Zombies in der Stadt der Zocker – bei Netflix marschiert die „Army of the Dead“
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Viva Las Vegas: Vanderohe (Omari Hardwick, links) und Dieter (Matthias Schweighöfer) bekommen es beim Safeknacken mit Menschenfressern zu tun.
© Quelle: CLAY ENOS/NETFLIX
Einen Zombie mit Umhang und Gesichtsmaske liefert uns Zack Snyder in „Army of the Dead“ als Novum. Der Typ sieht allerdings erbärmlich aus – wie ein Batman-Missverständnis auf zwei Beinen. Aber die Maske ist eine Art Helm – aus Stahl – und wurde von dem Ungeheuer aufgesetzt, um sich vor Angriffen gegen den Kopf zu schützen. Wie wir wissen, sind Zombies final nur durch Beschädigung des Gehirns auszuschalten.
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Wie wir aber auch wissen, verstehen sie das gar nicht recht. Sie sind Taumler, nimmermüde, wiederauferstandene Tote ohne Verstand, mit ewigem Appetit auf Fleisch (bevorzugt wird Mensch), aber keinesfalls sind sie Survivalspezis. Der Maskenzombie bei Snyder indes hat Köpfchen und Überlebenswillen. Außerdem ist er rasend schnell und bärenstark. Er ist eine Art König im Las Vegas der Zombiekalypse.
Den Zombie mit Grips gab’s fast in „The Walking Dead“
Einen Zombie mit Grips hat sich der Zuschauer (jenseits von Filmlustspielen und komödiantischen TV-Serien wie „I, Zombie“) schon lange erträumt. In der ersten Staffel von Frank Darabonts Serie „The Walking Dead“ sah man einen jungen Untoten, der auf einen Panzer zustrebte, in dessen Innerem sich Sheriff Rick Grimes verschanzt hatte, und in dessen Augen man den Funken der Erkenntnis glimmen zu sehen glaubte.
Die Sache wurde nicht fruchtbar gemacht, ein weiteres Auftauchen „selbstbewusster“ Beißer blieb in den vielen Staffeln von „TWD“ und der Schwesterserie „Fear TWD“ bislang aus. Und auch Zack Snyder, der schon 2004 ein Remake von George A. Romeros „Dawn of The Dead“ gedreht hatte und der hier nicht nur Regisseur, sondern auch Autor, Produzent und Kameramann ist, baut die Idee nicht zufriedenstellend aus.
Wie ein archaischer Stamm beherrscht der Alphazombie mit seiner Königin die Stadt des Glitzerns und der Glühbirnen, an deren Roulettetischen keiner mehr spielt und das mit hohen Mauern aus Überseecontainern umzäunt wurde, um die Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Keiner kommt raus, keiner kommt rein.
Der Tresor heißt tatsächlich „Götterdämmerung“
Bis auf Scott Ward (Dave Bautista) und seine Gang. Der gutherzige Grünling Drax aus „Guardians of the Galaxy“ soll hier für einen superreichen Japaner 200 Millionen Dollar aus einem einbruchssicheren Casinotresor namens „Götterdämmerung“ holen. Die Versicherung hat den Schaden des Herrn Tanaka zwar längst wiedergutgemacht, aber warum sich mit einem Hollywood-Blockbusterbudget begnügen, wenn man zwei einsacken kann.
Die Zeit drängt, das Militär will den lokalen Outbreak im Auftrag der Regierung mit einer kleinen Atombombe beenden. Ward ist ein Beispiel, wie die Welt mit ihren Helden in der Not umgeht. Bei Ausbruch der Pandemie hat er zahllose Menschen vor Angriffen der Verwandelten gerettet, jede Sekunde das eigene Leben riskiert. Und jetzt ist er vergessen, Chef einer Burgerbude jenseits der Stadt. Wie nach der Corona-Pandemie in der wirklichen Welt vermutlich auch die heroischen Pflegekräfte und die standhaften Supermarktkassierer keine dauerhafte Anerkennung oder gar adäquate monetäre Aufwertung ihrer Tätigkeit erfahren werden. Kurzum: Er schlägt das 50-Millionen-Dollar-Angebot für sich und seine Truppe nicht aus.
