Eva Schulz, hat die ARD ein Männerproblem?

Die Journalistin Eva Schulz.

Die Journalistin Eva Schulz.

Berlin. Es war einer der großen Medienaufreger dieses Jahres: Volker Herres, Programmdirektor der ARD, sagte in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“: „Mir fällt aktuell kein weibliches Pendant etwa zu einem Kai Pflaume ein, der die große Samstagabendshow moderiert und mit seiner Empathie und Zugewandtheit so große Mehrheiten für sich begeistert.“

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Eine Aussage, die umgehend für Protest sorgte – nicht zuletzt in den Reihen der ARD selbst. Eine, die sich mitunter zu Wort meldete, war im Juni Eva Schulz. Die 30-Jährige moderiert seit 2017 das junge Politikformat „Deutschland3000″ bei funk und seit 2019 auch den Podcast-Ableger „’Ne gute Stunde mit Eva Schulz“, der von den jungen Radiowellen der ARD ausgestrahlt wird.

„Wie kann es sein, dass Sie uns nicht wahrnehmen“, twitterte Schulz damals an Herres gerichtet. „Und schlimmer noch: Wie kann es sein, dass Sie nicht begreifen, dass es Ihre Aufgabe wäre, diesen Moderatorinnen die ‚großen Mehrheiten‘ überhaupt zu ermöglichen, indem Sie ihnen die Sendeplätze und Budgets verschaffen? Hiermit ‚melde‘ ich mich also ‚gern‘ bei Ihnen, und möchte Sie auf diese Frauen hinweisen.“ Dann zählte Schulz eine ganze Reihe öffentlich-rechtlicher Moderatorinnen auf, von Linda Zervarkis über Sabine Heinrich bis hin zu Anke Engelke.

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Im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) spricht Schulz nun darüber, was sich seit der Debatte verändert hat, über jungen Journalismus und Diversität in den Medien.

Eva Schulz, hat man Ihnen eigentlich inzwischen eine Samstagabendshow angeboten?

(lacht) Nein, das war damals aber auch gar nicht meine Intention. Das sollte jetzt keine Bewerbung sein. Zumal die Chefinnen und Chefs von funk, unter denen ich arbeite, mir ja auch alle Wege ebnen. Die verfolgen auch den Plan, die ARD diverser zu machen – sowohl vor als auch hinter den Kameras.

Aber die Aussagen von Volker Herres haben mich in dem Moment schon empört, weil ich gedacht habe: Es ist die Aufgabe eines Programmdirektors, so eine Lücke zu erkennen und dann zweitens alles zu tun, um sie zu füllen. Er prägt das Programm und die Gesichter, mit denen die ARD nach außen auftritt. Ich bin nicht Programmdirektorin, kann aber unzählige talentierte Frauen aufzählen – und er sagt dann so was. Das hat mich einfach traurig gemacht. Weil ich gemerkt habe, ah okay, das ist also das, wovon immer alle sprechen. Dass talentierte Frauen einfach übersehen werden.

Ich habe aber ehrlich gesagt auch gemerkt, wie schnell so eine Kritik instrumentalisiert werden kann. Das war nicht meine Intention. Meine Intention war eine konstruktive. Ich werde mir also künftig auch immer überlegen, wann ich etwas intern und wann ich etwas öffentlich kritisiere.

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Inwiefern instrumentalisiert?

Auf den Twitter-Kanälen kamen natürlich sofort die Leute, die den Rundfunkbeitrag am liebsten komplett abschaffen würden. Und das ist ja auch die Gruppierung, die es total schwierig macht, konstruktive Debatten über die ARD zu führen. Weil einem die Argumente zum Teil aus den Händen gerissen werden.

Ich will die ARD nicht abschaffen, ich will sie besser machen. Und da muss man bei jedem Punkt genau überlegen, wo man ansetzen kann, um gehört zu werden oder um Vorschläge einzubringen.

Wurde das Thema denn noch mal intern aufgearbeitet?

