Endzeitromeo im Abenteuerland – „Love and Monsters“ bei Netflix

Gutes Monsterabwehrteam: Joel (Dylan O’Brien) und sein Hund Boy.

Gutes Monsterabwehrteam: Joel (Dylan O’Brien) und sein Hund Boy.

Liebe überwindet alles, traut sich sogar gegen Monster anzutreten. Das erzählt uns der südafrikanische Regisseur Michael Matthews („Five Fingers for Marseilles“, 2017) in der Hollywoodproduktion „Love and Monsters“. Darin begibt sich „Maze Runner“-Star Dylan O’Brien als Endzeitromeo Joel Dawson auf eine 150 Kilometer lange Reise zu seiner Aimee (Jessica Henwick).

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Keine Distanz für die wahre Liebe, möchte man meinen, aber sieben Jahre zuvor, als beide noch Teenager waren, hat der chemische Abfall von Raketen, die einen anrasenden Asteroiden zerstörten, in unheilvoller Simsalabim-Manier alle Kaltblüter ins Gigantische wachsen lassen. Nicht in einheitlichem Maßstab zwar – eine Kröte ist so groß wie ein VW-Bus, ein Tausendfüßler lang wie ein Greyhound. Aber überall wuselt und schlängelt etwas mit Menschenfresserpotenzial. Der Prinz, der bei den Gebrüdern Grimm für Dornröschen durch die Dornenhecke musste, hatte einen leichten Job gegen die Aufgabe, die Joel geschultert hat.

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Zumal er von Natur aus eher kein Held ist. Er muss die „prima Minestrone“ zubereiten, wenn die anderen in seiner „Kolonie“ (einem unterirdischen Bunker) auf gefährliche Nahrungsmittelbeschaffungstrips gehen. Joel gilt als „Schwachklappe“, „Lauch“: „Du bist eine Belastung“, heißt es in seiner WG. „Sogar beim Sammeln.“ Sie meinen das nicht böse, diese Mitbewohner, aber die freundliche Unterschätzung nagt doch an Joels Selbstbewusstsein.

Als Endzeitsingle unter Paaren ist Frust programmiert

Zudem sind alle um ihn herum verpaart, und als wieder einmal ein röchelndes, rasselndes Mordsvieh von Ameise zurückgeschlagen werden muss, und er Aimee per Funk davon berichtet, steht fest: Joel muss etwas für sein Herz tun. „Ich werde dich finden“, hatte er einst geschworen. „Das solltest du besser“, hatte Aimee ihm geantwortet, bevor sie ins Auto ihrer Eltern stieg.

Und so zieht der Held hinaus in eine wunderschöne, feindselige Welt, in der Autowracks und Häuserruinen von pittoresker Flora überwuchert sind, fantasiert über die Schönheit der Postapokalypse, ihren Anblick, ihren Duft, wird der beste Freund des einsamen Hundes Boy – und plumpst ins erstbeste Loch voller ekeliger Sandwürmer, woraus er gerade noch von Clyde (Michael Rooker war der fiese Merle Dixon in „The Walking Dead“) und der achtjährigen Minnow (Ariana Greenblatt aus Disneys Gorillamärchen „Der einzig wahre Ivan“) gerettet wird.

Zwei Lehrmeister – cool wie Indiana Jones und Pippi Langstrumpf

Die beiden sind cool wie Indiana Jones und Pippi Langstrumpf und bringen Joel in einem Schnellkurs das Überleben bei. Zehn Regeln gibt es – von „Immer von Anhöhen aus orientieren – dann siehst du die ‚big sonofabitches‘“ bis zu „Socken trocken halten“. „Zombieland“ lässt grüßen.

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So entwickelt sich ein altmodischer, witziger, vorzüglich unterhaltsamer Abenteuerfilm in einer Welt, die der unseren optisch so gut wie gar nicht ähnelt, situativ aber durchaus vertraut ist, weil ihre lebensbedrohlichen Bedingungen die Menschen in Isolation voneinander fernhalten. „Love and Monsters“ ist eine Liebeserklärung an das fantastische Kino der Effekte – mit Hommagen an Willis O’Brien („King Kong und die weiße Frau“), Ray Harryhausen („Sindbads siebente Reise“) und Brian Johnsons Effektteam für Ridley Scotts „Alien“.

Der Regisseur mag Monster – aber auch Menschen

„Love and Monsters“ ist fürs große Kino gedacht gewesen, die mikroskopisch kleinen „bugs“ der Pandemie haben ihn nun Netflix zugeschlagen. Ist der heimische Flachbildschirm groß genug, kommt rüber, was Matthews vorschwebte – ein nicht ganz hyperrealistisch wirkender CGI-Zauber. „Das war toll“, referiert Joel denn auch übers Kino, als er wieder einmal eins der Biester besiegt hat und endlich zu sich selbst gefunden hat. „Wie Tom Cruise.“

Und wenn Joel auf eine funktionierende Mav1s trifft, eine wohlmeinende Roboterin à la „Wall-e’s“ Braut Eve, die nur noch Saft für 51 Minuten hat, ihm in dieser Zeit ein Bild seiner Eltern präsentiert und dazu Ben E. King „Stand by Me“ abspielt – seit Rob Reiners gleichnamiger Stephen-King-Verfilmung das Lied aller Jungs, die zu Fuß ein Abenteuer wagen (ja, auch dieser Film stand Pate) – ist der Filmfan völlig hin und weg.

Obwohl man natürlich allzeit gespannt ist, wie garstig-schön das nächste Monster herüberkommt, wird der Film vor allem dadurch rund, dass der Held im Verlauf der 109 Minuten reift und sich charakterlich vergrößert. Der Regisseur mag Monster, er mag aber auch Menschen – ein Glück, das nicht jeder Fantasy/Horror/Sci-Fi-Stoff hat. Herz bleibt Trumpf in diesem 109-minütigen „Kopf hoch!“.

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Wie das mit der Reise und der Liebe ausgeht, sei nach so vielen Kleinspoilern nicht verraten. Sie ist ein seltsames Spiel, davon konnte 1960 schon die Popsängerin Connie Francis ein Lied singen. Hollywood wird zwar nur in Ausnahmefällen Geschichten erzählen, in denen ein romantischer Recke à la Joel auf halber Strecke von Tarantula, Formicula und Co. erledigt wird.

Aber die Zeiten, in denen dem Tarzan eines Films die Jane im Baumhaus schon garantiert war, sobald er sich nur an die erste Liane hängte, sind auch vorbei. Ein Dornröschen von heute weiß zwischen rettendem Ritter und Traumprinz sorgfältig zu unterscheiden – automatische Personalunion gibt’s nicht mehr.

Liebe überwindet vieles, aber sieben Jahre Trennung sind – der Märchenzahl zum Trotze – auch eine krass lange Zeit.

„Love and Monsters“, 109 Minuten, bei Netflix, Regie: Michael Matthews, mit Dylan O’Brien, Michael Rooker, Jessica Hanwick, Ariana Greenblatt (bereits streambar)

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