Altbekannte Heilpflanze? Wie gesund Knoblauch wirklich ist
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Kann einem gewaltig stinken: Knoblauch.
© Quelle: Nathana Rebouças/Unsplash
„Ich habe Knoblauch nie gemocht, aber heute Abend ist er köstlich! In seinem Geruch liegt Frieden, ich spüre, wie der Schlaf bereits kommt“, schwärmt die junge Lucy in Bram Stokers Roman „Dracula“. Doch die stark riechenden Blüten können sie nur wenige Nächte schützen. Als ihre Mutter unwissentlich die Pflanzen entfernt, ist Lucys Schicksal besiegelt und sie fällt dem bösen Blutsauger zum Opfer – allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz.
Dass man sich Vampire mit Knoblauch vom Hals halten kann, ist ein häufig zitierter Mythos, für den es diverse Erklärungen gibt. Eine der originellsten Thesen zur Entstehung stellte der kanadische Biochemiker David Dolphin vor rund 40 Jahren auf: Demnach stecken hinter „Vampiren“ ursprünglich Menschen, die an Porphyrie litten. Bei der genetisch bedingten Stoffwechselkrankheit ist die Produktion des roten Blutfarbstoffs gestört. Die Betroffenen sind oft bleich, müssen Sonnenlicht meiden und haben manchmal sogar rötlich verfärbte Zähne. Und: Knoblauch ist für sie Gift, da sie einen der Hauptinhaltsstoffe nicht vertragen.
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Vitamine und Ballaststoffe: Knoblauch ist gesund
Den meisten Menschen kann das Gewächs aber wenig anhaben. „Übelkeit und Blähungen sind möglich, aber das kommt eher selten vor“, sagt der Ernährungsmediziner Prof. Hans Hauner von der Technischen Universität München. Auch Allergien sind denkbar, aber ebenfalls nicht häufig. Insgesamt ist die Knolle, die ursprünglich aus Zentralasien kommt, eine gesunde Küchenzutat.
Neben Ballast- und Mineralstoffen enthält sie B-Vitamine, Vitamin C und vor allem schwefelhaltige Verbindungen, sogenannte Sulfide. Dazu zählt das eigentlich geruchlose Alliin, das zu Allicin abgebaut wird, wenn die Pflanzenzellen durch Schneiden oder Drücken verletzt werden. Dieser Hauptwirkstoff zerfällt in weitere Schwefelverbindungen, die für den typischen Geruch verantwortlich sind. Wer Knoblauch isst, scheidet sie über Haut und Lungenbläschen wieder aus – so kommt es zur berühmt-berüchtigten „Knoblauchfahne“.
„Knoblauch passt gut in eine rundum gesunde Ernährung“, sagt Hauner, der dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung angehört. Gerade in der mediterranen Ernährung, die allgemein zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch von Demenz, empfohlen wird, hat Knoblauch wegen seiner wertvollen Inhaltsstoffe einen wichtigen Platz. Ungesundes Essen lasse sich mit Knoblauch allerdings nicht ausgleichen, fügt der Mediziner hinzu. Zumal als Höchstdosis in der Regel nur fünf Gramm frischer Knoblauch (etwa ein bis zwei Zehen) oder fünf Milligramm Allicin pro Tag empfohlen werden.
„Knoblauch ist eine altbekannte Heilpflanze“
Aber wie verhält es sich mit den zahlreichen Wunderwirkungen, die der Pflanze nachgesagt werden? „Knoblauch ist eine altbekannte Heilpflanze“, sagt Hauner. „Ihre bakterizide Wirkung ist gesichert. Außerdem hat sie günstige Effekte auf das Herz-Kreislauf-System.“ So gibt es kleinere Studien am Menschen, die positive Wirkungen auf den Cholesterinspiegel belegen.
Daneben verändert Allicin die Blutgerinnung, verflüssigt also sozusagen das Blut: „Der biochemische Mechanismus ist gut erforscht“, sagt Hauner. Auch geringe blutdrucksenkende Effekte seien möglich. Die Ergebnisse basieren aber nur auf Kurzzeitstudien, wie der Ernährungsmediziner betont. Ob Knoblauch langfristig die Sterblichkeit senkt, ist offen.
