“Das ist Luxus”: Einblick in die deutsche Kerzenbranche

Eher Luxus als Alltagsgegenstand: Kerzen aus Deutschland.

Eher Luxus als Alltagsgegenstand: Kerzen aus Deutschland.

Kempen/Stuttgart. Thomas Engels hat seine Nische gefunden. "Das ist Luxus", sagt der 55-Jährige und zeigt auf rote Stumpenkerzen, die kopfüber in einem Spezialofen stecken. Vier Stunden dauert die Wärmebehandlung, bis der letzte Sauerstoff aus dem Paraffin entwichen ist. "Solche Kerzen sind schwerer und brennen deshalb lange", erklärt Engels.

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Als Geschäftsführer leitet er eine Kerzenmanufaktur in Kempen am Niederrhein - in dritter Generation. Vater und Großvater haben vor allem Kerzen für die Kirche produziert, und auch heute ist dieser Bereich noch ein wichtiges Standbein des Unternehmens. Allein den Aachener Dom versorgt Engels jedes Jahr mit mehreren Zehntausend Kerzen - "aus liturgischen Gründen mit mindestens zehn Prozent Bienenwachs". Rund 15 bis 20 Prozent seines Umsatzes mache er mit Kerzen für Kirchen, sagt Engels. Zu absoluten Zahlen schweigt er.

2018 war ein ziemlich mieses Jahr für die Kerzenbranche.

Stefan Thomann

Bei Produzenten ist im August Weihnachten

Während für die meisten Käufer mit der Advents- und Weihnachtszeit gerade die Kerzen-Hochsaison beginnt, ist sie für die Hersteller schon wieder zu Ende. Wobei es die starken Zyklen von einst in der Produktion heute so auch nicht mehr gibt, wie Stefan Thomann sagt, Geschäftsführer der European Candle Association, des Verbands der Kerzenhersteller. Das habe sich etwas abgeflacht, die Produktion sei gleichmäßiger geworden. In den ersten Monaten des Jahres sei oft "Standardware" an der Reihe, Teelichter zum Beispiel. Das Weihnachtssortiment folge dann so etwa ab August.

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Warme Winter bringen schlechten Umsatz

"Die rote Adventskranzkerze ist immer noch sehr gebräuchlich", sagt Thomann. Beliebt seien auch immer noch der klassische Adventskranz oder Gestecke. Ob es gut oder schlecht läuft in der Branche, hänge aber vor allem auch am Wetter im Oktober und November. Schmuddelwetter ist Kerzenwetter. Gefühlter Sommer bis in den November hinein dagegen nicht. "Das merken Sie sofort", sagt Thomann. "2018 war ein ziemlich mieses Jahr für die Kerzenbranche." Und auch dieses Jahr werde wohl nicht so viel besser. Die Lager der Händler seien noch voll mit nicht verkaufter Ware aus dem Vorjahr.

Kerzen werden von einer Mitarbeiterin der Kerzenmanufaktur Engels für das Tauchbad vorbereitet.

Kerzen werden von einer Mitarbeiterin der Kerzenmanufaktur Engels für das Tauchbad vorbereitet.

Produktion in Deutschland geht zurück

Immer weniger davon stammt allerdings aus heimischer Herstellung. Die Produktion hierzulande geht seit Jahren zurück. Gut 72.000 Tonnen Kerzen im Wert von rund 164 Millionen Euro wurden 2018 laut EU-Statistikamt in Deutschland hergestellt. Fünf Jahre zuvor waren es noch fast 125.000 Tonnen.

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Was nicht so sehr mit dem Verbrauch zu tun hat, wie Thomann betont. Deutschland ist der größte Kerzenimporteur in der EU. Verrechnet man Produktion, In- und Export, waren hierzulande im vergangenen Jahr knapp 181.000 Tonnen Kerzen auf dem Markt, ein gutes Viertel der gesamten EU-Produktion.

Wer in Deutschland produziert, muss entweder Massenware herstellen oder sehr hochwertige Produkte.

Thomas Engels

Polen ist Hotspot der Kerzenproduktion

Aber die Produktion hat sich verlagert, besonders nach Polen. Das osteuropäische Land ist der Hotspot der europäischen Kerzenproduktion. 2018 wurden dort laut Statistik fast fünfmal so viele Kerzen hergestellt wie in Deutschland. "Das hatte früher Kostengründe", erklärt Thomann. Inzwischen liege es auch an der guten Infrastruktur. Viele Zulieferer hätten sich angesiedelt. Außereuropäische Konkurrenz gebe es zudem aus Asien und den USA.

Teure, handgefertigte Kerzen - Made in Germany

"Wer in Deutschland produziert, muss entweder Massenware herstellen oder sehr hochwertige Produkte", sagt auch Kerzentüftler Engels. "Der mittlere Bereich verabschiedet sich." Er liefert seine Premiumkerzen an Firmenkunden aus der Mode- und Parfümbranche oder Möbelhäuser, verkauft sie aber auch unter dem eigenen Namen.

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Wichtiger als Altarkerzen ist für die Firma mit 70 Beschäftigten inzwischen das Lifestyleprodukt Kerze - mit viel Handarbeit gefertigt und entsprechend teuer. Diese Kerzen werden in Detailarbeit verziert, Dochte noch mit einer Schere gekürzt. Bei der Endkontrolle der polierten Kostbarkeiten trägt ein Engels-Mitarbeiter Handschuhe.

Ein Mitarbeiter der Kerzenmanufaktur Engels schneidet den Stumpenkerzen nach einem vierstündigen Wärmeprozess in einem Spezialofen per Hand die Dochte ab.

Ein Mitarbeiter der Kerzenmanufaktur Engels schneidet den Stumpenkerzen nach einem vierstündigen Wärmeprozess in einem Spezialofen per Hand die Dochte ab.

Duftkerzen besonders beliebt

Derzeit sind besonders Duftkerzen gefragt. "Früher haben wir rund 340 Tonnen Wachs zu Duftkerzen verarbeitet, jetzt sind es 400 Tonnen - Tendenz steigend", sagt der Firmenchef. Lieferbar sind Engels-Kerzen auch mit Holzdocht, der knistert wie ein Kamin. Passend zur Weihnachtszeit werden Kerzen in Form eines Tannenzapfens gegossen. Es gibt aber auch Mops, Gartenzwerg oder Hirschkopf als Kerzen.

Für die gesamte Branche hat Verbandschef Thomann vor allem zwei Trends ausgemacht: sogenannte Rustikstumpenkerzen, die gegossen werden und nicht gepresst und gefärbt und deshalb nicht glatt sind, sondern einen rauen Vintage-Look haben. Und Kerzen im Glas, die mehr Freiheit beim Design bieten.

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Kaum zu sehen: Männer, die Kerzen kaufen

Was aber auch sie alle nach Thomanns Erfahrung nicht leisten können: Männer dazu bewegen, sie zu kaufen. "Sie sehen quasi keine Männer Kerzen kaufen", sagt er. Über 90 Prozent der Käufer seien Frauen. Zwar versuchten es die Hersteller immer mal wieder mit speziellen Angeboten, Kerzen mit dem Geruch von frisch gemähtem Gras zum Beispiel. Trotzdem: Männer kauften allenfalls im Auftrag ihrer Frauen oder als Geschenk. "Die haben dafür in der Regel keinen Sinn", sagt Thomann.

RND/dpa

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