Gesellschaftskritik ist eher nicht Zack Snyders Ding
Snyder streift Gesellschaftskritik allenfalls sacht. Er platziert auch keine Zombies an einarmigen Banditen und Roulettetischen, um etwa Gier und Zerstreuungssucht in der künstlichen Spielersphäre satirisch zu beleuchten, wie das George A. Romero in „Zombie“ (1980) machte, wo die untoten Menschen zu einer Mall zurückkehrten, selbst im stumpfesten Geisteszustand noch angezogen von ihrer Welt des Konsums.
Nein, Snyder geht es zuvörderst ums Spektakel, um das alte Rein-Raus-Spiel zwischen Todgeweihten und Tod. Zwar flicht er auch dramatische Momente ein, es fehlen ihm dafür aber verlässlich unvergessliche Worte. So hat die tragischste Szene am Ende tatsächlich ein Zombie, der seine Trauer und seien Zorn in die Welt hinausbrüllt und dabei klingt wie der T. Rex in Spielbergs „Jurassic Park“.
Es knirschen Messer in mürben Schädeln
148 Minuten sind viel (zu viel) Zeit für ein klassisches Stück Ballerkino, das meist stumpf der Regel „Gewehre sprechen, Zombies verstummen“ folgt. Es knirschen die Messer in mürben Schädeln, es tropft schwarzes Blut – alles wie gehabt im Genre.
Nur selten gelingen Snyder Bilder, die hängenbleiben – die Eröffnungssequenz zählt dazu, überdies alle Szenen mit einem weißen Zombietiger sowie der Anblick des Zombiekönigs auf einem halbskelettierten Pferd (der Nachtkönig aus „Game of Thrones“ lässt grüßen). Wenn König und Königin der archaischen Stammesgesellschaft Seit‘ an Seit‘ stehen, sehen sie aus wie Tarzan und Jane – allerdings mit eklatanten Haut- und Hygieneproblemen.
Snyder hat sein Spiel viel zu sehr mit Figuren überladen, von denen die meisten kaum je Kontur zeigen. Was ein Glück für drei Nebendarsteller ist, die sich deshalb aus dem Einerlei der Zombiebeute hervorheben können: Garret Dillahunt, den Horrorfans als sensiblen und loyalen John aus „Fear TWD“ kennen, ist hier ein hintertriebener Gefolgsmann des Bösewichts Tanaka. Comedienne Tig Notaro („Star Trek: Discovery“) ist als Hubschrauberpilotin Marianne für das „Fluchtfahrzeug“ zuständig und trägt ihr Herz zur Freude des Publikums auf der Zunge.
Schweighöfer mit Bubencharme: „Ich bin der Dieter ...“
Und Deutschkomödienschalk Matthias Schweighöfer dürfte als Panzerknacker Dieter mit seiner immer noch bubenhaften Frische auch das US-Publikum erobern. Als er sich mit „Ich bin der Dieter und ich werde öffnen, was nicht geöffnet werden kann“, vorstellt, öffnen wir uns Snyders Spektakulum. Höchste Zeit für ein wenig simples, straightes Blockbustern. Lange nicht mehr Popcornkino gehabt.
Schweighöfer wird denn auch das Prequel „Army of Thieves“ inszenieren und darin erneut in die Rolle des unglaublich talentierten Dosenöffners Dieter schlüpfen. Eine Animationsserie zu „Army of the Dead“ soll überdies folgen – vielleicht wird dann das Geheimnis um den Konvoi aus der ominösen Area 51 geklärt, der mit dem ersten Zombie an Bord in Höhe von Las Vegas verunglückte.
Alles nur, weil ein Brautpaar mit der Fellatio nicht bis zum Motel warten konnte. Kleine Ursache – große Wirkung.
„Army of the Dead“, 148 Minuten, bei Netflix, von Zack Snyder, mit Dave Bautista, Tig Notaro, Matthias Schweighöfer (ab 21. Mai)