Ich weiß nicht, inwiefern das intern und für Volker Herres überhaupt noch ein Thema war. Sein Vertrag läuft ja aus, und er hat eine Nachfolgerin, die schon benannt ist. Und ich hoffe einfach, dass sie das zum Thema für sich macht.

Ich weiß eben, dass das Thema in vielen jüngeren Outlets der ARD, zum Beispiel funk, ganz weit oben auf der Prioritätenliste steht. Und auch in vielen, vielen Redaktionen. Und das macht mich hoffnungsvoll.

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Aber woran liegt es denn konkret, dass nahezu jede ARD-Unterhaltungsshow von einem Mann moderiert wird?

Das dürfte zum einen damit zu tun haben, dass man natürlich gerne auf Nummer sicher geht. Das sind Gesichter, die sind bekannt, die sind gelernt, und auf die kann man sich verlassen. Sowohl inhaltlich, weil sie gute Qualität abliefern – aber auch, weil ein bekanntes Gesicht ein gutes Argument für Leute ist einzuschalten. Und wenn man weiß, Kai Pflaume bringt viele Leute zum Einschalten, dann kann ich total verstehen, dass eine Programmdirektorin oder ein Programmdirektor darauf setzt.

Ein neues Gesicht muss sich hingegen erst mal etablieren, und das ist ein Prozess. Dafür ist es auch wichtig, dass man ihm nicht nur einen Sendeplatz gibt, der nach drei oder sechs Folgen wieder weg ist. So schnell können Zuschauerinnen und Zuschauer das gar nicht lernen. Wenn man also ein Talent aufbauen will, also zum Beispiel eine Frau, dann muss man ihr auch den Raum geben, in dem sie wachsen kann. Und zugleich muss das Publikum sich an diese Person gewöhnen und sie dann in ihr Wohnzimmer lassen wollen. Ich könnte mir vorstellen, dass Programmgestaltende einfach zu viel Angst haben vor einem nicht direkten Erfolg.

Gibt es noch mehr Gründe?

Und dann ist es auch so, dass Frauen immer noch nicht zugetraut wird, dass sie auch verschiedene Dinge können, genau wie Männer. In Unterhaltungssendungen sind Frauen häufig nur die Co-Moderatorin, die dann irgendwelche Spiele anmoderiert, in denen dann die männlichen Moderatoren gegeneinander antreten. Dass aber Frauen das auch alleine wuppen können, wird kaum bedacht.

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Neulich hatte ich in meinem Podcast Nora Tschirner zu Gast. Sie hat schon vor 15 Jahren auf MTV bewiesen, dass sie als Frau alles gleichzeitig sein kann: cool, schlau und lustig. Programmgestaltende denken aber häufig in Schubladen. Wir haben hier eine Frau wie Mai Thi Nguyen-Kim, die macht Wissenschaft. Dass sie aber auch sehr lustig sein kann, wird womöglich gar nicht bedacht.

Ich hatte einen anderen Gedankengang. Was, wenn es auch mit der Qualität des Unterhaltungsfernsehens zusammenhängt? Würde jemand wie Nora Tschirner oder Mai Thi Nguyen-Kim tatsächlich eine Schmunzelquizshow am Samstagabend moderieren? Ist das nicht viel zu sehr unter ihrem Niveau? Ich glaube, Männer sind auch deutlich skrupelloser, wenn es um das „Wegmoderieren“ plätschernder Unterhaltungssendungen geht.

(denkt nach) Ich glaube, daran liegt es nicht. Ich würde auch generell nicht mehr in der Kategorie Samstagabendshow denken. Ich glaube, dass wir jetzt in einer Zeit sind, in der sich neue Formate bestenfalls von diesen alten Genres lösen. Man sieht das in Ansätzen, etwa bei der neuen Show von Ariane Alter auf ZDF neo. Die Sendung heißt zwar „Late Night Alter“, aber es fehlt beispielsweise der klassische Tisch, hinter dem Late-Night-Moderatoren sonst sitzen. Es wird mit gleich mehreren Gewohnheiten gebrochen. Und ich würde mir wünschen, dass das noch viel mehr passiert.

