Farm-to-table-Prinzip: Wenn Restaurants ihre Zutaten selbst produzieren
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Das Spitzenrestaurant Single Thread Farm im nordkalifornischen Healdsburg baut außergewöhnliche Zutaten auf einer eigenen Farm an.
© Quelle: John Troxell
„Ich möchte mit meiner Küche eine Geschichte des Tages erzählen“, sagt Spitzenkoch Kyle Connaughton, während die ersten Speisen über den Küchenpass geschickt werden. Dabei ist erst Nachmittag in Kalifornien. Im Restaurant Single Thread Farm in Healdsburg werden täglich bis zu 70 Gäste bewirtet. 96 Angestellte gehören zum Unternehmen. Nicht alle sind in Küche oder Service tätig.
Einige arbeiten auf einem Acker, gut sechs Kilometer vor der Stadt. Das Restaurant, ausgezeichnet mit drei Sternen im Guide Michelin und auf Platz 37 der World’s Best Restaurants ist vor allem populär wegen seines Farm-to-table-Konzepts: Die Zutaten werden selbst produziert, zubereitet und kommen ohne Zwischenhändler frisch auf den Tisch. Chicorée, Brokkoli, Romanesco, Kohlrabi, Blumenkohl, Bohnen, mehrere Kohlsorten, Zwiebeln oder Erbsen werden auf der Farm, die in einem Rebenmeer im Dry Creek Valley liegt, angebaut und je nach Saison tagesfrisch geerntet. Es gibt auch Bienenstöcke, Obstbäume und Hühner. Ein Olivenhain wird derzeit angelegt.
Produkte sind keine Stangenware
Verantwortlich für die Ackerarbeit ist Kyles Ehefrau Katina, gelernte Landwirtin. Ihr Team hat selbst an regnerischen Wintertagen zu tun. Tomaten werden gesät, Felder umgegraben und natürlich Zutaten für den Abendservice im Restaurant geerntet. Alles wird hier auch in biodynamischer Handarbeit erzeugt. So bearbeiten die Mitarbeitenden die Felder mit Hacken statt mit Maschinen. Man wolle schonend mit dem „Bodenschatz“ umgehen, sagt der verantwortliche Leiter Adam Smith.
Da versteht es sich von selbst, dass die Produkte keine Stangenware sind. Durch den Anschluss einer Farm an ein Restaurant haben Kyle und Katina Connaughton nicht nur unmittelbaren Einfluss auf den idealen Erntezeitpunkt, sondern auch auf die Bewirtschaftung und den Anbau. Drei japanische Kürbissorten werden gerade zu Versuchszwecken gezüchtet – nicht ausgerichtet auf Ertragsmenge oder Schädlingsanfälligkeit, sondern vor allem auf Genuss.
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© Quelle: Reuters
Fleisch spielt eine untergeordnete Rolle
Und dieser Ansatz ist auch im Restaurant zu schmecken: Connaughton serviert etwa Seeigel und Abalone (eine Seeschnecke) von der kalifornischen Pazifikküste, dazu erntefrischen Kohlrabi, der mit seinem Eigengeschmack herausragt. Der Koch bettet saftige Lachspralinen in einen süßlichen Sud aus japanischen Lauchzwiebeln mit hauchfeinen Zwiebelwürfeln. Kostenpunkt des japanisch inspirierten Menüs liegt bei 330 Euro.
Allein der erste von zehn Gängen besteht aus 16 kleinen Häppchen. Fleisch spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Enten und Wagyu-Rinder werden zwar nach Vorgaben für das Lokal gezüchtet, Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Seafood. Trotz Küstennähe rückt der Spitzenkoch hier etwas vom Regionalbezug ab. Viel Ware bezieht er aus Japan, wo er jahrelang gearbeitet hat. Fischereien könnten dort höhere Nachhaltigkeitszertifikate vorweisen, das sei ihm wichtiger als die Entfernung, sagt er.
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Ernten „Bodenschätze“ selbst für ihre Küche: Kyle und Katina Connaughton.
© Quelle: Eva_Kolenko
Eigene Zutatenerzeugung auch in Deutschland
Nichtsdestotrotz ist das Farm-to-table-Konzept mit seiner Nähe zwischen Acker und Tafel einmalig, was sicher auch dem Sonnenstaat Kalifornien geschuldet ist. Selbst bei einem „normalen“ Spitzenrestaurant wie der berühmten French Laundry im benachbarten Yountville schiebt am Vortag ein Farmer eine Schubkarre mit Sellerie und Kohlrabi über die Straße ins Lokal. Im Zwei-Sterne-Restaurant Harbour House Inn, das auf einer Klippe in Mendocino liegt, werden Kräuter und Gemüse von der Row 7 Seed Company angebaut. Saatgut, bei dem übrigens ebenfalls Genussfragen im Vordergrund stehen – und ein Projekt, in das der Farm-to-table-Pionier Dan Barber aus dem Blue Hill at Stone Barns bei New York involviert ist.
Die Hoheit über die Zutatenerzeugung beansprucht zum Teil auch die deutsche Spitzenküche. Hier pflegt ein Koch ein Gewächshaus mit Kräutern, ein anderer sammelt Pilze oder verwertet Gemüse aus dem restauranteigenen Garten. Meist bilden sich aber enge Kooperationen von Küchen und Erzeugern, oft bei pflanzlichen Produkten, manchmal bei tierischen.
Neues Restaurant auf einfacherem Niveau
Ein Beispiel einer direkten Anbindung ist hier das Schwarzwälder Hotel Bareiss, das mit der Forellenzucht Buhlbach eine der modernsten Teichwirtschaften des Landes aufgebaut hat. Im hauseigenen Dreisternerestaurant greift man ebenso auf die Forellen und Saiblinge zurück, wie auch im angeschlossenen Ausflugslokal – zu erschwinglichen Preisen.
Auch Kyle Connaughton strebt an, künftig Menschen mit schmalerem Geldbeutel zu bewirten: Er befinde sich in der finalen Planung für einen Hofverkauf und ein neues, veganes Restaurant auf einfacherem Niveau. Dort soll sehr bald eine günstigere Geschichte des Tages zu hören sein. In einem will er sich treu bleiben: „Mein Fokus liegt darauf, ein guter Gastgeber zu sein und auf dem engen Verhältnis zu Farmern, Fischern und Winzern. Dieses Netzwerk ist für mich der Dreh- und Angelpunkt meiner Arbeit.“