Giovanni Zarrella: „Unter Druck brechen Dinge“

Der Sänger und Moderator Giovanni Zarrella.

Der Sänger und Moderator Giovanni Zarrella.

Feierabend, Füße hoch, Fernseher an, zwei Stunden lang abschalten vom Alltag, bei Thomas Gottschalk gegebenenfalls auch mal dreieinhalb – über Jahrzehnte hinweg galt dieser öffentlich-rechtlich vermittelte Fluchtimpuls als Daseins­berechtigung harmloser Shows, Serien und Filme, die das duale System nicht unbedingt anspruchsvoller machten. Im Gegenteil. Und so knallte kurz nach Erfindung des dualen Systems ein Kampfbegriff aus hochkulturellen Kunsttempeln in den Gelsenkirchener Barock der Wohnstuben: Eskapismus.

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Selten nur affirmativ, also freundlich verwendet, beschreibt er den Qualitätsverfall des früheren Leitmediums, gern garniert mit Namen wie Neubauer, Pilcher, Silbereisen. „Eskapismus“, wiederholt Giovanni Zarrella und klingt eher nüchtern als beleidigt, „kenne ich.“ Kein Wunder: Der schwäbische Italiener lebt, nein – er ist Eskapismus. Ein „Popstar“ gewordener Fluchtimpuls gewissermaßen und damit Zielscheibe hochkulturellen Spotts, der schmerzen könnte, wütend machen, zumindest stören. Doch was tut Giovanni Zarrella? Er lacht, und es ist ein gut gelauntes, spürbar ehrliches Lachen. Ernsthaft.

„Niemand behauptet, dass Unterhaltung Probleme lösen kann“, sagt der Sänger und Moderator kurz vorm Debüt seiner eigenen Liveshow Samstagabend (20.15 Uhr) im Zweiten, auch im Jahre des Herrn sieben nach „Wetten, dass …?“ noch immer Sendeplatz für das Hochamt des zweidimensionalen Entertainments. Wieder dieses geerdete Lachen aus der Tiefe seiner Ausgeglichenheit: „Aber auf der Bühne versuche ich, für Entspannung zu sorgen“, also ein paar – in diesem Fall genau drei – volle Stunden „buchstäblich Druck vom Publikum zu nehmen“. Denn Druck sei kontraproduktiv. „Unter Druck brechen Dinge.“

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„Ich betrachte das als Spielwiese, auf der ich mich austoben kann“

Die „Giovanni Zarrella Show“ ohne Bindestriche, aber mit dem üblichen Schlagersausen­personal von Andrea Berg über Nino de Angelo bis Santiano im Angebot, könnte auch beim Titelgeber Druck erzeugen. Gehörigen Druck, den Vergleichen mit Carmen Nebel oder Florian Silbereisen nicht standzuhalten. Druck auch, den letzten Quotengaranten jenseits des „Tatorts“ Zuschauerinnen und Zuschauer zu kosten. Versagensdruck also? Nichts da, meint Giova, wie ihn sein Vater nannte, als sein Sohn in der Familienpizzeria zu Hechingen Italohits trällerte. „Ich betrachte das als Spielwiese, auf der ich mich austoben kann“, mehr noch, „ein Geschenk.“

Denn als der Anfang dreißigjährige Zarrella fast noch Papas Giova ist, im magischen WM-Sommer 2006, da geht sein größtes Märchen zu Ende. Bis dahin hatte er mit dem „Popstars“-Sieger Bro’Sis vier Jahre bestens verdient. Es folgen noch einige Promirutschen. Pro Sieben filmt ihn während der Schwangerschaft von Frau Jana Ina. Er tingelt durch Raab-Shows, tanzt für RTL, gewinnt Sympathien, verliert Selbstwert­gefühl. „Nach Bro’Sis war 14 Jahre Sendepause“, erzählt er von dem Loch, das ihm wirklich wehtut. Denn es sind „14 Jahre, in denen es keinen wirklich interessiert hatte, was ich musikalisch mache“.

Publikum aus dem Alltag befreien

Wer die Bedeutung des Singens für Giovanni Zarrella kennt, versteht also besser, warum der Weg von Italohits über Castingpop zum Schlager ein zielführender war. Seit zwei Jahren feiert er mit latinisierten Evergreens deutscher Herkunft Riesen­erfolge. Jetzt moderiert er sie selbst. Vor Millionen. In Mehrzweckhallen statt Kulturtempeln. Aber es sei eben „Teil meiner Aufgabe, das Publikum einer Liveshow wie dieser für drei Stunden aus dem Alltag zu befreien“.

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Alles wie einst in Papas Pizzeria, wie dann auf den Resterampen des Privatfunks, diesmal allerdings auf größtmöglicher Bühne. Und so wird der kleine Giova zum großen Zarrella. Ein Deutschitaliener, der Samstagabend in die Fußstapfen großer Conférenciers à la Vico Torriani tritt und damit auch ein bisschen Fernweh bedient. Für Giovanni Zarrella ist Eskapismus schließlich kein Schimpfwort.

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