Was das eigentlich Traurige an der #allesdichtmachen-Debatte ist – ein Gastkommentar von Kabarettist Florian Schröder
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Kabarettist Florian Schroeder kritisiert die Teilnehmer an #allesdichtmachen – und die Kritiker der Aktion.
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Die Videos von #allesdichtmachen sind in ihrer Art sehr unterschiedlich. Einige sind verstörend, wie das von Jan Josef Liefers, der zwischen einer neblig unklaren Medienkritik und einer ebenso halbgaren Kritik an der Bundesregierung oszilliert. Andere wiederum sind in ihrer Zuspitzung nachvollziehbarer – wie das von Martin Brambach, der den moralistischen Zeigefinger anprangert, den manche Zeitgenossen seit einem Jahr nicht mehr eingeklappt kriegen. Gemeinsam ist fast allen Videos, dass sie auf halber Strecke stehen bleiben.
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© Quelle: Reuters
Wären die Kneipen offen, würde ich vermuten, dass sich da ein paar Schauspieler nach dem einen oder anderen Bier zu viel schnell verabredet haben, ein paar Videos gedreht und sie vorschnell auf Youtube veröffentlicht haben. Aber so war es nicht. Die Aktion war geplant, die Videos waren recht professionell gedreht. Der verantwortliche Produzent ist auch schon als Corona-Leugner aufgefallen. Spätestens hier hätten alle Alarmglocken läuten müssen. Haben sie aber nicht. Das ist das eigentlich Verwerfliche, dass sich Schauspieler hier gemein machen mit einer obskuren Welt.
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© Quelle: RND
Verschenkte Chance
By the way: Wo sind eigentlich die Managements, die sich sonst immer in Form von Absagen vor den Zug werfen? Inhaltlich sind die meisten Videos schlechte Satire, weil sie sich in einer bequemen, letztlich verantwortungslosen Ironie eingerichtet haben. Das ist billig und kindisch und entsprechend in alle Richtungen interpretierbar – und damit anschlussfähig an die üblichen verdächtigen Milieus, die ja auch schnell und vorhersehbar applaudiert haben. Es ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, wenn Satire auf halber Strecke stehen bleibt. Selbst die nachvollziehbare, spürbare Verbitterung braucht eine Kunstform, die klar ist, um zu funktionieren.
Die Schauspieler*innen hätten ihre massive Prominenz nutzen können. Für eine detaillierte, differenzierte Kritik an der Bundesregierung, die wirklich trifft. Oder für eine Aktion, die über das ironisch getarnte Beleidigtsein hinausgeht – eine Aktion für die zahlreichen notleidenden Kolleg*innen ihres Faches und benachbarter Fächer, die ihre Prominenz nicht haben und darum nicht in der Maisonettewohnung residieren können, sondern wirklich am Ende sind – psychisch und finanziell.
Beide Seiten agieren selbstgefällig
Aber deshalb sind die Schauspieler*innen noch lange keine Verschwörungsmystiker*innen, Corona-Leugner*innen oder Menschen, die Tote in Kauf nehmen. Viele Kritiker*innen bewegen sich ironischerweise auf dem Niveau derer, die sie kritisieren wollen – ebenso reflexhaft keifend und frei von Argumentation. Selbstverständlich muss Kritik an #allesdichtmachen sein – auch deutliche, aber dann wenigstens besser durchdacht.
Auch eine schlechte Aktion kann Anlass zu einer fruchtbaren Debatte sein. Dass diese ausbleibt und stattdessen eine selbstgefällig-beleidigte Ironie von ein paar Privilegierten auf der einen Seite und eine ebenso selbstgefällig-moralische Überlegenheitsgeste auf der anderen Seite bleibt, ist das eigentlich Traurige an dieser Debatte. Es teilt die Welt, wie schon so oft bei ähnlichen Themen, in Freund und Feind und macht sie kein Stück besser.