Das Ende von “bento”: Jugendangebote in der Krise

Das Verlagshaus des “Spiegel” in Hamburg.

Das Verlagshaus des “Spiegel” in Hamburg.

Hamburg/Berlin. Leicht hatte es “bento” von Anfang an nicht. Kaum online gegangen, hagelte es schon im Oktober 2015 den ersten Verriss. Und er kam direkt aus der Zielgruppe.

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Der damals 18-jährige Autor Miguel Robitzky schrieb beim Medienmagazin “DWDL.de”, wie wenig er sich vom neuen jungen Portal des Spiegel-Verlags ernst genommen fühle. “An dieser Stelle verrate ich euch mal ein Geheimnis”, schrieb Robitzky. “Ich lese nicht nur regelmäßig ‘Spiegel Online’, sondern kaufe sogar ab und zu den ‘Spiegel’ am Kiosk. Ja, Gedrucktes auf toten Bäumen. Und in meinem Freundeskreis gibt es sogar Personen, die ein Abo vom ‘Spiegel’, von der ‘Zeit’ oder Ähnliches haben.”

“bento” brauche es darum genauso wenig wie das öffentlich-rechtliche Nachrichtenpendant “Heute+”. “Uns reicht der stinknormale Claus Kleber mit Krawatte und das ‘Spiegel Online’ in der Non-Yolo-Version”, resümierte Robitzky.

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Der schmale Grat zwischen “cool” und “cringe”

In den knapp 10.000 Zeichen davor nahm Robitzky das neue, bunte Portal gnadenlos auseinander, beschwerte sich etwa über den selbst angekündigten “Quatsch” auf der Seite. “Bloß nicht mit Seriosität abschrecken. Nachrichten über Krisen und Kriege ja, aber der Fun-Faktor darf nicht fehlen”, so der Autor spöttisch. Wichtige Themen würden mit vermeintlich Hippem kombiniert, damit es besser klickt. “Da fällt einem vor lauter Jugendlichkeit doch glatt das Longboard aus der Hand.”

Tatsächlich sollte das Problem mit der Jugendlichkeit auch in den kommenden Jahren bleiben. Der Grat zwischen “cool” und “cringe” ist manchmal ziemlich schmal. Und “bento” traf nicht immer den richtigen Ton.

Die Sprache wirkte oft gewollt jugendlich, Artikel waren überschrieben mit Wörtern wie “Say what!”. Ausgerechnet der Klassensprecher der Generationen Y und Z, Jan Böhmermann, kritisierte “bento” im Jahr 2017 als schlicht “unseriös”. Er sprach in einem Beitrag im “Neo Magazin Royale” von “zynischen Quizzen, absurden Listen und notdürftig verhüllter Werbung”.

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All das ist nun einige Jahre her. Noch im Oktober versuchte man offenbar, “bento” auf eine etwas seriösere Ebene zu heben und spendierte dem Portal eine andere Ausrichtung und ein schlichteres Design. Am Mittwoch verkündete dann jedoch der Spiegel-Verlag, “bento” werde nach fünf Jahren eingestellt. Betroffen sind von dem Schritt 16 Redakteurinnen und Redakteure. Grund ist nicht die fehlende Jugendlichkeit, sondern die fehlende wirtschaftliche Perspektive.

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Spielwiese für junge Journalisten

Schade ist das allemal. Denn “bento” war – fernab aller Kritik – auch Spielwiese für viele junge Hoffnungsträger des Journalismus. Hier konnte man sich ausprobieren und Dinge machen, die man im seriösen Mutterschiff des Verlags so wahrscheinlich nicht durchbekommen hätte.

Die Journalistin Martina Kix schrieb beispielsweise auf Twitter, es fehle jetzt “ein weiterer Ort, an dem sich junge, aufstrebende Journalistinnen und Journalisten ausprobieren dürfen. Diese Redaktionen waren für viele ein Startpunkt, zum ersten Mal auf Recherche fahren, Texte redigieren, im Team arbeiten, Geschichten drehen, all das. Es waren Orte, bei denen man auch Fehler machen durfte und immer lernte.”

Diese Orte seien wichtig für den Journalismus, da die Redakteurinnen und Redakteure nach ein paar Jahren “zum Hauptprodukt wechseln und sich weiterentwickeln konnten. Sie bilden außerdem, wie kein anderes Medium, die junge Lebenswelt ab, und für die interessieren sich dann doch nicht nur #diesejungenLeute selbst, sondern auch die Älteren.”

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Doch nicht nur für junge Journalistinnen und Journalisten war “bento” Sprachrohr. Hier kamen auch junge Politikerinnen und Aktivisten zu Wort, deren Sichtweise von etablierten Medienhäusern oft nur unzulänglich abgebildet wird. Die Journalistin Teresa Bücker schrieb auf Twitter: “Das ist sehr schade für die Leser*innen und die Redaktion, denn ‘bento’ hat versucht, jüngere Menschen in ihrer Vielfalt sichtbar zu machen und das auch bei den Autor*innen umgesetzt. Von dieser Herangehensweise brauchen wir mehr, nicht weniger.”

“bento” ist kein Einzelfall

Dass immer mehr dieser Plattformen verschwinden, ist derweil nicht von der Hand zu weisen – denn um Deutschlands junge Nachrichtenportale steht es nicht gut. Unlängst wurde bekannt, dass das Portal “Buzzfeed Deutschland” zum Verkauf steht. Die Redaktion in Berlin präsentiert seit 2014 witzige Listen und Quizze, aber auch bedeutende Recherchen. Autorin Pascale Müller wurde für den Text “Vergewaltigt auf Europas Feldern” gar mit dem Nannen-Preis in der Kategorie “Beste investigative Leistung” ausgezeichnet.

Das deutlich krawalligere US-Portal “Vice” hat derweil im Mai angekündigt, 155 Stellen abbauen zu wollen, 100 davon im Ausland. Der deutsche Ableger ist nicht betroffen – zumindest vorerst. Hier arbeiten die Mitarbeiter seit Juni zunächst drei Monate in Kurzarbeit. Anfang 2019 gründete die Belegschaft aus Angst vor Kündigungen einen Betriebsrat.

Und auch bei den Öffentlich-Rechtlichen schwinden die einst hoffungsvollen Jungformate: Das anfangs schon erwähnte Nachrichtenformat “Heute+” soll 2020 nicht mehr im Fernsehen zu sehen sein, wie Ende 2019 bekannt wurde. Auch hier hatte man seit 2015 versucht, mit betont jugendlichen Themen um die junge Zielgruppe zu werben.

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“Spiegel” will an jungen Lesern festhalten

Nachrichtenformate und -portale für junge Leute galten spätestens ab 2015 als große Hoffnung für etablierte Medienhäuser. ARD und ZDF erschufen mit Funk ein Jugendangebot im Netz, “Die Zeit” schreibt unter der Marke “Ze.tt” für die Generation Z, und Ströer brachte das junge Portal Watson an den Start.

Der Spiegel-Verlag in Hamburg will die junge Zielgruppe nun allerdings nicht ganz aufgeben. Mit dem Ende von Bento solle im Herbst ein Projekt mit dem Arbeitstitel “Spiegel Start” online gehen. Die Zielgruppe der unter 30-Jährigen sei für den “Spiegel” weiter relevant, wird die Chefredaktoin zitiert. Das Portal solle sich unter anderem mit Fragen rund um Studium und Jobeinstieg befassen.

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