Paartherapeut: Der Verlauf der Kindheit beeinflusst die Partnerwahl
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Wer in der Kindheit schwierige Erfahrungen im familiären Umfeld gemacht hat, sucht sich als Erwachsener in der Partnerschaft oft ein ähnliches Umfeld.
© Quelle: lisa runnels/ Pixabay
Jeder von uns kennt doch mindestens ein Paar, bei dem wir es nicht nachvollziehen können, warum diese zusammenbleiben oder gar zusammen sind. Wir kennen die Geschichten der Frauen, die unter einem Vater mit Alkoholproblem gelitten und sich dennoch einen Partner mit ähnlichem Verhalten gesucht haben. Wir sehen Paare, bei denen die Frau die “Hosen” an und der Mann nichts zu melden hat und erkennen bei näherer Betrachtung, dass die eigene Mutter und Frau sehr ähnlich sind.
Warum ähnelt der Partner einem Elternteil?
Heute möchte ich zwei Fragen stellen. Eine davon können nur Sie beantworten, die zweite werde ich näher beleuchten. Frage eins: Kennen Sie solche Geschichten tatsächlich nur vom Hörensagen? Oder haben Sie so etwas schon einmal selbst erlebt? Oder leben Sie mit einem Partner zusammen, der einem Ihrer Elternteile sehr ähnelt?
Unabhängig von Ihrer Antwort – es gibt kein gut oder schlecht. Deswegen überlegen Sie gerne wertungsfrei. Denn eine solche Ähnlichkeit muss nicht zwingend negativ sein, es ist jedoch nicht schlecht, wenn wir erkennen, dass es eben so ist. Kommen wir zur zweiten Frage. Warum ähnelt unser Partner oft einem unserer Elternteile? Suchen wir etwa bewusst nach einer “zweiten” Mama oder einem “neuen” Papa? Bewusst nicht, unterbewusst schon. Unsere frühe Kindheit ist die für uns prägendste Zeit. Dort werden nahezu alle unserer Muster angelegt, die wir unser ganzes restliches Leben leben. Zumindest solange sie uns nicht bewusst sind.
Und so absurd es klingen mag, wir sehnen uns unser ganzes Leben nach dieser gewohnten Erfahrung, auch wenn diese physisch, psychisch oder emotional verletzend war. Kinder, die in der Kindheit benutzt wurden oder deren Eltern emotional nicht verfügbar waren, suchen sich als Erwachsener ein ebensolches Umfeld – oft in Form ihres Partners.
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Christian Hemschemeier ist Paartherapeut in Hamburg und Experte in Sachen Dating, Partnerschaft und Liebe.
© Quelle: Privat/Patan
Bindung und Prägung
Hierzu gibt es mehrere Forschungen, eine recht bekannte ist die von dem Zoologen Konrad Lorenz, der Untersuchungen mit Graugänsen anstellte. Sahen die Gänse ihn nach ihrer Geburt als Allererster, waren sie ihr restliches Leben auf ihn fixiert. Andere Gänse interessierten sie kaum. Konrad Lorenz nannte dies Prägung und es zeigt uns, wie tiefgreifend die ersten Tage, Monate und Jahre im Leben sind.
Doch das Experiment ging spannend weiter. Die Gänse wurden größer und reiften heran, bis sie alt genug waren für die Paarung. Und wer gehörte wohl zum Kreis der Ausgewählten? Es waren keine Gänse, sondern ältere Männer, vorzugsweise mit einem weißen Bart. Und nun raten Sie mal, wer einen eben solchen trug? Ihr “Vater” Konrad Lorenz.
Sehr viel später wurde ein ähnlicher Prozess beim Menschen entdeckt, den Psychologen als Bindung bezeichneten. Menschen hängen sehr stark an den Personen, mit denen sie in ihrer Kindheit viel Zeit verbringen. Und das ist auch der Grund dafür, dass Kinder ihre Eltern oder engsten Bezugspersonen lieben. Immer und bedingungslos. Bei einem guten Verhältnis ist dies wunderschön. Ist dies in welcher Form auch immer ungesund, leiden diese Kinder oft noch als Erwachsene darunter.
Professionelle Unterstützung kann helfen
Nicht nur, dass sie eventuelle emotionale, physische oder psychische Schäden davontragen. Nein, sie tendieren dazu, sich ein ebensolches Umfeld wieder selbst zu schaffen. Je tiefer die Narben, desto ratsamer ist es, sich professionelle Unterstützung zu holen. Doch der erste Schritt ist wie so oft, sich über die Situation bewusst zu werden. Schon alleine durch die Verschiebung der Thematik von der unterbewussten zur bewussten Ebene kann sich vieles ins Positive wandeln.
Der Autor und seine Kurse sind zu erreichen über www.liebeschip.de. Sein Buch “Der Liebescode” ist 2019 im Handel erschienen.