Bastian Pastewka zum Serienende: „Beim Abschied flossen viele Tränen“
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Der Schauspieler Bastian Pastewka.
© Quelle: Thomas Banneyer/dpa
Berlin. 15 Jahre ist es her, da flimmerte „Pastewka“ das erste Mal bei Sat.1 über die Bildschirme. 15 Jahre später endet die Serie mit Staffel 10 - bei Amazon Prime Video. Ein Gespräch mit Macher und Hauptdarsteller Bastian Pastewka über Streamingdienste, den Wandel von Humor, Shitstorms – und den Moment des Abschieds.
Herr Pastewka, Ihre Serie „Pastewka“ endet nach 15 Jahren - Fans sind ganz schön traurig. Und Sie als Macher?
Der Macher findet das eigentlich sehr schön (lacht). Das mag ernüchternd klingen, aber so ist es nicht. Wir haben in 15 Jahren 99 Episoden und zehn Staffeln geschafft. Das Ensemble, die Autoren, die Produzenten und ich haben uns zusammengesetzt und klar entschieden: Die zehnte wird unsere letzte sein. Es kam niemand während des Drehs mit einem Rotstift und hat uns gestoppt. Ich ahne, dass das beinharten Fans möglicherweise nicht gefällt, aber es gibt sicher genug Leute, die unsere Serie möglicherweise erst jetzt entdecken. Und die Folgen bleiben ja für immer online.
Na gut, aber diese Serie hat ja auch Sie 15 Jahre lang begleitet. Dieses Projekt jetzt einfach so abzugeben – reißt Ihnen das nicht auch privat ein Loch ins Leben?
Mein Arbeitsalltag war immer von dieser Serie geprägt, das stimmt. „Pastewka“ war eine Art Homebase, von der aus ich losgerannt bin. Egal ob ich in Talkshows gesessen habe, ob ich interviewt wurde, oder ob ich andere Projekte gemacht habe. Es gab immer diesen mitschwebenden „Serien-Bastian“, den „Fernseh-Nerd“, der nicht wirklich kommunikativ ist, außer wenn es um Raumschiff Enterprise geht. Das habe ich natürlich auch sehr genossen und das wird ja auch nicht enden – ich kann mich schließlich nicht verändern.
Wie war denn der Abschied für Ihr Team?
Der Abschiedsblues hatte mehrere Strophen: Als erstes hat uns Cristina Do Rego verlassen – und sie hat eine wunderbare Abschiedsrede gehalten. Danach gingen Bettina Lamprecht und Matthias Matschke, was für mich auch sehr schwer war. Wir haben uns in den Arm genommen, eine Kleinigkeit getrunken. Aber es musste dann eben auch weitergedreht werden. Und am letzten Tag haben Sonsee Neu und ich den roten Saab auf einem mittelhübschen Baumarktparkplatz eines Kölner Vororts eingeparkt, die Handbremse gezogen – und das war dann unser letzter offizieller Akt für die Serie. Im roten Saab hat alles angefangen und auch wieder aufgehört. Der Kreis hat sich geschlossen. Und das war auch das Letzte, was Anne und Bastian miteinander erlebt haben.
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Bastian Pastewka mit Serienbruder Hagen (Matthias Matschke) und Vater Volker (Dietrich Hollinderbäumer).
© Quelle: Brainpool/FrankDicks
Und ein Abschiedsfest gab es nicht?
Doch, klar – ganz am Ende. Da waren alle unsere Freunde dabei, die ganzen Komplizen aus all den Jahren wie etwa Anke Engelke, Michael Kessler und Martin Schneider. Mein Produzent und Co-Regisseur Tobi Baumann und ich haben alberne Lieder umgetextet, es gab Geschenke und Musik. Und ich habe nachts um zwei noch meine beiden Kostümbildnerinnen nach Hause gefahren, weil ich als Einziger nichts getrunken hatte. Das war für mich einer der schönsten Abende überhaupt. Es flossen zwar viele Tränen, auch bei mir. Aber wir wussten halt, dass es endet – und fanden schön, dass es das jetzt tut.
Das klingt nach einer vertrauten Beziehung der Darsteller untereinander.
