Den Letzten beißen die Toten – „Day of the Dead“ ist eine Hommage an Zombieerfinder George A. Romero

Im Wald, da sind die Zombies: Luke (Daniel Doheny), Sohn der Bürgermeisterin, nimmt gerade zu Unrecht an, sein letztes Stündlein könne geschlagen haben.

Im Wald, da sind die Zombies: Luke (Daniel Doheny), Sohn der Bürgermeisterin, nimmt gerade zu Unrecht an, sein letztes Stündlein könne geschlagen haben.

„Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kehren die Toten auf die Erde zurück“, mit diesem Slogan warb der Verleih im Sommer 1979 für „Zombie“, George A. Romeros Überraschungserfolg, der das Horrorfilm-Subgenre des Zombiefilms nach zehn Jahren Pause in Schwung brachte. 2021 ist die Hölle mal wieder voll, und die Untoten krauchen in Mawinhaken, Pennsylvania, aus ihren Gräbern.

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Klassisch wühlen sich plötzlich Hände vor den Grabkreuzen aus der Erde, und Leichname in den Farben fauligen Obstes steigen aus den Särgen, um zu wanken, zu röcheln und sich kannibalisch zu nähren. „Day of the Dead“ heißt – wie 1985 die „Zombie“-Fortsetzung im Kino - die heute, ein paar Tage vor Halloween startende Serie von Jed Elinoff und Scott Thomas. Mit dem Film hat sie (in den fünf der Presse zur Sichtung gewährten Folgen) allerdings nur Dr. Logan (Lucia Walters) gemein – eine „Frankenstein“ genannte Forscherin, die zu unguten Zwecken die Ursache der Epidemie unterm Mikroskop sucht und findet.

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Als gäbe es nicht schon genug Bildschirm- und Leinwandzeit für die nimmermüden, ziemlich ekligen Taumler und Beißer. Anders als bei den realistisch-ernsten Schöpfungen aus dem Hause „The Walking Dead“ (TWD) ist die neue Serie des US-Senders Syfy (via Sky streambar) allerdings eher ein trashiges Vergnügen. Die Figuren sind psychologisch grob geschnitzt und handeln gern nach der absurden Horrorlogik „Begib dich in Gefahr und bleib darin“. Die Schauspieler agieren comichaft, und sagen theatralische Sätze wie „O Gott, ich werde hier sterben“, wenn sich ihnen von allen Seiten Untote nähern. Und Bürgermeisterin Paula (Miranda Frigon), an deren Wahltag der Wahnsinn losbricht, lädt ihre Flinte mit einem Terminator-Grinsen und einem „Let‘s Move“ durch. Alles hier ist aufgeblasener als Popcorn.

Ein Frackingunternehmen macht eine unheilvolle Entdeckung

Es gibt allerhand Personal: Wir treffen Paulas Sohn Luke (Daniel Doheny), der sich mit Kumpel Trent (Trezzo Mahoro) mit einem zentnerschweren Bierfass zu einer ominösen Party im Wald müht. Wir lernen dessen laxen früheren „best friend“ Cam (Keenan Tracy) kennen, der am letzten Tag von „normal“ gähnt, sein Nachtshirt zum Tagesshirt ernennt, die waschmaschinenreife Hose aus der Wäschebox noch mal für okay erklärt und auf dem Friedhof und vor dem Bestattungsinstitut den Rasen mäht. In Letzterem bereitet die Assistentin Lauren (Natalie Malaika), zu der Cam später romantisch in Beziehung tritt, eine Trauerfeier vor. Der wenig selbstsichere indischstämmige Jay (Dejan Loyola) steht an diesem verhängnisvollen Tag vor seiner Hochzeit mit der allzu dominanten Amy (Kristy Dawn Dinsmore), deren noch dominanterer Vater ihn mehr verunsichert als die schon bald die Feier aufmischenden Auferstandenen.

