Wie sich Sahra Wagenknecht im TV-Duell mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann selbst besiegte
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Sahra Wagenknecht, Heribert Prantl, Herfried Münkler und Anges Strack-Zimmermann (von links) am Montagabend bei „Hart aber fair“.
© Quelle: ARD
In der Antike sorgten Schaukämpfe für Unterhaltung, heute gibt es die Talkshow. Angesichts des der Weltlage geschuldeten schmalen Themenkorridors hatten sich die Macher von „Hart aber fair“ am Montagabend einen besonderen Kick erhofft, in dem sie vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine zwei Alphafrauen eingeladen haben, deren Positionen gegensätzlicher kaum sein könnten: Sahra Wagenknecht, die aktuell wegen einer umstrittenen Friedenspetition und -demonstration in der Kritik steht, und Marie-Agnes Strack-Zimmermann, eine der prominentesten Unterstützerinnen ausgiebiger Militärhilfe für die Ukraine und die FDP-Politikerin, die seit gefühlt einem Jahr auf mehr Präsenz in der Öffentlichkeit verweisen kann als der gesamte Rest ihrer Partei.
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Komplettiert wurde die Runde durch den Politikwissenschaftler Herfried Münkler sowie den Journalisten Heribert Prantl. Letztgenanntem wurde zugetraut, sich am ehesten noch ein mildes Verständnis zumindest für Wagenknechts Sofortverhandlungsgebot abzuringen. Als Verstärkung für Strack-Zimmermann und damit wenigstens zwei Farben der Berliner Ampelkoalition repräsentierend saß noch Katrin Göring-Eckardt von den Grünen am Tisch.
Während Strack-Zimmermann sich immer schon klar für eine Bewaffnung der angegriffenen Ukraine aussprach und mehrfach ins Krisengebiet reiste, leugnete Wagenknecht noch am Vorabend des Überfalls Putins Kriegsabsichten, gibt bis heute Amerika eine gehörige Mitschuld am Krieg und sieht auch keinen Sinn darin, sich am „Polittourismus“ ins Kriegsgebiet, wie sie das jüngst nannte, zu beteiligen. Die Positionen waren also klar besetzt.
Schon der Start verlief für Wagenknecht schlecht. Weil Moderator Louis Klamroth einen Film einspielen ließ mit einem Zitat der Linken von vor einem Jahr: „Russland hat faktisch kein Interesse einzumarschieren“, sagte Wagenknecht an jenem 20. Februar 2022. Und „Wir können heilfroh sein, dass Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird: ein durchgeknallter Nationalist, der sich daran berauscht, Grenzen zu verschieben.“
Angesichts dieses Auftakts wirkte die 53-Jährige angefressen, wehrte sich mit Halbsätzen wie: Das sei „aus dem Zusammenhang gerissen“.
Ich würde mit dem Teufel verhandeln.
Heribert Prantl,
Journalist der „Süddeutschen Zeitung“
Dafür, dass es bis heute keine Friedensverhandlungen gibt, macht Wagenknecht vor allem eine Seite verantwortlich: die ukrainische Regierung von Wolodymyr Selenskyj. „Das ist das Kernproblem“, so Wagenknecht. Selbst als Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ vorträgt, Kremlsprecher Dmitri Peskow habe heute gesagt, „im Moment sehen wir nicht die Voraussetzungen dafür, dass die Sache einen friedlichen Weg einschlagen könnte“, beharrt Wagenknecht weiter darauf, dass vor allem Kiew blocke. Und fügt hinzu: „Und wir lassen uns in diesen Krieg hineinziehen.“
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Prantl bekräftigte: „Ich würde auch mit dem Teufel verhandeln.“ Gleichzeitig unterstützt er Waffenlieferungen und das Recht der Ukraine, sich zu verteidigen.
Plädoyer für Demonstrationsfreiheit
„Demonstrationen, wie sie gerade stattgefunden haben, sind richtig und wichtig“, sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, als die Runde auf die von Wagenknecht und Alice Schwarzer organisierten Demonstrationen von Samstag zu sprechen kommt. „Davon träumen Millionen Menschen in Russland. Wenn die das machen, landen sie nämlich im Gefängnis“, fährt die FDP-Politikerin mit ihrem vergifteten Lob fort.
Bin ich in Ihren Augen Lügenpresse?
Louis Klamroth,
Moderator von „Hart aber fair“
Klamroth erzählt von seinen Erfahrungen auf Wagenknechts Demo – von Rechtsradikalen und „Querdenkern“, die ihn bepöbelt hätten. „Bin ich in Ihren Augen Lügenpresse?“, fragt er Wagenknecht direkt. Die weicht aus: Den Begriff würde sie so nicht verwenden, „aber es krankt an dieser Einseitigkeit“. Und überhaupt stimme nicht einmal die in den Medien genannten Zahl der Demonstranten – „die Befüllung eines solchen Platzes schafft man nicht mit 13.000 Menschen“.
Wagenknechts neue Partei?
Wagenknecht beklagte, dass sich viele Menschen von den Parteien nicht mehr repräsentiert sähen – sei es da ein Wunder, dass sie der AfD hinterherlaufen? Als Klamroth nachfragte, ob sie plane, diesen Menschen mit einer Parteigründung eine neue politische Heimat zu geben, weicht sie aus: „Ich dachte, wir reden hier über den Krieg?“ Um dann in einem Nebensatz die Linke zu umschreiben mit „die Partei, der ich noch angehöre“.
Richtig ungemütlich wird es, als Sahra Wagenknecht fast am Ende der Sendung behauptet: „Kriegsverbrechen werden von allen Seiten begangen“. Das sagte sie nach einem eingespielten Film, in dem vergewaltigte ukrainische Frauen zu Wort kamen. Moderator Klamroth reagiert ungehalten: „Das kann ich so nicht stehen lassen.“ Er zeigt einen Bericht der UN. Die sage klar: „Belege für Vergewaltigungen durch ukrainische Soldaten gibt es nicht.“
Strack-Zimmermann wirft Wagenknecht und Schwarzer vor, zu den Vergewaltigungen zu schweigen. „Sie benennen den Täter nicht. Sie flüchten sich in eine Passivität“, warf ihr der Politologe Münkler vor.