In der Tat war unsere Freundschaft auch ein Grund, warum die Serie so lange existiert hat. Weil keiner aus dem Ensemble gesagt hat: Ich möchte nach den ersten 20 Folgen raus. Oder: Ich kann da nicht ewig mitmachen, weil ich eigentlich darauf brenne, im Tatort mitzuspielen oder so. Eigentlich haben mich immer alle angesimst und gefragt: Wann kommt die nächste Staffel? Speziell in den Jahren als wir Pause gemacht haben.
Sie haben mal gesagt, die Geschichte der Hauptfiguren Anne und Bastian sei jetzt auserzählt. Offenbar auch ein Grund, warum die Serie jetzt beendet werden musste.
Nicht auserzählt. Aber sie ist an einem guten Punkt angekommen, wo man sagen kann: Das ist ein eleganter und passender Ausstieg.
Hatten Sie denn auch an anderen Stellen der Serie mal den Gedanken, dass der Zenit überschritten ist? Im amerikanischen gibt es dafür ja diesen schönen Begriff „Jump the shark“.
Stimmt, das ist ein sehr guter Ausdruck. Bezieht sich auf die Serie „Happy Days“, wo der Hauptdarsteller mit Wasserskiern über einen Hai springt und die Zuschauer dachten: Jetzt sind die Macher völlig verrückt geworden.
Genau! Hat „Pastewka“ nicht nach zehn Staffeln auch langsam „den Hai übersprungen“?
Der Hai-Moment in „Happy-Days“ geschah übrigens in der dritten Staffel, aber noch 8 weitere sollten folgen. Wer weiß; theoretisch könnte uns so ein Moment ja schon in der ersten Staffel passiert sein, als Bastian in einer Flughafentoilette am Urinal vom Nebenmann bezichtigt wird, ihm auf den Penis geguckt zu haben, dabei war Bastian nur gedankenverloren.
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Eine Szene aus Folge 3 der zehnten Staffel: "Die Bananenschnecke".
© Quelle: Brainpool/Martin Rottenkolber
Die Folge mit der Flughafentoilette ist ein gutes Stichwort. Denn in dieser wurde auch das Thema Alltagsrassismus angeschnitten – wohlgemerkt in den 2000er-Jahren, wo manch einer für das Thema noch nicht so sensibilisiert war wie vielleicht im Jahr 2020.
Stimmt, aber Alltagsrassismus war doch auch damals schon existent und unerträglich. Es gehört zum Prinzip unserer Serie, dass wir Bastian kleine Grenzüberschreitungen erleben lassen. Am Ende fliegt ihm der Boomerang an den Hinterkopf und er muss sich dafür schämen.
Ich finde es trotzdem erstaunlich, wie oft Sie mit Ihrer Geschichte der Zeit voraus waren. Es gab auch mal eine Folge, in der der Klimawandel per Theaterstück inszeniert wurde.
Das Thema Klimawandel kenne ich, seitdem ich in der siebten Klasse war. Eigentlich haben meine Autoren beim Schreiben immer nur auf das jeweils aktuelle Entstehungsjahr geguckt. Die Entwicklungen des Fernsehen, des Internets, des Humors, all das lässt sich in unserer 15 Jahre umfassenden Zeitkapsel namens „Pastewka“ nun prima rückbestaunen.
Ich habe den Eindruck, dass sich der Humor oder das Humorverständnis in den letzten 15 Jahren deutlich geändert hat. Vieles, was man 2005 so im Privatfernsehen gesendet hat, war so platt, das könnte man heute nicht mehr zeigen. Und heute gibt es plötzlich die Situation, dass ein einziger Witz ein wochenlanges Theater auslöst. Stichwort „Umweltsau“ – oder auch Dieter Nuhr.
Humor ist wie alles andere im Leben gesellschaftlichen Schwankungen unterworfen. Und ich finde es auch gut, dass wir nicht immer noch die gleichen Sauf-Kumpel-Kommt-ein-Mann-zum-Arzt-Witze machen und die Zeit diese Altherrenspäße allmählich aussortiert. Ich glaube aber nicht, dass sich Humor weiterentwickeln kann. Das hieße ja, dass wir humortechnisch mal im Primatenstatus waren und dann irgendwann in einer Königsklasse ankommen. Das gibt es nicht. Humor ist immer ein Nebeneffekt der Zeit. Und, wie es Ingmar Stadelmann meisterlich sagt, ein „Kann“-Angebot, kein „Muss“-Angebot.
