinn der Sendung 15 Minuten Sendezeit zur freien Verwendung versprach – und das zur Primetime.
Ihre Narrenfreiheit nutzen Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf bisweilen leidlich aus. Ein Schwein mit Bodycam durch ein Museum zu tapsen zu lassen, um RTL die „Sommerhaus der Stars“-Quote zu verhageln, schien plötzlich möglich.
Deutlich lebhafter in Erinnerung geblieben sind aber Ausgaben von „Joko & Klaas LIVE“, die die beiden Moderatoren nutzten, um auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen und einen echten Diskurs über die Grenzen des Unterföhringer Privatsenders hinaus anzustoßen. Ob die Schicht einer Pflegerin in Echtzeit während der Corona-Pandemie oder Olaf Scholz‘ erinnerungswürdige Pandemie-Ansprache – wir blicken auf die denkwürdigsten Ausgaben von „Joko & Klaas LIVE“ zurück.
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Joko und Klaas verschenken ihre Instagram-Reichweite an Iranerinnen
Aufmerksamkeit ist in der schnelllebigen Welt der Gegenwart eine kostbare Währung. Gerade die sozialen Medien sind Aggregatoren von Trends, Nachrichtenplattform in Echtzeit – und Vehikel von internationalen Protestbewegungen. Letzteres zeigt sich seit Wochen am Beispiel Iran, wo Frauen nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini gegen das islamische Regime aufbegehren. Um der Protestbewegung Gehör zu schenken, griffen Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf nun zu einem besonderen Mittel: „Wir verschenken unsere Instagram-Reichweite – für immer.“
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Die Moderatoren leerten ihre reichweitenstarken Profile und stellen sie zwei Frauen aus dem Iran zur Verfügung, die sie in „15 Minuten live“ dem TV-Publikum vorstellten. Eine von ihnen ist Azam Jangravi. Weil sie auf offener Straße das Kopftuch auszog, wurde sie zu drei Jahren Haft verurteilt und floh dann zu Fuß aus ihrer Heimat: „Meine Tochter und ich hätten getötet werden können.“ Die Sittenpolizei sei im Iran „überall und kann Frauen grundlos verhaften“. Der „Wahrheit Gehör verschaffen“ will auch die Social-Media-Aktivistin Sarah Ramani, deren Kanal Umschlagplatz für Videos und Bilder von den Protesten ist. „Das Regime duldet keine Kritik. Ich zeige alles, was im Iran falsch läuft“, beschrieb die Aktivistin ihre Arbeit, die sie von einem geheimen Ort aus betreibt.
Joko Winterscheidt folgerte aus den eindrücklichen Appellen der Frauen: „Wenn unsere Aufmerksamkeit effektiv sein soll, muss sie nachhaltig und verlässlich sein.“ Durch gemeinsames Hinschauen werde man „Teil der internationalen Drohkulisse“. Außerdem animierte er die Instagram-Nutzerinnen und -Nutzer: „Entfolgt unseren Accounts nicht, sondern macht sie idealerweise noch viel, viel größer.“ Die Reaktionen in den sozialen Medien sprachen Bände: Das Publikum des Moderatoren-Duos zeigte sich größtenteils begeistert von der Geste.
Kunstausstellung „Männerwelten“ klagt patriarchalen Sexismus an
ARD-Polittalkerin Anne Will empfahl es via Twitter als „Pflichtprogramm“, der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken sprach gar von den „wahrscheinlich wichtigsten 15 Minuten Fernsehen des Jahres“. Keine Aktion von Joko und Klaas hatte bis dato derart hohe Wellen geschlagen wie das 15-Minuten-Feature „Männerwelten“ im Mai 2020. Schonungslos führte die Autorin Sophie Passmann durch die titelgebende Kunstausstellung, die über patriarchalen Sexismus aufklärte.
