Modeikone Ella Emhoff: Längst mehr als nur Stieftochter
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Ella Emhoff, Stieftochter von Kamala Harris, startete ihre Karriere als Model bei der New York Fashion Week.
© Quelle: AP/Tony Avelar
„Lass dich nicht davon abbringen, was du unbedingt tun willst. Wenn Liebe und Inspiration vorhanden sind, kann es nicht schiefgehen“, hat Ella Fitzgerald einst gesagt. Die Jazzlegende sprach aus Erfahrung. Ihre Liebe galt der Musik, und diese war auch von Kindesbeinen an eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für sie, die aus armen Verhältnissen stammte und viel Gewalt und Ausgrenzung erlebt hat. Auf der Musik hat sie ihr Lebenswerk, ihre Karriere aufgebaut. Eine andere Ella, die ihren Vornamen wegen ihrer jazzverliebten Eltern dieser kleinen, schwarzen, weltberühmten Frau zu verdanken hat, wurde in eine weiße, wohlhabende New Yorker Familie hineingeboren. Ihr Vater, Douglas Emhoff, ist der Second Gentleman der Vereinigten Staaten, der Ehemann von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Ella Emhoffs Stiefmutter.
Liebe und Inspiration gab und gibt es genug in Ella Emhoffs Leben. Zumindest lässt sie daran nach außen hin keinen Zweifel. Und doch dürfte der Einfluss ihrer Familie nicht ganz unerheblich für ihren geradezu kometenhaften Aufstieg als Model und Designerin sein.
Ella Emhoff: Stieftochter von Kamala Harris in der Modebranche beliebt
Die Modebranche reißt sich um Ella Emhoff, seit sie bei den Feierlichkeiten rund um die Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden und seiner Stellvertreterin zwar still, aber unübersehbar in Erscheinung trat. Ihr Auftritt in einem dezent mit Glitzersteinen verzierten Mantel von Miu Miu und einem Kleid der New Yorker Designerin Batsheva Hay bei der Inauguration reichte, um ihr weltweit den Status einer Modeikone und zusätzlich einen Vertrag bei der renommierten Modelagentur IMG Models einzubringen. Sie hat ihre Stiefmutter zu einem Festakt begleitet. Es reichte als Türöffner für eine Karriere, von der ungezählte junge Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt träumen. „Ich muss ehrlich sagen, dass ich das nicht erwartet habe“, sagte die 21-Jährige im Videoformat „Good Morning Vogue“ im Gespräch mit ihren zwei besten Freundinnen. Tatsächlich nimmt man ihr diese Aussage ab.
Ungeschminkt und unrasiert: Emhoff gilt nicht als typisches Model
Emhoff mit ihrem selten glatt geföhnten, dunklen Lockenschopf kokettiert nicht, sie ist kein Typ, der mit der Kamera flirtet, sie hat nichts Affektiertes an sich. Im Gegenteil: Sie zeigt sich auf Fotos auf ihrem Instagram-Account oft ungeschminkt, unfrisiert, mit unrasierten Achseln und auffällig großer Brille statt mit Kontaktlinsen. Sie verkörpert kein Model nach den oft barbieähnlichen amerikanischen Maßstäben. Die Tochter von Douglas Emhoff aus seiner ersten, 2008 geschiedenen Ehe mit der Filmproduzentin Kerstin Emhoff ist nicht mit Kaia Gerber, Kendall Jenner oder Gigi Hadid zu vergleichen, die mit ebenmäßigen Zügen, gebügelter Haarmähne und Size-Zero-Figur Erfolg haben. Emhoff ist ein androgyner Typ, der keine gängigen Schönheitsideale bedient, sondern eher cool, revoluzzerhaft und intellektuell rüberkommt, ein bisschen in der Tradition des einstigen Rock-’n’-Roll-Models Agyness Deyn oder auch der im vergangenen Jahr gestorbenen ehemaligen Lagerfeld-Muse Stella Tennant.
Ella Emhoff bei der New York Fashion Week
Mit ihrem Debüt als Model bei der digitalen New Yorker Fashion Week im Februar für das Label Proenza Schouler gab Emhoff gleich die Richtung vor, in die es für sie gehen soll: Statt breit zu lächeln und übertrieben zu posieren, hat sie sich darauf verlegt, sich unverstellt zu geben. Authentizität ist ihr Markenzeichen. Das macht sie so attraktiv für die Präsentation von Mode, die heute mehr denn je nichts mit Verkleidung zu tun haben will, sondern darauf setzt, ehrlich zu sein und Individualität zu unterstreichen.
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Ella Emhoff mit den Designern Lazaro Hernandez und Jack McCollough (von links) bei der New York Fashion Week.
© Quelle: Getty Images for NYFW: The Shows
Hinzu kommt bei Emhoff das, was man gemeinhin als das „gewisse Etwas“ bezeichnet. Das hat sie mit ihrer Namensvetterin gemeinsam, die die französische Chansonnière France Gall 1987 in „Ella, elle l’a“ besang. Darin schwärmt sie unter anderem vom „undefinierbaren Charme“ ihres Idols. Und den hat Emhoff zweifellos auch.
Trotzdem verlässt sie sich offenbar weder auf den Einfluss ihrer Familie noch auf ihren Charme. Sie macht sozusagen ihr eigenes, mitunter eigenwilliges Ding: An der Parsons-Designakademie in New York studiert sie Kunst mit Schwerpunkt Textiles und fertigt in ihrem Apartment im New Yorker Hipsterstadtteil Bushwick eigene kleine Strickkollektionen.
Mode: Stieftochter von Kamala Harris setzt auf Vintagestil
In Videos sieht man sie akribisch an professionellen Strickmaschinen arbeiten. Dabei sind bislang recht bunte Kreationen im eher schrullig anmutenden Granny-Style herausgekommen. Das hat ihr prompt eine Zusammenarbeit mit ihrer Lieblingsdesignerin Batsheva Hay eingebracht. Die New Yorkerin pflegt einen Vintagestil zwischen Laura-Ashley-Romantik und Hauskleidern im Stil der Fünfzigerjahre, kam aber erst spät zur Mode. Zuvor arbeitete sie als Juristin. Mit dieser Berufsgruppe kennt sich Emhoff aus.
Emhoff engagiert sich für Feminismus und schwarze Transgendermenschen
Wie sie spricht (sehr überlegt und fast ein bisschen von oben herab) und was sie sagt (auffällig pointierte und sachliche Sätze), gibt einen Eindruck davon, wie sie doch durch Vater und Stiefmutter, die sie und ihr Bruder Cole liebevoll „Momala“ nennen – was sich im Amerikanischen wie das jiddische Kosewort für Mutter, Mamele, ausspricht – und die Gespräche am Familientisch geprägt ist. Der „New York Times“ gegenüber antwortete das Model auf die Frage, wie es gewesen sei, in einer Familie mit so starken Persönlichkeiten aufzuwachsen: „Es war schön, so viele verschiedene, wirklich starke Meinungen zu haben. Wir scherzen immer, wenn wir unsere Freunde zum ersten Mal zu uns einladen, werden sie gegrillt. Wenn du deinen Zehnjahresplan nicht komplett fertig und in einer Tabelle skizziert hast, wirst du das Essen nicht überleben.“
Die Aussage lässt erahnen: Von Ella Emhoff wird man noch lange hören – auch wenn sie ihre Modelkarriere schon längst an den Nagel gehängt hat, um sich anderen Dingen zu widmen. Zum Beispiel ihrem schon jetzt intensiven politischen Engagement für Feminismus und schwarze Transgendermenschen. Das hätte wohl auch Ella Fitzgerald gefallen.