Hype-App der Stunde: Das müssen Sie über Clubhouse wissen
Über Nacht zur Nummer 1 im App-Store: Die Social-Audio-Anwendung setzt dabei einzig auf Gespräche, ohne Likes, Kommentare oder Kamera. Und kreiert einen Hype.
© Quelle: Frederik Eichholz/RND
Hannover. Gefühlt die gesamte Social-Media-Blase spricht derzeit über eine App: Clubhouse. Wer Early-Adopter sein möchte, fragt bei Twitter verzweifelt nach einer Einladung. Wer keine bekommt, wird inzwischen sogar bei Ebay-Kleinanzeigen fündig: Hier verkaufen windige Nutzer Einladungen für bis zu 30 Euro pro Stück.
Einfach so anmelden kann man sich bei Clubhouse derzeit nämlich nicht. Es bedarf zwingend der Freischaltung durch einen anderen Nutzer. Wer keine Einladung hat, muss warten – gleiches gilt für alle, die ein Android-Gerät ihr Eigen nennen. Vorläufig läuft die App nämlich ausschließlich auf iPhones.
Ganz ungewöhnlich ist das nicht: Schon in der Vergangenheit hatten neue Social-Media-Angebote immer wieder mit künstlicher Verknappung gearbeitet. Manchmal aus Selbstschutz, weil die Erstversion der App noch gar nicht für so große Nutzermassen ausgelegt war. Manchmal aber löste die Verknappung den Hype überhaupt erst aus. Selbst Instagram startete vor mehr als zehn Jahren zunächst als reine iPhone-App.
Genügend Early-Adopter scheint Clubhouse aber inzwischen zu haben: Am Montag verdrängte die Hype-App sogar den populären Messenger Telegram von Platz zwei der App-Store-Charts von Apple – öfter heruntergeladen wurde nur der Messenger Signal. Und in zahlreichen Gruppen innerhalb der App plaudern inzwischen unzählige Nutzerinnen und Nutzer über die unterschiedlichsten Themen.
Aber was genau ist denn überhaupt Clubhouse? Ist die App den Hype wirklich wert? Und welche Kritik gibt es? Ein Blick auf die App der Stunde.
Was ist Clubhouse?
Kurz gesagt ist Clubhouse eine Plattform für öffentliche Audiokonfererenzen. Nutzerinnen und Nutzer können innerhalb der App einen virtuellen Raum erstellen und drauflosquasseln – andere App-Nutzer können zuhören. Vergleichen könnte man das mit einem live gesendeten Podcast. Oder um einen Vergleich mit der Analogwelt heranzuziehen: Auf Clubhouse kann prinzipiell jeder seine eigene Radioshow machen.
In der Praxis funktioniert das so: Im Homescreen der App gibt es den Button „Start a Room“. Wer ihn klickt, kann zwischen drei verschiedenen Varianten wählen: „Open“ (in diesem Fall ist die Show öffentlich), „Social“ (ein Raum für Leute, denen man folgt) oder „Closed“ (ein Raum für Leute, die man explizit auswählt).
Entscheidet man sich für „Open“, kann prinzipiell jeder dem Gespräch zuhören – aber nur der Ersteller des Raumes kann entscheiden, wer auch mitdiskutieren darf. Zuhörer können sich derweil über einen Button virtuell per Handzeichen zu Wort melden und darauf hoffen, dass der Ersteller des Raumes sie zu Wort kommen lässt.
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Wer steckt hinter Clubhouse?
Anbieter von Clubhouse ist ein Start-up aus San Francisco. Mitbegründer der Plattform ist Paul Davison, der bereits die App Highlight gegründet und diese 2016 an Pinterest verkauft hatte. Zusammen mit seinem Kollegen Rohan Seth gründete er schließlich Clubhouse.
Davison sei langjähriger Freund von Podcasts, berichtet das Portal „The Wrap“. Man habe eine einfache Plattform entwickeln wollen, für Menschen, die „sinnvolle Gespräche“ senden, aber sich nicht mit den technischen Hürden eines Podcasts befassen wollen.