Hat es denn bei der Produktion der neueren Staffeln eine Rolle gespielt, dass man für einen schlechten Witz auch mal gehörig Gegenwind aus dem Netz bekommen kann?
Wir haben so einen Vorfall sogar in unserer achten Staffel inszeniert. Als Bastian vermeintlich im Kaufhaus beim Onanieren erwischt wird und dafür von allen gebrandmarkt wird. Online und auch von den klassischen Medien.
Und in Staffel neun fasst Bastian seiner Sekretärin an die Brüste. Um zu zeigen, „dass er es nicht so meint“. Der Witz hätte ja auch nach hinten losgehen können.
Ja, das ist der Blick der Serienfigur auf die Welt, die Sicht eines Trottels. Einer, der sich 1985 entschieden hat, dass er immer den Seitenscheitel links macht und Veränderungen um sich herum nicht sieht. Weil er einmal entschlossen hat, es muss beständig so weiter gehen. Und diese Typen wie er – und das erleben wir gerade im Jahre 2020 – werden immer die Ewiggestrigen sein.
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Bastian Pastewka mit Seriennichte Kim (Cristina do Rego).
© Quelle: Brainpool/FrankDicks
Neben dem Humor hat sich in den letzten 15 Jahren ja auch noch etwas anderes verändert: Das Aufkommen der Streamingdienste. Sie sind ja selbst zu einem gewechselt. Wie hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?
Meine Arbeit als solche ist nicht anders. Aber es war für uns ein großer Befreiungsschlag, seit Staffel 8 endlich dort angeboten zu werden, wo die Serienfreaks auch hinschauen. Das war beim linearen Privatfernsehen leider nicht mehr so, da waren wir eine der letzten fiktionalen Serien, die überhaupt noch im Programm liefen. Ich weiß, dass viele Kunden unsere Serie überhaupt erst bei Prime Video entdeckt haben.
Kennen Sie selbst das Gefühl, wenn man nach dem Ende einer guten Serie in ein tiefes Loch fällt? Wenn man eigentlich weitergucken möchte, doch dann ist da nichts mehr?
Ja klar, so ging es mir nach „Six Feet Under“. Ohnehin eine grandiose Serie, die man im Museum der besten TV-Produktionen aller Zeiten ausstellen sollte. Als ich 27 war, schockte mich das Ende von „Deep Space Nine“: Alle Hauptcharaktere trennen sich unwiderruflich. Und der Captain verliert seinen Sohn und schwebt in so einem Zwischenuniversum für immer im All. Kann man mal machen.
Dann wissen Sie ja jetzt, wie sich die Pastewka-Fans nach dem Serienende fühlen werden. Ein Film oder Spin-off ist also gänzlich ausgeschlossen?
Ein Spin-off kann ich gar nicht ausschließen, dazu müssten sich die anderen äußern. Eine Sitcom über Regine könnte ich mir zum Beispiel vorstellen. Auch „Bruck – Jahre des Terrors“ klingt nach einer guten Fortsetzung. Einen Kinofilm wird es aber definitiv nicht geben. Unsere letzte Folge von Staffel 10 ist im Prinzip ein kleiner Kinofilm. Und ich mag den kleinen Kinofilm auf dem Bildschirm lieber als die große Serienfolge im Kino. Unsere Geschichte endet und ich wüsste momentan keinen erzählerischen Ansatz und auch nicht den Grund, warum man daran – egal in welcher Form – noch mal anschließen sollte.
Und was machen Sie jetzt mit der freigewordenen Zeit?
Ich habe für dieses Jahr bewusst keine Projekte mehr angenommen, um diese Lücke, die „Pastewka“ reißt, auch vollkommen auszukosten. Würde ich direkt wieder in ein neues Projekt starten, wäre das möglicherweise nicht gut. Ich möchte den allerletzten „Pastewka“-Flow erst mal auskosten, abklingen lassen und dann darf es weitergehen. Aber ich weiß noch nicht, womit. Und warum.
RND