Draußen vor der Stadt stößt derweil ein Frackingunternehmen, das die Landschaft verwüstet, mit dem Bohrer auf eine Höhle. Die Neue unter den Arbeitskräften, die indigene Blackwood (Morgan Holmstrom), entdeckt darin einen maskierten, mumifizierten Leichnam. Bloß ist der nicht tot. Und so ist Mawinhaken binnen kurzem Schauplatz dessen, was Cam eine „Zombieapokalypse“ nennt. Was Witz hat, denn Zombiegeschichten spielen meist in Paralleluniversen, die unserer Welt fast aufs Haar gleichen, bis auf eine Tatsache, dass es dort keine Zombieserien, -filme, -storys gibt. Die Helden von TWD etwa erwähnen das Wort Zombie kein einziges Mal.

Die Serie spielt mit aktuellen Zukunftsängsten

Der Tonfall der Serie ist splattrig-komisch, die Botschaft ökologisch. Fracking hat die Gemeinde Mawinhaken gespalten. Wer für neue Jobs und wirtschaftlichen Aufschwung um jeden Preis stimmt, wählt Paula Bowman zur Bürgermeisterin, die im Erdgas eine Chance sieht. Wer dagegen den Planeten vor Ort retten helfen will, macht sein Kreuz beim alten Pops Walker. Die Serie spielt dabei mit den grassierenden Zukunftängsten vor einer Freisetzung bislang verborgener schädlicher bis tödlicher Substanzen (wie Methanlecks in der Antarktis).

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Irgendetwas ist denn auch im Boden von Mawinhaken, und wahrscheinlich hat es irgendwie mit der Mumie zu tun, deren Kleidungsreste seltsamerweise als „schwedisch“ identifiziert werden. Durch das räuberische Unternehmen wird dieses Etwas freigesetzt, gelangt ins Wasser, gelangt in die Luft, verursacht die Seuche, die tote Menschen in Menschenfresser verwandelt. Wirtschaft geht vor Wahrheit, Kapitalismus ist Gier. Und Gier ist im oft moralischen Genre des Schreckens der Anfang vom Ende. Das jetzt über Pennsylvania kommt – dick und hässlich.

Amerikas Ureinwohner erwachen zum letzten Gefecht

Hinzu gesellen sich die Schatten uramerikanischer Schuld. Gebohrt wird nämlich – wie nicht selten in US-Horrorerzählungen – auf altem heiligen Grund der First Nations. Selbst der Golfplatz der Gemeinde wurde auf einem Indianerfriedhof errichtet. Die ethischen Defizite des weißen Amerika rächen sich jetzt. Die Ureinwohner erwachen zum letzten Gefecht, um – irgendwie hat das ja was – den Planeten vor den Lebenden zu retten. Zombies sind besser als Menschen – ihre geistige Inkompetenz ist unschuldig, und sie richten sich nur gegen die ehemals eigene Spezies. Sind erst mal alle aufgefressen respektive verwandelt, kann Mutter Erde aufatmen. Neustart.

Ob es soweit kommt in „Day of the Dead“? Einstweilen ist für die überlebenswilligen Kleingruppen „kriegen wir irgendwie hin“ das neue „ausweglos“, was im Grunde nichts Neues ist. Die Serienmacher gaukeln uns vor, dass man eine solche Pandemie bestehen kann, wenn man zusammenrückt, einander beisteht, dass in der Weltbedrohung sogar noch eine letzte soziale Gemütlichkeit geborgen ist. Blicken wir auf die Unvernunft so einigen Treibens in der realen Corona-Pandemie, erscheint uns Solidarität wie hier eher fraglich. Wie wir nicht nur aus „The Walking Dead“ wissen, wird der Mensch dem Menschen schnell zum Wolf, und die Zombies sind schon bald nur noch eine lästige Randerscheinung postzivilisatorischer Verhältnisse.

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„Day of the Dead“, zehn Episoden, von Jed Elinoff und Scott Thomas, mit Keenan Tracy, Natalie Malaika, Dejan Loyola, Daniel Doheny (von Syfy, streambar bei Sky)

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