„Audio ist das älteste Medium“, so Davison gegenüber der Plattform. „Jeder kann reden. Es ist eine wirklich organische Sache“, wird er zitiert. Zudem bringe Audio viele Vorteile: Man müsse keine „Angst vor Videos“ haben. „Sie müssen sich keine Sorgen machen, wie Sie aussehen oder wie unordentlich Ihr Haus ist. Sie können einfach reden.“ Wichtig sei den Gründern auch eine Abkehr von Likes hin zu einer „menschlichen Verbindung“.
Warum wird die App plötzlich so gehyped?
Woher der plötzliche Hype um Clubhouse kommt, ist nicht ganz einfach zu ermitteln. Die Corona-Pandemie samt Lockdown dürften sicherlich dazu beigetragen haben. Im vergangenen Jahr hatten bereits Videodienste wie Zoom, aber auch der Messenger Telegram von der Ausnahmesituation profitiert.
Allerdings gibt es auch Clubhouse bereits seit dem Frühjahr 2020 – der Hype folgte erst rund ein Jahr später. Dies könnte damit zu tun haben, dass sich im Januar plötzlich immer mehr US-Promis auf der Plattform anmeldeten und die Werbetrommel für ihre Livestreams rührten. Konferenzen von beispielsweise Oprah Winfrey verfolgen Zigtausende Menschen.
Wie funktioniert die Anmeldung?
Die Anmeldung bei Clubhouse ist derzeit reichlich kompliziert. Die anfangs erwähnte Einladung eines Kontaktes ist zwingend notwendig – ansonsten hat der Nutzer nur die Möglichkeit, sich auf eine Warteliste setzen zu lassen.
Hat man jedoch eine begehrte Einladung erhalten (sie kommt per SMS), ist die Anmeldung jedoch schnell gemacht: Man trägt seine Handynummer innerhalb der App ein, Clubhouse kontrolliert dann, ob man tatsächlich eingeladen wurde. Im nächsten Schritt sendet die App einen Bestätigungscode per SMS, den man wiederum in der App eingeben muss. Mit anderen Worten: Ohne die Bereitstellung seiner Handynummer funktioniert bei Clubhouse gar nichts.
Im nächsten Schritt hat man dann die Möglichkeit, ein Nutzerprofil zu erstellen. Dies kann man manuell tun oder alternativ seinen Twitter-Account verknüpfen. Über diesen Weg werden Name und Profilbild ausgelesen und hinzugefügt.
Im letzten Schritt kann der Nutzer dann anderen Clubhouse-Usern folgen. Das funktioniert entweder per Abgleich des eigenen Adressbuchs (Achtung: Hierzu muss man Clubhouse Zugriff auf seine gesamten iPhone-Kontakte gewähren!) oder indem er seine Interessen angibt. Auf einer langen Auswahlseite werden die unterschiedlichsten Themen vorgestellt, die man auswählen kann: Von Essen und Trinken, Fernsehen und Architektur bis hin zu Klimawandel, LGBTQ und Politik.
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© Quelle: RND
Welche Inhalte sind auf Clubhouse zu hören?
Hat man es bis hierhin geschafft, landet man auf der Startseite der App. Hier werden die unterschiedlichsten Audiokonferenzen angezeigt, in die man sich direkt hineinschalten kann. Über eine Kalenderfunktion am oberen Rand ist es auch möglich, anstehende Audiokonferenzen zu entdecken.
Wer nun allerdings glaubt, diese würden seine zuvor angegebenen Interessen abbilden, dürfte schnell enttäuscht werden. Tatsächlich plaudern bei Clubhouse derzeit vor allem Early-Adopter – und dazu zählen vor allem Menschen aus der Marketingbranche. Dementsprechend klingen auch die Titel der Audiokonferenzen: „Content-Marketing & Storytelling“ beispielsweise, oder aber auch „Personal Branding und Content Creation“ und „Performance Marketing Q&A“.