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Dem rein weiblichen Cast war es überlassen, mal ironisch, mal ernst über die unappetitlichen Tiefen der Rape Culture zu informieren. Palina Rojinski stellte eine Auswahl von Bildern vor, die ihr Männer von deren Genitalien zugesendet hatten. Andere TV-Persönlichkeiten wie Stefanie Giesinger, Jeannine Michaelsen und Katrin Bauerfeind rezitierten Kommentare aus den sozialen Medien, die sie mit sexueller Gewalt und Beleidigungen konfrontierten.
Auf Youtube wurde der Film innerhalb weniger Tage 20 Millionen Mal aufgerufen, im Live-Programm bei Pro Sieben verfolgten über zwei Millionen Zuschauende das denkwürdige Kapitel Fernsehen. Beim Grimme-Preis 2021 wurden Joko und Klaas in der Kategorie „Unterhaltung“ mit einem Preis gewürdigt.
„Ist das wirklich Europa?“: Das Schicksal der Flüchtlinge in Moria
Die Bilder seien „am Rande des Erträglichen, wenn man es sich nur anschauen muss“ und „nicht für Kinder geeignet“: Bevor die 15 Minuten freie Sendezeit des Moderatoren-Duos im September 2020 losgingen, war die Warnung von Klaas Heufer-Umlauf unmissverständlich. Gemeinsam mit Joko Winterscheidt nutzte er die Gelegenheit, mit dem Kurzfilm „A Short Story of Moria“ auf die menschenunwürdige Lage der Flüchtlinge im damals jüngst abgebrannten Lager in Moria aufmerksam zu machen.
Für den knapp 15-minütigen Film hatten die beiden Milad Ebrahimi als Gesprächspartner aufgetan. Der damals 21-Jährige war aus Afghanistan geflüchtet und strandete auf Lesbos. „Es war der größte Fehler meines Lebens, dass ich auf diese Insel gekommen bin“, gab er Joko und Klaas im Interview Auskunft. Zunächst hatte er nach der gefährlichen Überfahrt große Hoffnung auf einen Neuanfang verspürt, aber: „Als wir den Dreck in Moria sahen, waren wir einfach nur enttäuscht.“
Videoaufnahmen offenbarten die unhaltbaren Zustände: mangelhafte Wasserversorgung, die menschenunwürdigen Zeltbehausungen im hoffnungslos überfüllten Lager und katastrophale Lebensmittelversorgung. „Ist das wirklich Europa?“, fragte Ebrahimi schließlich resigniert in die Kamera.
„Ein Stück deutsche TV-Geschichte“: XXL-Sendung macht auf Pflegenotstand aufmerksam
Im April 2021 hatte das Coronavirus Deutschland fest im Griff: Ein mehrmonatiger Teil-Lockdown ließ das Land auf Sparflamme laufen, die Neu-Infektionen verblieben auf einem hohen Niveau – und die Krankenhäuser ächzten unter der hohen Belastung. War das Pflegewesen zu Anfang der Pandemie noch symbolkräftig beklatscht worden und waren den Pflegenden bessere Bedingungen versprochen worden, offenbarte der zweite Corona-Winter den eklatanten Pflegenotstand in der Bundesrepublik.
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Mit der Hilfe ihres Haussenders Pro Sieben schwangen sich Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf zu einer für das deutsche Fernsehen einzigartigen Aktion auf. Ab 20.15 Uhr bis tief in die Nacht berichteten die Moderatoren in „Joko & Klaas Live“ vom Berufsalltag von Meike Ista – in Echtzeit. Die Pflegerin hatte mit einer kleinen Kamera ihre komplette Frühschicht im Knochenmark- und Transplantationszentrum der Uniklinik Münster dokumentiert. Parallel dazu kamen via Splitscreen weitere Pfleger aus anderen Einrichtungen überall in Deutschland zu Wort.
