Viele Legenden zur Erfindung des Gebäckstücks

Lauge, Liebe, Hoffnung: Wie die Brezel so beliebt wurde

Typisch deutsch: eine Brezel.

Typisch deutsch: eine Brezel.

Sie muss nicht mal hinschauen, wenn sie eine Brezel formt: Michaela Brauer beherrscht die Wurftechnik und den Knoten perfekt. Die 62-Jährige nimmt die lange, schmale Teigwurst an den Enden in die Hände, schwingt sie in die Luft, kreuzt mit der rechten Hand unter der linken hindurch, und fertig ist das Gebäckstück – in weniger als drei Sekunden.

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Jeden Tag entstehen auf diese Weise 12.000 Brezeln in Peter’s Guter Backstube im badischen Bühl, die dann in den Filialen landen. Michael Esposito, gelernter Bäcker und Bereichsleiter des Familienbetriebs, ist „stolz darauf, dass die Brezeln ohne jeglichen Zusatz von Chemie und vor allem von Hand hergestellt werden“.

„Brezelfan“: Cem Özdemir will Brezelbacken auf Liste für immaterielles Kulturerbe setzen

Die baden-württembergische Bäckerinnung hat vor Kurzem den Antrag gestellt, das traditionelle Handwerk des Brezelbackens auf die Liste für das immaterielle Kulturerbe der Unesco zu setzen. Den Vorstoß unterstützt auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der nach eigenen Worten „seit Kindertagen Brezelfan“ ist. Ihm sei es ein großes Anliegen, dass diese jahrhundertealte Tradition mit ihrer regional verankerten Produktion erhalten bleibe.

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Doch was macht diese Tradition aus? Martin Reinhardt, Landesinnungsmeister von Württemberg, zufolge werde die Brezel erst durch ihre handwerkliche Fertigung, dem Schlingen und der speziellen Wurftechnik zu einem besonderen Gebäck. Nicht von ungefähr hätten die Bäcker vor mehr als 700 Jahren die Brezel mit ihrer einprägsamen Form als Zunftzeichen auserkoren, das bis heute verwendet werde. Grünen-Politiker Özdemir ist zudem noch eines wichtig: „Ich setze mich dafür ein, dass es eine länderübergreifende Initiative wird.“ Denn die Brezel gibt es nicht nur in Süddeutschland, sondern auch in Österreich, der Schweiz und im Elsass.

Bauch und „Ärmchen“: Bayerische Brezeln unterscheiden sich von baden-württembergischen

Brezeln, Brezen, Brezn oder Bretzeln: Über die regionalen Varianten kann Sonja Hart einiges erzählen. Sie ist Leiterin des Brezelmuseums in Erdmannhausen, eine gute halbe Stunde entfernt von Stuttgart. Es sei Ehrensache, dass sie versuche, jeden Tag eine Brezel zum Frühstück zu essen, gesteht sie lachend.

„Die bayerischen sind – mit Ausnahme der Wiesn-Brezeln – etwas kleiner und die Ärmchen etwas dicker als bei den baden-württembergischen.“

Sonja Hart,

Leiterin des Brezelmuseums in Erdmannhausen

Dabei handle es sich in der Regel um ein schwäbisches Exemplar. Sie erklärt, worin der Unterschied zwischen den bayerischen und baden-württembergischen Brezeln liegt – es kommt dabei auf Bauch und „Ärmchen“ an: „Die bayerischen sind – mit Ausnahme der Wiesn-Brezeln – etwas kleiner und die Ärmchen etwas dicker als bei den baden-württembergischen. Und bei den schwäbischen Brezeln ist der Bauch dicker als bei den bayerischen. Bei den badischen gehen die Ärmchen mehr zum Bauch hin.“

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Hart findet es wichtig, dass die Laugenkreation zum Kulturerbe werden soll, „es existiert so eine Vielfalt an Brezeln, und jede Form hat ihre Berechtigung. Es wäre langweilig, wenn es nur noch Schlingmaschinen gäbe. Das Handwerk des Brezelschlingens ist es ja, was ausgezeichnet werden soll. Das ist wichtig – gerade in Zeiten, in denen viele Bäckereibetriebe es nicht einfach haben, weiterzumachen“, betont die Museumsleiterin.

Über die Erfindung der Brezel existieren viele Legenden

Um die Geschichte der Brezel und ihre Herkunft ranken sich allerhand Legenden. Eine der bekanntesten ist Hart zufolge jene vom Hofbäcker Frieder aus dem schwäbischen Bad Urach, was übrigens der Geburtsort von Özdemir ist. Frieder soll im Jahr 1477 aus Angst um sein Leben die Laugenbrezel erfunden haben: Ein Graf hatte den Bäcker zum Tode verurteilt, weil dieser Brot mit Sägespänen gestreckt hatte.

Doch Frieder bekam noch eine Chance. Wenn er es schaffte, innerhalb von drei Tagen ein Brot zu backen, durch das dreimal die Sonne scheint, sollte sein Leben verschont bleiben. Als Frieder seine Frau sah, wie sie ihn mit verschränkten Armen beim Teigkneten betrachtete, kam ihm die Idee, die Form der verschlungenen Arme nachzubilden. Zu Frieders Entsetzen jedoch stieß eine Katze das Backblech um, und die Kreation landete in der Laugenwanne. Er schob die Teiglinge trotzdem in den Ofen – heraus kam ein krosses Gebäck, von dem der Graf begeistert war. Und tatsächlich schien auch die Sonne an drei Stellen hindurch.

Doch auch die Bayern beanspruchen die Erfindung für sich: 1839 wollte demnach ein Münchner Bäcker eine süße „Faschingsbreze“ glasieren und erwischte statt Zuckerwasser Natronlauge, mit der er eigentlich das Blech hatte säubern wollen. Und eine weitere Legende geht davon aus, dass der Erfinder ein italienischer Mönch war, den angeblich die verschränkten Arme seiner betenden Mitbrüder zum Formen der Brezel inspiriert hatten.

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Brezeln sind auch heute noch sehr beliebt

Aus wissenschaftlicher Sicht spielen die Arme als Vorbild tatsächlich eine entscheidende Rolle: Historikerinnen und Historiker vermuten, dass sich die Brezel aus einem sogenannten griechischen Ringbrot entwickelt hat, das schon vor 1000 Jahren in den Klöstern als Abendmahlsbrot gereicht wurde. Der Begriff Brezel leitet sich vom lateinischen Wort Brachium, zu deutsch „der Arm“ ab.

Sicher ist, dass die Brezel trotz ihrer langen Geschichte nie an Beliebtheit verloren hat. In vielen Städten gibt es sogar sogenannte Brezeltaxis, die einem das Laugengebäck bis vor die Haustür liefern. Und so vielfältig wie die regionalen Exemplare sind, sind auch die Verzehrmöglichkeiten: Sie schmeckt pur, mit Butter, Käse oder Wurst. Es soll sogar nicht wenige Menschen geben, die Schokoladencreme darauf schmieren und sich an dem salzig-süßen Kontrast ergötzen. In Peter’s Guter Backstube schmunzelt Michael Esposito, wenn man mit ihm über die Schokovariante spricht: „Da hat eben jeder seinen Geschmack.“ Er allerdings isst seine Brezel am liebsten ohne alles.

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