Ein Großteil der Audiokonferenzen ist (noch) englischsprachig, einer heißt beispielsweise „How to Become a Clubhouse Influencer & Monetize Now“ (also: Wie wird man Clubhouse-Influencer und wie verdient man damit Geld?). Gelegentlich stößt man auf Räume, in denen es um Fitness und Sport geht, einige wenige befassen sich mit Musik, einige mit Techthemen.
In einem Audiochat beschrieb ein Nutzer das Problem am Morgen mit den Worten „Clubhouse ist das Linkedin zum Hören“: Gefühlt gehe es derzeit nur darum, sich selbst zu präsentieren, an den wirklich spannenden Inhalten hapere es noch. Genau das sorgt auch für reichlich Spott: Der Comedyautor Micky Beisenherz schrieb beispielsweise auf Twitter: „Warum Clubhouse? Wenn ich zwei Wichtigtuern beim Businessgesabbel zuhören will, kann ich doch auch ICE fahren!“
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Sind auch Promis auf der Plattform?
Interessant könnte Clubhouse jedoch auch für diejenigen sein, die sich für Entertainment interessieren. Denn: Zahlreiche Prominente haben sich in den vergangenen Wochen und vor allem Tagen dort angemeldet. Die Fußballprofis André Schürrle und Mario Götze sind etwa auf Clubhouse aktiv, ebenso wie der Fernsehmoderator Joko Winterscheidt, Musiker und Heimwerkerkönig Fynn Kliemann und Singer-Songwriter Olli Schulz.
Auch Nachwuchspolitiker wie Lilly Blaudszun (SPD) und Klimaaktivistin Luisa Neubauer haben sich auf Clubhouse angemeldet. Frank Thelen, bekannt aus der „Höhle der Löwen“, hat bei Clubhouse auch schon eine eigene Konferenz gesendet, auch FDP-Chef Christian Lindner beteiligte sich bereits an Diskussionen.
Auch international sind zahlreiche Größen auf der Plattform vertreten: Drake, Paris Hilton, Ashton Kutcher und Oprah Winfrey beispielsweise traten medienwirksam bei.
Wie steht es um den Datenschutz?
Kurz nach dem Hype von Clubhouse folgte am Wochenende allerdings auch laute Kritik. Vor allem die Tatsache, dass die App Zugriff aufs Adressbuch möchte, stieß einigen übel auf. Denn so werden auch die Daten völlig unbeteiligter Kontakte an Clubhouse übertragen.
Der Journalist und Techexperte Richard Gutjahr beispielsweise schrieb auf Twitter: „Leute, ernsthaft: sieben Clubhouse-Einladungen auf meine private Mobilnummer allein in den letzten zwei Stunden? Ladet ihr überall – ohne Rücksprache mit den Betroffenen – euer komplettes Telefonadressbuch auf einen fremden Server, nur weil ein Social Network das von euch möchte?“
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Ebenfalls wurde bekannt, dass die Audiochats temporär mitgeschnitten werden – „vorübergehend und verschlüsselt“, heißt es in den Nutzungsbedingungen der App. Grund sei die Überprüfung von Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen.
„Wir zeichnen den Ton vorübergehend in einem Raum auf, während der Raum live ist. Wenn ein Benutzer einen Vertrauens- und Sicherheitsverstoß meldet, während der Raum aktiv ist, behalten wir das Audio zum Zwecke der Untersuchung des Vorfalls bei und löschen es dann, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist. Wenn in einem Raum kein Vorfall gemeldet wird, löschen wir die temporäre Audioaufnahme, wenn der Raum endet“, heiß es in den AGB der App.
Wann steht Clubhouse ohne Einladung und für Android zur Verfügung?
Wann genau Clubhouse auch für Geräte abseits der iPhone-Plattform angeboten wird und wann der Einladungszwang verschwindet, ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht klar. Gegenüber dem Portal „The Wrap“ kündigten die Gründer jedoch im Dezember an, dass ein „breiter Rollout“ in den „kommenden Monaten“ geplant sei.
Die derzeitige Exklusivität solle langfristig kein Kriterium mehr sein: „Wir bauen ein Clubhouse für alle, und wir haben diese Einstellung seit dem ersten Tag“, wird Gründer Davison zitiert.