„Mehr als Ideologie“: Harald Lesch entkräftet Argumente gegen das Gendern

Harald Lesch bekräftigt: „Man muss es schlicht anerkennen, dass es beim Gendern um mehr geht als Ideologie.“

Harald Lesch bekräftigt: „Man muss es schlicht anerkennen, dass es beim Gendern um mehr geht als Ideologie.“

Mainz. „Guten Abend, meine Damen und Herren!“, schnurrt Harald Lesch auf dem Weg durch die Studiokulissen vor die ZDF-Kamera. „So könnte ich die Sendung beginnen.“ Könnte er, aber sollte er vielleicht nicht, wie der Forscher und Wissenschaftsmoderator gleich einräumt. Nicht dass sich Menschen anderer Geschlechtsidentitäten, als den zwei genannten, diskriminiert fühlen! Kompliziert ist das alles geworden. Lesch ist im Element: „Und schon sind wir mitten drin im Kampf um Worte, deren Bewertung und Bedeutung.“

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Die Debatte ums Gendern hat nun also auch die ZDF-Reihe „Leschs Kosmos“ erreicht. Dass diese Debatte zunehmend hitzig geführt wird, ist dem Astrophysiker und Naturphilosophen aus München nicht entgangen. Ums Gendern, konzediert Lesch in der aktuellen Ausgabe seiner Sendung, ist „nicht weniger als ein Kulturkampf entbrannt“. Überfällige Gleichberechtigung oder überflüssige Sprachverhunzung, das sei die Frage. Sie bleibt im ZDF-Magazin nicht unbeantwortet.

„Gendern in der Sprache wirkt sich nachweislich auf das Verhalten aus“

Was kann uns also die Wissenschaft sagen über unfreiwillig komisch anmutende Sprachgebilde der Marke „Außenminister:Innen“? Ist mitgemeint auch mitgedacht? Zum Glück gibt es für solche Fragen längst belastbare Studien.

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Bereits 2001 wurden Studierende aufgefordert, ihre Lieblingssportler und Musiker zu nennen, es fielen ihnen mehrheitlich männliche Idole ein. Der zweiten Gruppe wurde dieselbe Aufgabe gestellt mit Bezug auf „Sportler und Sportlerinnen“ sowie „Musiker und Musikerinnen“. Sie nannten deutlich häufiger weibliche Stars.

„Es macht also sehr wohl einen Unterschied, ob Personen anderen Geschlechts nur mitgemeint sind oder ob sie explizit angesprochen werden“, erläutert Lesch auch an einem weiteren Beispiel. 500 Grundschulkinder wurden in Deutschland und Belgien mündlich stereotype Männerberufe wie Feuerwehrmann und Astronaut präsentiert. Der einen Gruppe im generischen Maskulinum, der anderen in der jeweils männlichen und weiblichen Form. Das Ergebnis: Mädchen wie Jungen, die sich mit den geschlechtergerechten Bezeichnungen befasst hatten, trauten sich viel eher zu, einen typisch männlichen Beruf zu wählen, als die Kinder, die nur die männlichen Begriffe gehört hatten. Lesch: „Gendern in der Sprache wirkt sich also nachweislich auf das Verhalten aus.“

Damentoiletten: „ein Gendergap der speziellen Art“

Und wie steht es um das Argument, Gendern mache das Gesagte schwerer verständlich? Auch hierzu liegt eine Studie vor. Probanden wurde der Vertrag eines fiktiven Stromanbieters vorgelegt, einmal gegendert, einmal im generischen Maskulinum formuliert. Das Textverständnis beider Vergleichsgruppen: identisch.

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„Man muss es schlicht anerkennen, dass es beim Gendern um mehr geht als Ideologie“, schlussfolgert Harald Lesch. „Eine männlich geprägte Sprache trägt nachweislich zu einem männlich geprägten Blick auf die Gesellschaft bei.“

Als Beleg für die Ungleichheit der Geschlechter im Alltag führt der Forscher ein provozierend banales Beispiel vor: die langen Schlangen vor öffentlichen Damentoiletten infolge falscher Platzkalkulation, ein „Gendergap der speziellen Art“. „Das ist kein wichtiges Thema?“, raunt Lesch und gibt sich die Antwort selbst: „Doch, es ist wichtig! Denn es ist ungerecht. Wenn es uns nicht mal gelingt, bei den alltäglichen Widrigkeiten auf die Unterschiede von Mann und Frau Rücksicht zu nehmen, dann muss es uns auch nicht wundern, dass dort, wo es um Leben und Tod geht, natürlich nur auf den Mann geguckt wird.“

Gendergerechtigkeit: eine Frage von Leben und Tod

Eine steile These, doch der Beleg folgt sogleich: Für Frauen, so erfährt man, ist das Risiko, bei einem Autounfall schwer verletzt zu werden, fast um die Hälfte höher als für Männer. Der Grund? Crash Test Dummies besitzen die Maße und die Konstitution eines durchschnittlichen Mannes. Eine schwedische Ingenieurin kämpft derzeit dafür, dass Tests mit weiblichen Durchschnittsdummies verpflichtend werden. „Das kann doch nicht wahr sein“, schimpft Lesch in der Beitrags­abmoderation. Dann wird es shakespearehaft: „Man sieht, das Schließen der Genderlücke kann eine Frage von Sein oder Nichtsein sein.“

Gender-Equality: Wenn die Gleichberechtigung im Lockdown steckt

In dieser Folge von „Auf dem Schirm“ geht Amandine Cormier den Ursprüngen des Frauentages nach und erklärt, warum es auch 2021 keine Gleichberechtigung gibt.

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Aber warum sollten Männer nun bereit sein, auf teils jahrhundertealte Privilegien zu verzichten? Um ihrer selbst willen, glaubt der Forscher. „Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds würde die Beseitigung des Gender-Employment-Gaps weltweit den Wohlstand anheben, und zwar für alle.“ Außerdem: „Mehr Gleichberechtigung heißt automatisch weniger Last auf den Schultern von uns Männern. Das würde sich vorteilhaft auf unsere Gesundheit auswirken.“ Immerhin kommen Männer im Vergleich auf eine acht Jahre geringere Lebenserwartung. Die Selbstmordrate liegt dreimal so hoch wie bei Frauen, Aggression, Gewalt und Sucht kommt beim testosterongetriebenen Geschlecht doppelt so häufig vor.

Harald Leschs Appell an seine Geschlechtsgenossen: „In einer geschlechtergerechteren zu Welt zu leben wäre für uns Männer gar nicht schlechter, sondern viel besser.“

RND/Teleschau

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