Noch während der Ausstrahlung schlug die Sendung hohe Wellen. Auf Twitter trendeten die Hashtags „#nichtselbstverständlich“ und „#JKLive“. Unter den Tweets fand sich viel Lob und Anerkennung für die gezeigten Pflegekräfte. Der damalige Vize-Kanzler Olaf Scholz etwa bedankte sich bei den Moderatoren für die besondere Sendung. ARTE würdigte den denkwürdigen Fernsehabend als „Stück deutsche TV-Geschichte“. Beim Deutschen Fernsehpreis 2021 gewannen Joko und Klaas einen Preis in der Sparte „Bestes Infotainment“.
Olaf Scholz‘ beispiellose Pandemieansprache: „Es gibt keine roten Linien“
Ein abgedunkeltes Studio, ein einzelner Stuhl in einer Manege – für einen denkwürdigen TV-Auftritt braucht es nicht zwingend ein aufwendiges Bühnenbild. Vielmehr ist es die Botschaft, die zählt. Und auf eine Botschaft mit Aussagekraft war Olaf Scholz im Dezember 2021 angewiesen. Obwohl der Bundeskanzler damals noch nicht vereidigt war, musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, er sei zu sehr abgetaucht und äußere sich nicht deutlich genug zu den drängenden Pandemiefragen.
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Umso überraschender war Scholz‘ Auftritt im Pro-Sieben-Studio von „Joko & Klaas“ – eine Art vorgezogene, inoffizielle Regierungserklärung, wenn man so will. Nachdem eine Corona-Dauerpatientin von ihrem Schicksal und ein Mediziner von der Überlastung seines Krankenhauses berichtet hatte, übernahm der SPD-Mann das Zepter. Wer sich nicht impfen lasse, gefährde sich und seine Mitmenschen, gab er direkt die Richtung vor.
Neben dem Impfappell zeigte Olaf Scholz Verständnis für jüngere Menschen: „Es ist mir bewusst, dass Abstand halten und jung sein schwer zusammenpassen.“ Dennoch sei ein „behutsames“ Einschränken von Kontakten unumgänglich. Es führe kein Weg daran vorbei, die „vierte Welle zu brechen“, lautete die eindrückliche Forderung des Politikers: „Wir werden tun, was notwendig ist, es gibt da keine roten Linien.“ Mit seinem für einen Neu-Kanzler beispiellosen Weg einer Fernsehansprache hatte er dieses Motto bereits trefflich illustriert.
Von Seenotrettung bis Nazi-Terror: Joko und Klaas machen auf Schicksale aufmerksam
Hemmungslosen Quatsch, kindliche Blödeleien, verrückte Einlagen – als Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf Ende Mai 2019 erstmals gegen Pro Sieben gewannen, erwartete man vieles. Doch das Duo untergrub alle Erwartungen des TV-Publikums und machte Ernst. Sie nutzten die erspielten 15 Minuten Sendezeit, um Menschen eine Bühne zu bieten, „die mehr zu sagen haben als wir“.
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Seenotretterin Pia Klemp erklärte, sie sei von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen Zeuge geworden. So fuhr sie tagelang mit einem toten, zweijährigen Jungen in einer Tiefkühltruhe übers Meer, die lebendige Mutter war mit an Bord. Ihr folgte Dieter Puhl, Sozialarbeiter der Berliner Stadtmission. Seine Botschaft: „Wenn Ihr die Möglichkeit habt, auf obdachlose Menschen zuzugehen, macht es bitte.“ Als Dritte berichtete Birgit Lohmeyer von ihrem Alltag in einer Wohnsiedlung voller Nazis an der mecklenburgischen Ostseeküste. Neben Pöbeleien habe sie auch Sachbeschädigungen, Diebstähle und Nötigung erlebt. Trotzdem forderte sie Opfer rechtsradikaler Gewalt auf: „Wehrt euch!“
In den sozialen Medien wurden Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf für die Aktion überwiegend gefeiert. „Gänsehaut, mutig und verdammt guter Nutzen für 15 Minuten Freiheit“, schrieb ein Nutzer bei Twitter. Von „Weltsensation“ bis zur Forderung, ihnen den Grimme-Preis zu verleihen, reichten weitere Reaktionen.
RND/Teleschau
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