Das ist auch mein Ziel. Die Genres aufzubrechen und zu kombinieren, sodass Leute erst mal gar nicht wissen, wo sie ein neues Format lassen sollen. Das war bei Deutschland3000 am Anfang auch so. Auf eine Samstagabendshow muss man also gar nicht zwingend zielen, weil wir mit neuen Formaten ganz andere Sachen erreichen können, das finde ich auch gerade für Frauen sehr reizvoll.

Wichtig wäre aber, dass Frauen dann nicht nur Sendungen moderieren, die sich explizit an Frauen richten. Das ist ein Trend, der momentan durchaus zu beobachten ist. In diesen Sendungen geht es dann viel um feministische Themen. Das ist auch gut und wertvoll, bringt uns aber in dieser anderen Frage nicht viel weiter. Die Sendungen müssen sich auch an ein männliches Publikum richten, damit Frauen und ihre Themen in den Mainstream kommen und ganz natürlich als vielfältige Presenterinnen angesehen werden.

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Wie divers ist denn das Team von Deutschland3000 – und worauf achten Sie bei der Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Wir achten zu allererst einmal darauf, dass die Leute politisch versiert sind, sehr gut recherchieren können und Lust daran haben, journalistische Inhalte auf neuen Kanälen und in innovativen Formaten zu produzieren. So ist ein in vielerlei Hinsicht bunt gemischtes Team entstanden. Zugleich sind wir uns aber auch sehr bewusst darüber, dass uns gewisse Perspektiven in der Redaktion noch fehlen. Aktuell haben wir zum Beispiel zu wenig Menschen aus Ostdeutschland – daran wollen wir arbeiten. Denn wir merken, wie sehr uns Diversität in der täglichen Arbeit befruchtet und besser macht.

Wie sieht das dann konkret on air aus?

Wir haben zum Beispiel entschieden, dass Geflüchtete bei uns nicht ausschließlich im Kontext ihrer Flucht in unseren Beiträgen auftauchen sollen, sondern auch zu völlig anderen Themen.

Außerdem wird in der Redaktion durchgehend gegendert, auch im Umgang miteinander. Es gibt einfach eine hohe Sensibilität für diese Themen.

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Ich finde auch interessant, dass sich Deutschland3000 explizit nicht an ein Akademikerpublikum richtet. Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?

In meiner Beobachtung war es damals so, dass es bereits recht viele Medien für junge Menschen mit einem hohen Bildungsabschluss gab. Ich würde jetzt mal unterstellen, dass etwa Bento und Ze.tt sich eher an ein studiertes Publikum gerichtet haben. Ich komme aber selbst aus einer Nicht-Akademiker-Familie aus Borken im Münsterland, wo das etwas sehr Normales ist. Da machen viele eher eine Ausbildung, und ich weiß, wie groß die Menge an jungen Menschen ist, die sich genau für diesen Weg entscheiden. Die machen dann einen Haupt- oder Realschulabschluss und fangen auch viel früher an, Geld zu verdienen und Weichen in ihrem Leben zu stellen.

Ich hatte immer den Eindruck, dass diese Menschen bei den jungen Medienformaten unterrepräsentiert sind. Und die wollte ich gerne ansprechen. Das haben wir von Anfang an mitgedacht und auch genau mit diesen Leuten dann Zielgruppen- und Marktforschungsanalysen gemacht. Und das machen wir bis heute sehr erfolgreich.

Das ist aber auch ein internes Thema im Journalismus. Viele Redaktionen sitzen eben in Berlin oder Hamburg, und es ist unsere Aufgabe, auch ein Ohr in den nicht urbanen Regionen des Landes zu haben. Ich stelle fest, dass man davon extrem profitiert. Und dass davon auch das Produkt profitiert.

