Schauspieler Bjarne Mädel: „Die Welt ist nicht gerecht“

Der Schauspieler Bjarne Mädel.

Der Schauspieler Bjarne Mädel.

Bjarne Mädel (53) lebte als Jugendlicher sieben Jahre in Nigeria, arbeitete in Kalifornien zwischen­zeitlich auf dem Bau und in Hamburg am Hafen, bevor er sich nach einem Theater­wissen­schafts­studium Ende der Neunziger als Schauspieler ausbilden ließ. Zum Fernsehen gelang er nach verschiedenen Theater­engagements durch „Stromberg“. Häufig spielt er den Antihelden. Als „Schotty“ schrubbte er von 2011 bis 2018 Blutlachen im „Tatortreiniger“ weg. Zuvor ermittelte er als Dietmar Schäffer in „Mord mit Aussicht“. Beim Fernsehfilm „Sörensen hat Angst“ (2021) führte der 53-Jährige zum ersten Mal selbst Regie – auch hier übernimmt er die Rolle eines Ermittlers. Der titelgebende Sörensen leidet allerdings unter Angststörungen. Im ARD-Film „Geliefert“ ist Mädel als Volker, allein­erziehender Vater und Paketzusteller, zu sehen, der mit finanziellen und existenziellen Krisen kämpft. Zu sehen ist die Produktion am Mittwoch um 20.15 Uhr im Ersten.

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Wann haben Sie das letzte Mal etwas online bestellt?

Gerade im Lockdown habe ich versucht, bewusst auf Dinge zu verzichten, wenn ich sie hätte bestellen müssen. Ich finde es erschreckend, dass Menschen selbst in einem Lockdown nicht auf ihren Einkaufswahn verzichten wollten. Es gibt natürlich auch Menschen, die selbst nicht gut einkaufen können, weil sie eventuell körperlich oder psychisch nicht dazu in der Lage sind – so eine alte Dame zeigen wir ja auch im Film. Das kann ich dann natürlich nach­voll­ziehen. Aber wenn es sich um Luxusgüter handelt, werden unsere Straßen voller und unsere Umwelt durch den ständigen Konsum belastet, dafür fehlt mir das Verständnis.

Der Film zeigt, wie der Paketbote Volker arbeitet und arbeitet und trotzdem finanziell nicht auf die Füße kommt.

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Wertschätzung wird in unserer Gesellschaft leider viel zu oft mit dem gleichgesetzt, was jemand verdient oder besitzt, und nicht mit dem, was er oder sie für die Gemeinschaft leistet. Zu Beginn der Pandemie sind die Menschen auf den Balkon gegangen und haben für diejenigen geklatscht, die als Pflegekräfte und Dienst­leistende den Laden am Laufen gehalten haben. Aber das heißt nicht, dass diese Menschen nun dauerhaft respektvoller behandelt werden. Solche Jobs müssen anständig bezahlt werden – und gleichzeitig muss auch der Respekt vor ihnen wachsen und der ist in unserer Gesell­schafts­form nun mal mit der Bezahlung verknüpft.

Sie haben selbst auch auf dem Bau oder im Hafen gearbeitet – was hat Sie bei solchen Jobs am meisten gestört?

Als ich beispiels­weise im Hafen gearbeitet habe, war das ein temporärer Nebenjob. Ich bin aus einem behüteten Elternhaus gekommen. Aber ich habe auch gelernt, dass man arbeiten muss, wenn man sich etwas leisten möchte. Jemand, der 40 Jahre lang auf einer Baustelle schuftet, hat mit ganz anderen Heraus­forderungen und körperlichen Schäden zu kämpfen.

Welche Arbeits­bedingungen haben Ihre Kollegen denn am meisten gestört?

Am schlimmsten ist das Gefühl, den ganzen Tag gearbeitet zu haben und dann in der Gesellschaft nichts wert zu sein. Aber der enorme Zeitdruck ist auch ein Problem, zum Beispiel beim Liefer­service, dort hatte ich auch mal einen Ferienjob. Man hat tatsächlich oft keine Zeit für Pinkel­pausen, da muss dann wirklich die Flasche herhalten, so wie im Film.

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Volker fragt im Film eine Freundin, Lena, ob sie an Gerechtig­keit glaubt. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Ich bin da eher pessimistisch – die Welt ist ja nicht gerecht aufgeteilt. Unser westliches Leben existiert ja nur auf Kosten anderer. Nur weil jemand hart arbeitet, heißt es nicht, dass er ein gutes Leben haben kann. Gerade wenn wir mal über den europäischen Tellerrand hinausblicken.

Aber das wird doch vielen in der Jugend gepredigt: Seid fleißig, dann wird etwas aus euch.

Für viele Menschen gilt dies nicht, insbesondere nicht für weniger privilegierte Menschen. So viel ist von Glück abhängig. Dass ich zum Beispiel meinen Lebens­unterhalt als Schauspieler bestreiten kann, hat nicht nur damit zu tun, dass ich viel dafür getan habe. Das war in erster Linie großes Glück. Ich bin mit 24 Jahren zur Ausbildung auf die Schau­spiel­schule gekommen, das ist ein Alter, in dem viele Menschen auf der Welt schon ein paar Jahre schwer arbeiten.

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Volker arbeitet hart, kümmert sich um seinen Sohn, doch es läuft alles schief. Als alles zu viel wird, schnieft er kurz. Dürfen Männer denn nicht weinen?

Auf jeden Fall dürfen Männer weinen. Manchmal ist aber die Wirkung beim Zuschauer stärker, wenn man den Kampf gegen die Tränen sieht und nicht die Tränen selber. Persönlich finde ich Weinen kein Zeichen von Schwäche. Wenn Männer Gefühle zulassen, ist das ein Zeichen von Größe und sollte Normalität sein.

Sie haben mal gesagt, dass Sie keine Interviews mehr geben wollen. Jetzt sprechen wir aber trotzdem. Warum eigentlich?

Ich spreche gerne über Projekte, die mir wichtig sind – oder heute somit auch ein wenig über Gerechtigkeit oder unsere Gesellschaft. Ich habe allerdings immer weniger Interesse daran, meinen Werdegang wieder und wieder zu erzählen.

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