Daten sind das neue Gold
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Daten sind ein lukrativer Rohstoff, der, klug aufbereitet, die Welt durchsichtiger machen kann – aber ebenso auch den Menschen.
© Quelle: iStock
Berlin. Persönliche Daten gelten als das neue Öl des Internets und die neue Währung der digitalen Welt“: 2009 prägte die damalige EU-Kommissarin für Verbraucherschutz, Meglena Kunewa, dieses seither viel zitierte Bild. Daten sind zum Rohstoff eines Wirtschaftszweiges geworden: personenbezogene Daten wie Name, E-Mail-Adresse, Einkommen oder Foto und auch solche etwa über Verkehrsflüsse oder Stromverbrauch.
Eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission schätzt den Gesamtwert der Datenwirtschaft in der EU auf 300 Milliarden Euro im Jahr 2016 und prognostiziert einen Anstieg auf 740 Milliarden im Jahr 2020. Der Studie zufolge gibt es in der EU sechs Millionen “Dataworker“, Beschäftigte also, die zentral mit dem Sammeln und Analysieren von Daten befasst sind. Bis 2020 sollen es sogar zehn Millionen sein, angestellt bei 360 000 Unternehmen.
Wie Rohöl müssen Daten aufbereitet werden. Hat man genug in passendem Format, kann man durch computergestützte Analysen Muster erkennen, die sonst im Durcheinander der Welt verborgen blieben. So können Mediziner Hautveränderungen diagnostizieren, Wissenschaftler Verkehrsflüsse simulieren und Firmen erkennen, wo ihr Produktionsprozess noch nicht optimal läuft.
Daten verbrauchen sich nicht, wenn sie benutzt werden
Der Ökonom Erik Brynjolfsson kam 2011 zu dem Ergebnis, dass Unternehmen, die auf eine datenbasierte Entscheidungsfindung setzen, 5 bis 6 Prozent effizienter sind als solche, die es nicht tun. Anders als Öl verbrauchen sich Daten nicht, wenn sie benutzt werden. Sie veralten allenfalls. Der freie Fluss nicht -personenbezogener Daten gilt als Quelle technischer Innovationen und wird zum Beispiel von der EU-Kommission gefördert.
Personenbezogene Daten hingegen sind das Öl und vielleicht sogar das Gold des milliardenschweren Werbemarktes. Das Ziel: Werbung möglichst zielgenau an diejenigen Kunden zu bringen, die sich für die Angebote auch interessieren. Entweder indem man auf Wissen über diese Kunden zurückgreift oder indem man Kunden in Gruppen mit ähnlichen Eigenschaften einsortiert und davon ausgeht, dass diese auch ähnliche Kaufentscheidungen fällen werden.
Nach einem Bericht der Data and Marketing Association haben US-Unternehmen 2017 über 10 Milliarden US-Dollar für Daten im Zusammenhang mit Werbung und Marketing ausgegeben und noch einmal dieselbe Summe für technische Lösungen, um diese Daten auch nutzen zu können.
Bei Internetdiensten, die nichts kosten, ist der Kunde das Produkt
Personenbezogene Daten unterliegen den unterschiedlich strengen nationalen Datenschutzgesetzen. Oft dürfen sie nur in anonymisierter Form gehandelt werden. Dennoch lassen sie sich häufig wieder konkreten Personen zuordnen. Viele Daten geben Menschen selbst frei, etwa wenn sie sich in Sozialen Medien registrieren oder dort über ihr Leben plaudern. Andere Daten generieren sie eher unwissentlich, wenn sie ihre Smartphones nutzen, bei Google Suchanfragen stellen, online shoppen oder eine Payback-Karte vorlegen.
Über Cookies oder die Facebook-ID können Firmen verfolgen, was ein Nutzer im Internet tut und welche Produkte er sich ansieht. E-Mails können auf Stichwörter gescannt, Likes ausgewertet werden. Bei Internetdiensten, die nichts kosten, ist der Kunde bekanntlich das Produkt – in Form möglichst reichhaltiger Datensätze.
Mit diesen wird unterschiedlich verfahren. Facebook etwa verkauft die gesammelten Daten nicht. Es analysiert sie und verkauft, ebenso wie Google, die Ergebnisse dieser Analyse: als zielgenaue Werbeplätze auf den eigenen Seiten, die unter den Meistbietenden versteigert werden. Die Werbeerlöse von Facebook beliefen sich im vierten Quartal 2017 auf knapp 13 Milliarden US-Dollar.
Weltumspannender Markt der Datensammler
Facebook und Google sind nur Teile des viel größeren weltumspannenden Marktes mit mehr als 1000 öffentlich kaum bekannten Datensammlern und -händlern, die soziale Netzwerke durchforsten, das Online-Verhalten der Nutzer verfolgen, Daten zukaufen, austauschen, analysieren und weiterverkaufen.
Als Besitzer der weltweit größten Datensammlung gilt das US-Unternehmen Acxiom. Es wirbt mit 2,5 Milliarden erreichbaren Kunden weltweit, 250 Millionen davon in den USA, mit Adressen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen, Alter, Geschlecht, Erziehung, Beruf, Interessen, Zahl und Alter der Kinder, finanzieller Situation, Ereignissen wie Hochzeiten, Geburten oder Umzügen, Kaufverhalten, gesellschaftlichem Engagement “and more“.
Je detaillierter ein Datensatz, desto wertvoller
Auf der Basis dieser Daten lassen sich Menschen gezielt ansprechen. Gute Kunden, die Umsatz bringen, lassen sich von denen trennen, die Ressourcen binden, aber kaum Gewinn bringen. Der solvente Rentner, der teure Reisen bucht, die alleinerziehende Mutter, die Secondhand-Kinderkleidung kauft, das junge Paar auf der Suche nach einer Immobilie: Verbraucherschützer gehen davon aus, dass Tausende solcher Klassifikationen existieren. Je detaillierter ein Datensatz, umso wertvoller ist er, auch für Versicherungen, Kreditanbieter, Krankenkassen und politische Parteien.
Dass Daten gesammelt werden, ist nicht neu. Neu ist die Menge, die Speicherkapazität, die erlaubt, sie festzuhalten, und die Rechenleistung, mit der sie ausgewertet werden können. Diese Faktoren machen Daten zu einem lukrativen Rohstoff, der, klug aufbereitet, die Welt durchsichtiger macht – und wenn wir nicht aufpassen, auch den Menschen.
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Manuela Lenzen
© Quelle: privat
Zur Person: Manuela Lenzen ist freie Wissenschaftsjournalistin und promovierte Philosophin. Ihr neues Buch “Künstliche Intelligenz. Was sie kann und was uns erwartet“ ist bei C.H. Beck erschienen (272 Seiten, 16,95 Euro).
Von Manuela Lenzen