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Sie haben gerade schon Bento angesprochen. Die gibt es inzwischen gar nicht mehr. Und ganz generell war das Jahr 2020 für den jungen Journalismus kein gutes. Mehrere Portale wurden eingestellt, andere verkauft. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Es ist schade, weil die Portale viele junge Talente hervorgebracht haben. Das habe ich vor allem auch bei der Rekrutierung bei Deutschland3000 gemerkt. Dass da auf einmal so viele junge Leute in geile Jobs gekommen sind und sich ausprobieren konnten und so tollen neuen Journalismus machen konnten. Das war eine große Innovationskraft.

Ich möchte nicht darüber urteilen, warum sie trotzdem eingestellt wurden. Im Zusammenhang mit Corona war es offenbar noch mal schwerer, diese Medien zu vermarkten. Und ich bin mir auch sehr bewusst darüber, dass ich als öffentlich-rechtliche Mitarbeiterin da ein großes Privileg habe. Denn ein Format wie Deutschland3000 wäre auch nicht leicht zu vermarkten.

Was mich allerdings beschäftigt, ist, dass viele junge Produkte, also auch funk, bei den Medienhäusern und Anstalten ausgelagert wurden und noch werden. Gesellschaftlich finde ich das schwierig, weil dadurch die Generationen aneinander vorbei informiert werden, und sich auch aneinander vorbei Meinungen bilden. Wenn sich das weiter in diese Richtung entwickelte, würden im Extremfall meine Großeltern dann gar nicht mehr wissen, was mich und meine Generation bewegt, und umgekehrt. Die Perspektiven würden gar nicht mehr aufeinanderprallen. Das ist jetzt vielleicht die nächste Runde, die auch bei funk passieren muss. Wie verheiratet man das wieder ein bisschen besser miteinander, sodass wir den gesellschaftlichen Auftrag erfüllen und Leute auch über Altersgrenzen hinweg miteinander ins Reden bringen?

Wo erreicht man denn die junge Zielgruppe überhaupt? Ich war etwas erstaunt, dass Deutschland3000 so erfolgreich auf Facebook ist. Ich dachte, da sind die jungen Leute gar nicht mehr.

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Die Entwicklung beobachten wir auch – darum haben wir zum Herbst auch umgestellt und publizieren jetzt primär auf Instagram. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Instagram stark politisiert hat. 2017 war das wirklich noch ganz anders.

Aber was man auch nicht verkennen darf: Wir als Journalisten sind ja in der Beziehung Early-Adopter. Meine Zielgruppe ist nicht so. Die ist verhältnismäßig träge, im besten Sinne. Das sind Leute, die müssen jetzt nicht jedem Trend hinterherrennen. Sie haben zwar auch Tiktok, haben es aber nicht am ersten Tag heruntergeladen. Und deswegen sind viele von ihnen auch noch auf Facebook, weil sie sich da eingerichtet haben.

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Junge Landwirte und Landwirtinnen beispielsweise sind in riesigen Facebook-Gruppen organisiert. Gleiches gilt etwa für Pflegepersonal. Und davon haben wir immer enorm profitiert und aktiv damit gearbeitet. Wir sind in diese Gruppen reingegangen, um dort zu recherchieren und unsere Videos zu verbreiten. Trotzdem merkt man jetzt so ganz langsam, dass auch da diese Wanderungsprozesse einsetzen und sich junge Leute von Facebook abwenden.

Und warum ist das so?

Das hat zum Teil mit Entscheidungen zu tun, die die Plattform getroffen hat. Zum Beispiel, wie sie eine Zeit lang Falschnachrichten verbreitete. In unseren Zielgruppengesprächen hat sich gezeigt, wie bewusst sich junge Leute insbesondere seit diesem Jahr über Verschwörungstheorien sind und was für Sorgen sie auch dadurch haben. Etwa, wie der öffentliche Diskurs oder das eigene Umfeld beeinflusst werden. Ich glaube, die wissen schon, welche Rolle eine Plattform wie Facebook dabei gespielt hat.

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