Außerdem gibt es ein Problem: Die Studien lassen sich oft nur schlecht miteinander vergleichen, da Knoblauch häufig in unterschiedlichen Formen verwendet wurde. Schon in unverarbeiteter Form ist der Wirkstoffgehalt verschieden: „Je nach Sorte, Anbaugebiet, Ernte und so weiter schwanken die Inhaltsstoffe enorm“, sagt Rainer Stange, Präsident des Zentralverbands der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin (ZAEN).
Noch unüberschaubarer wird es, wenn Knoblauchzubereitungen verwendet wurden – manche Studien beziehen sich auf Knoblauchöl, andere auf Pulver oder getrocknete Auszüge. Auf dieses Problem weist auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA in ihrem Bericht zu Knoblauch hin und kommt zu dem Schluss, dass Verallgemeinerungen oft kaum möglich sind. Außerdem sind einige Daten widersprüchlich und unzureichend.
Antimikrobiell und gut fürs Herz?
Da Knoblauch aber eine altbewährte Heilpflanze ist, kann man sie als „traditionelles Arzneimittel“ zur Vorbeugung von Arterienverkalkung und Linderung von Erkältungssymptomen einsetzen. Um solche Präparate registrieren zu lassen, müssen die Hersteller die Wirksamkeit nicht durch klinische Studien belegen – es reicht, wenn die Wirkung aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung plausibel ist und keine Berichte einer schweren Unverträglichkeit vorliegen.
Daneben wird Knoblauch in Form von Nahrungsergänzungsmitteln angeboten, für die keine Zulassung benötigt wird. „Das Angebot an Knoblauchpräparaten ist riesig und unüberschaubar“, sagt Stange und empfiehlt daher, sich in der Apotheke beraten zu lassen. Auch wenn es keine Wunderknolle ist, so traut er dem Gewächs einiges zu – gerade aufgrund seiner antimikrobiellen Eigenschaften. So lieferte eine kleine britische Studie vor Jahren Hinweise darauf, dass regelmäßiger Knoblauchkonsum vor Erkältungen schützt. Außerdem lässt sich mit solchen Mitteln durchaus die Herz-Kreislauf-Gesundheit fördern, meint der Naturheilkundler. „Es ist allerdings individuell ganz verschieden, wie man darauf anspricht“, betont er.
Immer wieder bekomme er Anfragen von Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Cholesterinspiegel, die keine Cholesterinsenker nehmen wollen oder sie schlecht vertragen. Typischerweise ist bei ihnen der Wert des „schlechten“ LDL, das Cholesterin transportiert, erhöht. „In so einem Fall kann man es durchaus mit Knoblauch probieren. Wichtig ist aber, den LDL-Wert nach frühestens vier Wochen messen zu lassen. Gibt es dann keinen merklichen Effekt, muss man es auch nicht länger versuchen“, sagt Stange.
Knoblauchprodukte können zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führen
Ähnliches gilt für leicht erhöhten Blutdruck: Auch hier spricht laut Stange nichts dagegen, Knoblauch auszuprobieren und die Wirkung nach vier Wochen prüfen zu lassen. Solche Therapieversuche eignen sich für Menschen mit nur leicht erhöhten Blutdruck- und Cholesterinwerten, keinesfalls aber für Hochrisikopatienten, und sollten außerdem in Absprache mit dem Arzt oder der Ärztin erfolgen.
Knoblauchprodukte aller Art können nämlich zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führen, wie die Verbraucherzentrale warnt. So können sie Gerinnungshemmer und Blutdrucksenker in ihrer Wirkung verstärken, andere Arzneimittel dagegen blockieren. Außerdem soll man wegen der Gefahr starker Blutungen eine Woche vor Operationen auf Knoblauchpräparate verzichten. Solche Warnungen machen aber auch klar: Die Knolle wirkt – nur vielleicht nicht immer so, wie man möchte. Es ist wie mit dem Duft, der auch nicht jedem genehm ist.