Nach Kritik an DSDS: RTL schneidet Michael Wendler aus der Sendung
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„DSDS“-Jurymitglied Michael Wendler.
© Quelle: imago images/Horst Galuschka
Köln. Nach der massiven Kritik am Auftritt des Verschwörungstheoretikers Michael Wendler in der neuen Staffel von „DSDS“ will RTL die Folgen nun doch umschneiden.
„RTL distanziert sich klar und eindeutig von den aktuellen Äußerungen Michael Wenders, in denen er die gestern festgelegten Lockdown-Maßnahmen zum Schutz von Menschenleben inmitten der Corona-Pandemie nun in national-sozialistischen Kontext setzt“, teilte der Sender am Mittwochnachmittag mit. „Wir verurteilen jegliche Form von Antisemitismus, Rassismus sowie Diskriminierung auf das Schärfste. In Zeiten, in denen es darum geht, durch gesellschaftlichen Zusammenhalt, gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt gemeinsam eine schwere Krise zu bewältigen, wird RTL mit einer Unterhaltungsshow nicht die Bühne für Menschen sein, die ihrerseits Spaltung und Verharmlosung propagieren“, wird Jörg Graf, Geschäftsführer des Senders RTL zitiert.
Wendler werde somit auch aus allen bereits fertig produzierten Folgen der Castingshow DSDS herausgeschnitten.
Rolle rückwärts
Der Schritt ist in gewisser Weise eine Rolle rückwärts. Erst am Mittag hatte ein Sprecher gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) angekündigt, man wolle die Szenen mit Michael Wendler nicht gänzlich aus der Sendung streichen, diese jedoch besser kennzeichnen.
„Wir haben uns entschieden, für den Zuschauer ab der nächsten Folge ‚DSDS‘ noch deutlicher zu machen, dass die Dreharbeiten zu einem Zeitpunkt stattgefunden haben, als Michael Wendler noch ein Schlagersänger war und es keine Anzeichen für seine derzeitige politische Einstellung gab“, so RTL-Unterhaltungschef Sturm am Mittwoch. Wie genau die Kennzeichnung aussehen soll, ließ der Sender zunächst offen.
Der Auftakt der neuen Castingstaffel hatte am Abend für deutliche Kritik gesorgt. Während die Show mit Michael Wendler zur besten Sendezeit im TV ausgestrahlt wurde, wütete dieser beinahe zeitgleich gegen die neuen Corona-Maßnahmen auf Telegram. Mitunter bezeichnete er die Maßnahmen dort als „KZ Deutschland“. Bei „DSDS“ fehlte jedoch on air jegliche Einordnung oder Distanzierung seitens des Senders.
„Lassen uns ‚DSDS‘ nicht zerstören“
„Michael Wendler vergleicht Corona-Schutzmaßnahmen mit Konzentrationslagern. Und RTL so: Dem geben wir die Primetime, ohne Einordnung oder Distanzierung“, twitterte etwa das Medienmagazin DWDL.de. Die Autorin Anja Rützel schrieb: „Ich sehe keinen Grund, warum man den Wendler nicht mittels Special Effect durch ein Winkmaskottchen unter anderem ersetzen ließ. So ist es indiskutabel.“
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Als Reaktion auf den DWDL-Tweet twitterte der Sender noch am Abend: „Wir lassen uns eine erfolgreiche Show nicht von einem Verschwörungstheoretiker zerstören. Die 13 Castingfolgen waren abgedreht, bevor Michael Wendler seine befremdlichen Aussagen tätigte. Nach den Castingepisoden spielt er keine Rolle mehr – weder bei ‚DSDS‘ noch bei RTL.“ Offen ließ man allerdings, warum man on air keinen Disclaimer oder ähnliches eingeblendet hatte, um den Zuschauer aufzuklären.
Auch an der Ausstrahlung der Folgen wollte man zunächst festhalten. „Während der Aufzeichnungen der Castingfolgen gab es keinerlei politische Aussagen von Michael Wendler, sondern er äußerte sich als gleichberechtigtes Jurymitglied nur zu den musikalischen Qualitäten der Kandidaten“, so Sturm am Mittwoch gegenüber dem RND.
Ein RTL-Sprecher teilte des Weiteren mit, dass ein Herausschneiden des Schlagersängers aus der Sendung gegenüber den teilnehmenden Kandidaten unfair sei. „Allein aus Fairness den Kandidaten gegenüber und für das Verständnis des weiteren Verlaufs der Show wird Michael Wendler weiterhin in den Castingfolgen zu sehen sein. Aufgrund seiner Juryentscheide sind Teilnehmer nicht weiter bzw. in den Recall gekommen. Wir können die Historie nicht mehr ändern und anders darstellen, sondern nur die Chronologie der Ereignisse zeigen. Ab dem Recall spielt er keine Rolle mehr bei ‚DSDS‘ oder RTL“, hieß es von RTL.
Politiker fordert Absetzung der Sendung
Derweil erreichte das Thema allerdings auch die Politik. Gegenüber der „Bild“-Zeitung äußerte sich etwa Frankfurts Bürgermeister und Hessens Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker (CDU): „Schlagersänger Michael Wendler gehört mit seiner Holocaustrelativierung und seinen kruden Verschwörungstheorien nicht ins Fernsehen“, findet dieser.
„Mit seiner jüngsten Entgleisung zur Kommentierung der aktuellen Corona-Regeln hat er sich endgültig disqualifiziert. Wer die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Deutschland mit einem KZ gleichsetzt und damit die Shoah derart relativiert, der sollte nicht von Woche zu Woche einem Millionenpublikum als Juror vorgesetzt werden. Da reicht auch die von RTL ins Feld geführte Begründung bereits abgedrehter Castings nicht aus.“
Becker forderte daher den Abbruch der Sendung: „Auch wenn der Schlagersänger nicht mehr für die weiterführenden Shows vorgesehen ist, bietet ihm das Fernsehen noch wochenlang eine zusätzliche öffentliche Bühne. ‚Deutschland sucht den Superstar – DSDS‘ sollte abgebrochen werden, es sei denn, die Verantwortlichen bei RTL finden doch noch einen Weg, um die bereits aufgezeichneten Castings oder deren Ergebnisse auch ohne den Schlagersänger zu zeigen.“
„Nur noch mehr Aufmerksamkeit“
Auch die NRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger meldete sich zu Wort: „Die Aufregung um die Auftritte von Michael Wendler bei ‚DSDS‘ verschaffen ihm und seinen kruden Verschwörungsmythen noch mehr Aufmerksamkeit“, so Leutheusser-Schnarrenberger gegenüber der dpa.
RTL solle prüfen, wie es seiner Verantwortung gerecht werde. „Michael Wendlers Äußerungen bewegen sich im Bereich der Holocaustrelativierung. Diesem ernsten Fall muss auch mit entsprechender Ernsthaftigkeit beim Sender begegnet werden.“